Eine überaus raffinierte Quiche mit Basilikum, Mascarpone, karamellisierten Zwiebeln mit Feigen-Balsamico und Ofentomaten.

Haken links, Haken rechts. Der Stürmer dribbelt, übersteigt den Ball, täuscht an, vernascht zwei Verteidiger, tunnelt einen dritten, verknotet ihm die Beine, dann knallt er selbst stolpernd – halb zog es ihn, halb sank er hin – die Pille … in den Nachthimmel. Meter übers Tor. Irgendwo grob in Richtung nächstes Autobahnkreuz. Horst in der Kneipe in Essen-Rüttenscheid, der das mit schaumgekröntem Schnurrbart vor dem Fernseher erlebt hat, knallt wütend seine Faust samt Bierglas auf den Tresen, auf dass es spritzt und sein Schmerbauch bebt. Er holt Luft und brüllt: „Hömma, Du Spast! Datt Runde muss ins Eckige!“ In der Hoffnung oder Überzeugung, dass dieser unfähige Stürmer ihn hört und erhört. Ihn, Horst, der 1984 mal den Titel als „Mister Pilswampe“ ergattert hat. Und der Satz, den er brüllt, ist eine von unsagbar vielen immer wiederkehrenden ausgeleierten und phrasenschweinwürdigen Sprachbildern, denen man begegnet, wenn irgendwer Fußball guckt – und kommentiert.

Das Runde muss ins Eckige. Wenn das klappt, wird’s im besten Fall ein Volltreffer. Flanke von links, Beine hoch in die Luft geschmissen, kurze Zeit fast waagerecht fliegend, Seitfallzieher, mit Schmackes in den Winkel. Treffer versenkt. Zungen schnalzen. Geile Bude. Das Runde muss ins Eckige. Volltreffer. Passt aber auch in ganz anderem Kontext. Dann, wenn man eine Quiche in den heißen Ofen schiebt, sie darin eine halbe Stunde lang schmurgeln lässt und am Ende schon betört ist von den köstlichen Düften, wenn man nur die Klappe öffnet und das Teil rauszieht. Augenschmaus und Gaumenweide. Oder umgekehrt. Oder beides.
Ich habe nie gezählt, wie viele Quiches ich in meinem Leben verspeist habe. Viele. Aber diese, die ich an diesem Wochenende angelehnt an ein Rezept des verrückten Genies der britischen Küche, Drei-Sterne-Koch Heston Blumenthal, ausgeheckt habe, war ein Volltreffer. Raffiniert in den Winkel geschlenzt. Mit Schmackes.
Ein Hauch von Feigen-Balsamico, Senf und Kräutern tanzt durch langsam konfierte und karamellisierte Zwiebeln und verzückt das Publikum mit seinem trickreichen Zusammenspiel mit der satten Wonne meiner heißgeliebten Ofentomaten und der aromatischen Raffinesse einer Creme, in der frisches, selbst gemachtes Basilikumpesto und Mascarpone gemeinsame Sache machen. Da reißen die Geschmacksnerven auf den Publikumsrängen vor Begeisterung ihre Arme zur La-Ola-Welle hoch.
Das Gute daran: Für die Quiche braucht man im Optimalfall nur wenige Handgriffe, die reine Zeit, die man daran arbeitet, ist kurz. Das weniger Gute für Ungeduldige: Für die Quiche braucht man im Optimalfall schon ein bisschen Zeit und Vorlauf. Denn die Aromen werden hier teilweise sehr schonend und langsam hervorgekitzelt.

Zum Teig:
Der pragmatische Ansatz: Eine Rolle Blätterteig fertig im Laden kaufen und so in die Quicheform drücken, dass es passt.
Das kann in Teilen etwas hampelig sein, weil die Stücke in der Regel rechteckig sind, die Form aber gezackt rund ist – aber auch das geht fix. Vorteil: Fast kein Aufwand. Nachteil: wenig eigene Einwirkung auf die Zutaten des industriell gefertigten Teigs. Selbst wenn man den Teig blind vorbackt mit mit etwas Ei-Wasser-Mische bestreicht, wird er unter der Füllung trotzdem relativ weich und matschig. Mich stört das nicht.
Noch pragmatischer: Komplett auf eine Quicheform verzichten und die Füllung am Ende einfach auf den rechteckigen Teig streichen.
Der weniger pragmatische Ansatz: Wer sich die Zeit nehmen möchte, kann den Blätterteig selbst redend auch selbst herstellen. Etwa nach diesem Rezept.
Alternativ kann man beispielsweise auch den wunderbar knusprigen „All-buttah pie dough“ aus dem tollen Buch „The book on pie“ von Erin Jeanne McDowell zur Grundlage der Quiche machen.
Zutaten:
- 150 Gramm Mehl
- 125 Gramm Butter oder 125 Milliliter neutrales Öl, wenn es vegan werden soll
- 60 Milliliter Wasser
- 1 Gramm Salz
Zu tun: Mehl in eine Schüssel sieben, Salz dazustreuen, die kalte Butter in walnussgroßen Stücken hineinstreuseln, unter ein wenig Rühren das Wasser hinzugeben, dann mit wenigen Handgriffen zu einem Teigklumpen kneten. In Zellophan gehüllt eine Stunde lang im Kühlschrank kaltstellen. Dann ein Brett/eine Arbeitsfläche bemehlen, den Teig ausrollen und in die vorher eingefettete Quiche-Form drücken. Im vorgeheizten Ofen bei 180 Grad etwa 20 Minuten lang blind backen (den Teig von oben mit Backpapier auskleiden und getrocknete Hülsenfrüchte so dicht und zahlreich hineingeben, als ob eine echte Füllung überm Teig läge – so rutscht der Teig nicht ab).
Zur Füllung:
Bevor sich die Zutaten der Füllung zu einer Art heiliger Dreieinigkeit verbinden, sind drei verschiedene Arbeitsschritte nötig, bei denen jeweils aber kaum Handgriffe nötig sind.
Ofentomaten brutzeln, Zwiebeln schmurgeln, Pesto zusammenmörsern und mit Mascarpone verrühren.
Die Tomaten macht man am besten einen Tag vorher – schon weil man auch dafür den Backofen braucht, vor allem aber, weil langes Ziehenlassen die Aromen noch viel wunderbarer hervorkitzelt.
Die Ofentomaten
Schritt 1: Die köstlichen Ofentomaten herstellen und in der Abwärme des Ofens über Nacht ziehen lassen. Das geht so.
Wer dem Link lieber nicht gesondert folgen möchte:
Man nehme:
- Eine ofenfeste Form
- 250-300 Gramm frische Kirschtomaten
- ZWei Knoblauchzehen
- 2 Esslöffel gutes Olivenöl (oder mehr, je nach Vorliebe)
- 2 Esslöffel guten Balsamico, oder noch besser: dieselbe Menge von der atemberaubend guten „Zaubermarinade“ von Sterneköchin Tanja Grandits (Rezept hinterm Link)
- Ne gute Prise Salz
- Ne gute Prise Zucker
Vorab den Ofen aufheizen auf höchster Stufe.
Die Kirschtomaten halbieren (andere Tomaten gehen natürlich auch, wenn sie größer sind, sollte man sie nur in Scheiben schneiden statt sie nur zu halbieren), den Knoblauch schälen und kleinschneiden, Olivenöl sparsam so verteilen, dass möglichst alle Tomaten ein bisschen abbekommen, Balsamico/Marinade ebenfalls. Salz- und Zuckerprisen auch so über die Tomaten rieseln, dass alle etwas Würze abbekommen. Wer mag, kann ein paar getrocknete Kräuter dazugeben: etwas Thymian vielleicht, Oregano, ein bisschen Rosmarin oder eine Prise Kreuzkümmel. Nötig haben werden diese Tomaten zusätzliche Gewürze aber nicht.
Das Ganze dann auf der höchsten Schiene unter den Grill schieben und da etwa 15-20 Minuten brutzeln lassen. Danach den Ofen ausschalten und die Tomaten einfach über Nacht sich selbst und der Restwärme überlassen. Es braucht keinen weiteren Aufwand, nur etwas Geduld.
Durch die Hitze und den langen Urlaub im Ofen karamellisieren die Tomaten, auch gemeinsam mit Salz und Zucker, sie werden zart, bleiben aber bissfest, und entwickeln eine Intensität, bei der man nur sagen kann: Donnerknispel, hab ich Euch unterschätzt. Wenn ich am nächsten Tag probierend nasche, muss ich aufpassen, nicht gleich alles aufzuessen. So sehr hat der Ofen hier Aromen mit ungeahnter Tiefe hervorgekitzelt. Feine Süße, zarte Säure, kecke Salznoten.

Die Zwiebeln
Man nehme:
- Sechs bis sieben mittelgroße rote Zwiebeln oder große Schalotten
- 50 ml gutes Olivenöl
- 60 Gramm Butter
- 1 EL frische Thymian-Blätter
- 1 EL frische Rosmarinblätter
- 1 TL Senf
- 2 Esslöffel Feigenbalsamico (oder Sherry-Essig oder einfach normalen Aceto Balsamico)
- Eine Prise Salz
- Eine Prise Piment d’Espelette oder Chilipulver (optional)
Die Zwiebel auf Ringe schneiden. Die Kräuter waschen, abzupfen, den Rosmarin kleinhacken. Das Öl und die Butter in einer Pfanne sehr sanft erhitzen, auf niedriger Hitze. Die Zwiebeln hineingeben und im Fett gut eine Stunde lang konfieren (sprich: schmurgeln lassen), bis sie weich und golden karamellisiert sind. Eventuell zudecken. Nur hier und da mal rühren, falls überhaupt. Nach gut einer Stunde den Senf und den Feigen-Balsamico – oder Sherry-Essig oder was Ihr an Essig so dahabt – einrühren und auch die Kräuter. Mit Salz und – falls man noch nen zart belebenden Schärfekick dazu mag – etwas Piment d’Espelette oder nem Schnips Chilipulver abschmecken.
Hinweis: Vor dem Weiterverwenden in ein Sieb geben und abtropfen lassen, es sei denn, man hätte die Quiche gern besonders üppig, fast triefend mit viel Butter und Fett als Geschmacksträger.

Die Basilikum-Pesto-Mascarpone-Creme
Der pragmatische Ansatz: Basilikumpesto im Glas kaufen. Schmeckt meist längst nicht so lecker, ist nicht so frisch und ist oftmals um einiges fettiger.
Der nicht so pragmatische Ansatz: Pesto selber machen. Geht in etwa fünf Minuten. Schmeckt viel besser. Wer es nicht mörsern kann oder will, kann das auch mit nem Pürierstab oder im Mixer der Küchenmaschine kleinhacken und verbinden. Das wird meist aber bitterer, weil deutlich mehr Zellen zerfetzt werden – und auch allzu cremig, wodurch Crunch verloren geht.
- 30 Gramm Pinienkerne
- 60 Gramm frische Basilikumblätter
- 100 Milliliter gutes Olivenöl
- 40 Gramm frisch geriebenen Parmesan
- Salz und Zucker zum Abschmecken
In einem schweren Mörser die Pinienkerne mit dem Stößel zerdrücken. Um nicht zu sagen: zermörsern. Dasselbe in der Folge mit den Basilikumblättern machen, nach und nach dazugeben und rührend zerdrücken. Sukzessive auch das Öl hinzugeben und den Parmesan. Mit einer Prise Salz und nach Geschmack eventuell auch einem ganz klein wenig Zucker abschmecken.
Am Ende 250 Gramm Mascarpone unter das Pesto heben (sprich: es vorsichtig damit verrühren).

Die Dreier-Hochzeit:
Wer Lust auf noch etwas mehr Umami hat und noch über Tapenade, diese herzhafte Creme aus Oliven, Sardellen & Co. verfügt, kann eine dünne Schicht davon auf den Boden des Teigs streichen. Darüber oder direkt auf den Teig die (abgetropften) Zwiebeln geben.
Nun gibt es zwei Möglichkeiten:
Die edlere und raffiniertere: Die karamellisierten Zwiebeln mit den Tomaten backen und das Ganze 20 bis 30 Minuten lang bei 180° C knusprig backen, bis der Teig golden geworden ist. Und die Basilikum-Pesto-Mascarpone-Creme danach als kühlen Kontrast zur Tarte servieren wie Schlagsahne zum Kuchen. Nur in herzhaft. Wer noch etwas mehr Glanz mag, kann die Teigränder vor dem Backen auch mit Ei, mit etwas Wasser verschlagen, bestreichen.
Die Mascarpone-Basilikum-Creme macht sich aber durchaus köstlich, wenn man sie mitbackt, über die Zwiebeln streicht und mit den Tomaten garniert und das Ganze gemeinsam im vorgeheizten Ofen backt. Wenn es oben eine knusprige Kruste geben soll, kann man auch noch weiteren Parmesan darüber reiben.
Wichtig ist am Ende vor allem: Das Runde kommt wieder aus dem Eckigen, und ich hoff, auch für Euch ist das, was rauskommt, ein Volltreffer. Guten Appetit!

Wer das Ganze übrigens in einer ebenfalls famos klingenden Variante mit karamellisierten Datteltomaten, Paprika und Speck probieren möchte, darf und sollte gern einmal bei „Katharina hat was ausprobiert“ schauen.
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Ein kreisrundes Ding, dreht sich, tanzt im Walzertakt vor sich hin und wird in aller Grazilität wilder und kraftvoller. „Boxing“ von Ben Folds Five
Wow….. ich bin gedanklich schon wieder dabei den Speiseplan umzuwerfen. Steht doch eine Kiste „Heirloom Tomatoes“ hier- und hausgemachtes Pesto harrt im Kühlschrank seiner Verwendung. Menno!
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Menno? Wär‘ das denn schlimm, wenn Du den Speiseplan flexibel umgestaltest? Wenn ja: Mea maxima culpa. Tut mir leid! 🙂
Ich weiß ja meist erst kurz bevor ich am Herd stehe, was ich koche. Und manchmal entwickelt es sich sogar währenddessen noch in neue Richtungen. 🙂
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Naja, ich plane schon ein wenig vor, da die Zeiten in denen ich überhaupt zum Kochen komme begrenzt sind. Und die „Wunschliste“ wächst und wächst….
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Mein Rezept ist geduldig. Glaube ich. Wie Papier. 🙂
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Hallo Ole, diese Quiche macht ganz große Lust sie nachzubacken. Danke dafür. Ich muss mir morgen das Rezept mal länger anschauen und gucken, ob ich alles im Haus hab. Schönen Abend und viele Grüße von Katharina
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Das freut mich immens. Mach das gern! Und falls Du selbst loslegen solltest, hoffe ich, es schmeckt 🙂
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und Dir ebenfalls nen schönen Abend!
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hallo Ole, ich habe heute eine Tarte gebacken. Hinein kamen u.a. geröstete Datteltomaten nach deinem Rezept. Die Tomaten sind der Hammer und waren mega lecker. Ich dank dir für die Inspiration. Liebe Grüße, Katharina
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