
Was bleibt, stiften die Dichter. Was dazwischen kommt, ist immer wieder das Leben. Der Alltag, sind die Aufgaben, die drängen erledigt zu werden, sind mitunter auch die Erschöpfung und Müdigkeit nach wirbelwilden Tagen. Und plötzlich wird, was sonst federleicht aus den Fingern hüpft, zur schweren Geburt. Und irgendwann wächst der selbst auferlegte Druck, es doch nach länger gewordenen Pausen wenigstens gut zu machen, es krachen zu lassen. Zurückkehren mit einem Knall.
So ein wenig war und ist es hier mit mir, mit dem Blog. Ich habe Chancen verstreichen lassen. Weihnachtsgrüße, Ideen für den Advent, Witziges zum neuen Jahr. Ideen gab es mannigfaltig. Zu oft fehlte Zeit, dann gab es einige Kraft klauende Überschläge im vorigen Jahr. Unvorhergesehenes, das Mut und neue Weichenstellungen forderte, während das Leben weitertobte.
Zwei neue Jobs binnen eines guten halben Jahres etwa. Dinge, über die sich zu klagen verbietet, weil darin tolle neue Chancen steckten und ich mehrfach Demut gelernt habe, wo es doch andere viel härter erwischt hat. Und so wünsche ich Euch allen aber verspätet, frohe Festtage gehabt zu haben und ein wunschnahes Neues, das inmitten allen Irrsinns, der sich wachsend Bahn bricht, doch wunschnäher sein wird als man manchmal befürchten mag, positiv überrascht. Und heute, am Internationalen Winnie-the-Pooh-Tag, soll es endlich sein – nach gut zwei Monaten Pause.
Nun ist ja niemand eine Insel. Bis auf die Insel selbst, möchte man John Donne antworten.
Alle Inseln sind Inseln, könnte man auch sagen. Nicht wenige Inseln haben Nachbarn, kleine Schären, vulkanische Archipele, aus dem Wattenmeer aufragende Dünengebilde. Und doch reden wir oft von einsamen Inseln. Hat aber je jemand Inseln gefragt, ob sie auch einsam sind – und sich so fühlen? Und wie erginge es ihnen, wenn plötzlich Scharen von Menschen auf Archen oder Küstenmotorschiffen angetuckert kämen, an ihren Stränden oder Küsten landen und furchtbar viel Krams mitbringen, den sie aus ihren Habseligkeiten herausgepflückt haben, nachdem sie an einer Umfrage teilgenommen haben, was sie denn wohl auf eine einsame Insel mitnehmen würden – die umso weniger einsam, aber voller Zeug wäre, sobald sie aufgetaucht sind. Krams über Schlafsäcke hinaus. Oder ein Buschmesser. Was soll man beispielsweise mit fünf Lieblings-Platten, wenn im Gepäck kein Platz mehr für einen Plattenspieler ist – und es zudem womöglich gar keinen Strom auf der Insel gibt? Was soll man mit fünf Lieblingskochbüchern auf dem Eiland, wenn die Zutaten dort nicht wachsen, kein Herd weit und breit in Sichtweite ist und man seine Küchengeräte zuhause gelassen hat?
Wäre sie ein Gewürz, wäre sie keinesfalls Mehl
Wenn und weil man aber gern solche Listen macht, um für sich selbst das Wichtigste zu küren, um im Tand der Tage nach dem echten Gold zu schürfen, haben solche Insel-Ideen ja durchaus ihren Charme. Und sollte ich gezwungen sein, fortzumüssen auf eine noch einsame Insel und sollte im Gepäck noch Platz für fünf Kochbücher sein (und am Ziel was mit ihnen anzufangen): Das neueste Kochbuch von Tanja Grandits, „Einfach Tanja“ (at-Verlag, unbezahlte und unbeauftragte Werbung) hätte hervorragende Chancen, im Seesack zu landen und an Bord gehievt zu werden. Und eins, bei dem ich mehr als ein Jahr gebraucht habe, es vorzustellen, obwohl es seit seinem Erscheinen zu meinen Lieblingen zählt. Weil meine Worte dem Werk angemessen sein sollten. Und dann kam über Monate das Leben dazwsichen – was zuletzt so oft dazwischen gekommen ist, ich wiederhole mich.
Nun aber. Und Ihr wisst, es gibt Menschen, die sind so langweilig, dass man ihnen sagen möchte: „Wärst Du ein Gewürz, wärst Du Mehl!“ Und dann gibt es Menschen, die sind auf so unaufdringliche, liebenswerte Weise raffiniert, dass man ihnen um den Hals fallen möchte, ohne ihnen jemals begegnet zu sein. Sie wären zurecht verstört, passierte das in echt. Zu den Menschen, bei denen mir sowas passieren könnte, gehört die aus Albstadt-Ebingen auf der Schwäbischen Alb stammende Sterneköchin Tanja Grandits. So wenig wir einander je begegnet sind, sind insbesondere ihre letzten drei Bücher so voll bodenständiger herzöffnender Freundlichkeit und Zugewandtheit, dass man fast staunt.
Bodenständige Herzenswärme
Denn wie nur sehr wenige Sterneköche schafft sie es, dass, wer in ihren Büchern blättert und ihren Rezepten verfällt, sich fühlt, als habe sie ihn zu sich nach Hause eingeladen, ihm köstliche Familienküche aufgetischt, ihr im Wohnzimmer stehendes Einhorn gezeigt, offenherzig und mit schmunzelblitzenden Augen auch von ihrem lebensgroßes Plüschschaf und der Ziege im Schlafzimmer erzählt – und, dass solcher Kitsch augenzwinkernd zeigt, man nicht alles so ernst nehmen soll. Sie, die in einer Familie aufwuchs, „in der eher zu viel gegessen wurde, vor allem Wurst und Speck, Fettiges und Schweiniges“, verströmt in ihren Büchern eine stille, fröhliche, uneitle und bodenständige Herzenswärme, wie man sie im Zirkus der mitunter selbstherrlichen besternten Gockel selten erlebt. Wenigstens in ihren Büchern ist sie eher der verzaubernde Gegenentwurf zu den perfektionistischen aufbrausenden, technokratischen Tektur-Terroristen, akribiebetrunkenen Ausrastern und selbstbetrunkenen Schillerlocken, denen die ach so fehlbaren Untergebenen in der Sterneküche sonst mitunter „Yes, chef“ zurufen müssen.
Und so sind auch ihre Bücher fast wie die mit Raffinesse gespickte Rezeptsammlung einer Freundin, die an die Hand nimmt und Geheimnisse und Tricks verrät, die die eigene Küche verändern und Köstlichstes schaffen können, ohne dass man dafür Paketboten ächzen lassen muss, die schweineteure Spezialzutaten anschleppen, die es vor Ort nirgends gibt. Ohne, dass man extra einen Westflügel ans Haus bauen und sich über alle Ohren verschulden muss, um all das technische Gerät herbeizukarren, auf das manch nerdiger Sternekoch für seine ganz besonderen Konsistenzen schwört und die man dafür scheinbar dringend benötigt, und dann noch einen Ostflügel samt Kühlhaus, wo edelste Zutaten über Tage halbgefroren abtropfen, in Sous-Vide-Applikationen tagelang schongaren, Fermente vor sich hingären, Lederparfüm vor sich hinduftet oder mundverlesene Pilzraritäten im Dörrautomaten ihre Umaminoten raffen können. Irgendwo noch ein Regal mit Geliermitteln und Aufspritzsyphons, um aus al dente gekochtem Brokkoli mit Pottasche, sonnengetrocknetem Sternenstaub und vier Jahre unter einer Yuccapalme vergrabenem Yuzu-Konzentrat ein Espuma zu zaubern? Und die die wirklichen Geheimnisse ihrer Küche aussparen, so dass es zuhause dann doch anders schmeckt.
„Einfach Tanja“ – was für ein Kochbuch!
Im Königswissen um Harmonie von Aromen und um das Spannende von Kontrasten ergänzt sie Herzhaftes und Fruchtiges, Sämiges und krossen Knack. Hier nun paart die Raffinierte scheinbar schlichte Ofenkürbissuppe mit einem Topping aus Brauner Butter, griechischem Joghurt, krossem Panko-Crunch und Kardamom-Essig-Rosinen. Überrascht den Gaumen mit Petersiliensuppe, die sie mit Zimt, Oliven und Ziegenkäse verzaubert. Serviert orientalisch angehauchte Linsensuppe mit Süßkartoffeln und Tahini. Sie umschmiegt Kohlrabi, in Misobutter geschmort und von Spinat umschmiegt. Kredenzt Reispudding mit Matcha, Pistazien und Limette, Schokoladen-Minz-Kuchen mit Himbeeren, Chinakohl-Rouladen mit Kichererbsen und Erdnusssauce, Rüebli-Curry mit Anis und Aprikosen, Grünen Spargel vom Blech mit Pecorino und Rucola-Pesto, Basilikumeis mit Ananas-Anis-Kompott, und einen von Apfel-Ingwer-Kuchen, von dem gleich mehrere meiner Freunde schwärmen, einen besseren hätten sie nie gegessen. Was ihre Bücher so überaus wertvoll macht, sind aber insbesondere die zumeist rasch gezauberten Bonus-Toppings, die sich auf so vieles streuseln und klecksen lassen und eher gewöhnliche Speisen plötzlich in ganz besondere verwandeln können – von Miso-Baba-Ghanoush über Zimt-Ajvar, die Kardamom-Essig-Rosinen, Kapern-Zitronen-Pesto und Knusper-Chiliöl, eine Gewürzmarinade mit Sternanis, Szechuanpfeffer, Minze, Ingwer und Zitronengras, eine hoch raffinierte Orangen-Würzsauce sowie Kräuter-Senf bis hin zu einer neuen Alternative zu ihrer legendären Zaubermarinade.
Und, nah an den sri lankischen Currys, die ich so liebe, findet sich im Buch auch ein Kokos-Tomaten-Sud mit Kartoffeln und Curryblättern. Eine wunderbar würzige Suppe für fernöstliches Fortträumen an tristen Nebeltwintertagen. Eben die sei Euch heute vorgestellt aus diesem Traum von einem Kochbuch von einer Frau, deren Werk so grandios ist, dass es kein Zufall sein kann, dass man das o nur durch ein t ersetzen muss, um bei ihrem Namen zu landen. Zumal dieses Rezept überdies noch perfekt in den Veganuary passt und einmal mehr zeigt, wie raffiniert und köstlich Pflanzliches sein kann.

Zutaten für die Kokos-Tomaten-Suppe mit Kartoffeln und Curryblättern
4 rote Zwiebeln, abgezogen, feingehackt
4 Knoblauchzehen, abgezogen, fein gewürfelt
1 daumengroßes Stück Ingwer, geschält, feingehackt
1 rote Chilischote
3 Esslöffel neutrales Öl
10 Curryblätter (frisch oder getrocknet)
1/2 Teelöffel Bockshornklee, gemörsert
1 Teelöffel Kardamom, frisch gemörsert oder gemahlen
1/4 Teelöffel schwarzen Pfeffer
1 Liter Gemüsefond (in ihrem Buch gibt es dazu ein extra Rezept, Gemüsebrühe tut es aber auch)
1/2 Liter Tomatensaft
700 Milliiter Kokosmilch
1 unbehandelte Limette, Schale abgerieben, Saft gepresst
1 Esslöffel Ahornsirup
Salz
700 Gramm Kartoffeln
500 Gramm Cherry-Tomaten
1 Handvoll Basilikum-Blättchen
200 Gramm Blattspinat
2 Esslöffel Kokosraspel

So bereitet man die Kokos-Tomaten-Suppe mit Kartoffeln und Curryblättern zu
Für die Kokos-Tomaten-Suppe mit Kartoffeln und Curryblättern zunächst die Zwiebeln, Knoblauchzehen und den Ingwer schälen und fein würfeln. Die rote Chilischote halbieren, entkernen, fein ringeln. Öl erhitzen und all das darin anschwitzen.

Die Gewürze dazugeben, fünf Minuten ständig rührend rösten.

Ablöschen mit der Kokosmilch, dem Gemüsefond und dem Tomatensaft. Mit Salz abschmecken, zehn Minuten köcheln lassen.

Während der Sud simmert, die Kartoffeln schälen, in schmale, mundgerechte Schnitze schnitzen und mitköcheln lassen. Derweil die Cherry-Tomaten halbieren. Basilikumblättchen und Spinat waschen, putzen, trocknen.

Spinat, Tomaten und Basilikum hinzugeben, einmal aufkochen.


Limettenabrieb und -saft hinzugeben und die Suppe mit dem Ahornsirup sowie möglicherweise weiterem Salz abschmecken. Als Krönung: Kokosraspel darüberstreuseln. Guten Appetit!

Musik zum Menü
Auf einsame Inseln nimmt man bestenfalls einen Schlafsack mit, so es da nicht zufällig ganzjährig muckelwarm ist. Und ob man dahin nun Lieblingsalben mitnommt, hängt ja ein bisschen davon ab, wie ewig lange die Akkus der Abspielgeräte halten – oder wie man da sonst an Strom kommt. Aber wenn, wäre eine Insel in der Sonne ja schon schön! Vorhang auf für einen der größten Urlaubsfeeling-Hits der letzten 20 Jahre: „Island in the sun“ von Weezer.
Zwischendurch kann man eine einsame Insel aber schonmal brauchen – und sirenengleiche Songschönheit, der man zart verfallen kann wie in „Island“ von Heather Nova.
Wer weiß? Vielleicht begegnet man sogar groovenden Gruselgestalten wie einer Skelett-Band auf der einsamen Insel? Wenn ja, vielleicht klingen sie ja ähnlich schmissig und gut wie „Hallways“ von Islands.
Und wenn schon Insel, warum nicht Haiti? Palmengesäumt, tropisch, verführerisch? „Let’s go to Haiti“ von The Exit. Die ja zudem ihr großes Album „Home for an island“ getauft haben. Da darf man sich nicht nur musikalisch zuhause fühlen.
Insel, warum nur eine? Plural kann schöner sein. Wie in „Islands“ von The XX, das ist seiner raffinierten Reduziertheit und seinem ganz eigenen Ton vielleicht auch Parallelen zur Küche von Tanja Grandits hat.
Islands – Hallways
Einer geht noch? „Island“ von Alice Merton ist ein Kandidat.
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Niemals Masse, immer nur Klasse 😊 und das Buch werde ich mir wohl einmal anschauen müssen, nach deiner grandiosen Schwärmerei
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„Tanja vegetarisch“ ist seit Jahren eins meiner liebsten Kochbücher, die Raffinesse und Wagemut und ganz Besonderes mit absolut machbarem Pragmatismus paaren. Das hier ist absolut ebenbürtig für mich und nach anderthalb Jahren immer noch ganz weit vorn. Tausendundeinen Dank Dir!
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Lieber Ole,
die Bilder laden geradezu ein, mit der Nase voran ganz zufällig in die Küche zu kommen.
Ganz liebe Grüße
Carina
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Man schmeckt, riecht und genießt diese Bilder 😋 Ein zum Eintauchen wunderschöner Beitrag mal wieder 😘
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Tausendundeinen Dank, meine Liebe! Yard Act hat übrigens ein neues Album!
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Einfach Ole! Back for good, übrigens einer meiner liebsten Lieblingslieder von Take That, lange geheim gehalten, jetzt ist es raus!
Gerade habe ich einen Blogbeitrag über Schwabistan verfasst, da kommst du nun mit meiner liebsten Tanja, von der ich erfuhr, dass sie auch aus Ebingen kommt, ein Teil Albstadts (übrigens bei Balingen nicht Tübingen), möglicherweise bin ich mit ihr sogar in den Kindergarten gegangen, ihr Dialekt kam mir so bekannt vor.
WAS für eine Geschichte! Was für ein Rezept von dir wieder lieber Ole. Und es ist immer ein gutes Zeichen, wenn die Schreibhemmung vorbei ist und es wieder fließt….. und dann kommst du noch mit Hearther Nova….tsss. Wundervolle Bilder, tolle Gewürze! Ich glaube, ich geh mal wieder in die Küche. Ich danke dir für die Inspiration!
(Morgen suche ich einen Wein dazu aus…)
Liebe Grüße heute aus dem Rheingau. Ute
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Danke für den inhaltlichen Hinweis! Ich hab das gern nochmal verfeinert. Auch wenn hier oben keine Sau wüsste, wo Balingen liegt und ich vielleicht auch sagen würde, aus Leer bei Oldenburg… was ähnlich weit entfernt liegt. Aber das geht trotzdem besser. 🙂
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Und tatsächlich: Was für eine Geschichte! Ich hab HP Baxxter vor Weihnachten übrigens wieder getroffen. Und Heather Nova kann man ruhig öfter wieder auflegen. Auch wenn es inzwischen ein Oldie ist.
Danke ebenfalls! Viel Spaß in der Küche, große Grüße in den Rheingau!
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moin Ole,
das ist ja ein Ding, wir haben 6 Jahre in Messstetten auf der Alb gewohnt und unser Sohn wurde 1990 in Albstadt-Ebingen geboren. Aber von der Sterneköchin habe ich bis dato noch nichts mitbekommen. Da muss ich doch mal glatt googeln. Die Suppe liest sich sehr lecker.
Liebe Grüße nach Leer, Karin
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