
Jetzt ist schon wieder was passiert. Und als Kommissar Knickarm da plötzlich vor dem Kutter stand, zu dem ihn die Einsatzzentrale gerufen hatte, wurde ihm ganz anders. Weil Gott des Gemetzels hier auch Gott des Gemezzes. Und vor allem, weil Kutter nicht gleich Kutter.
Hatte er doch irgendwie zart von einem Nordsee-Ausflug geträumt, Fischerhafen, hölzerne Schiffe, die aufs Meer hinaus pflügen, Netze auswerfen und das Leben herausholen, um es tiefgefroren und tot zurück an Land zu bringen. Vielleicht nach Feierabend ein paar Kühe umschubsen, zwischen Schafskötteln auf der Deichkrone umherstaksen und ein bisschen Sonnenuntergang gucken. Aber da hatte der Knickarm sich kräftig versehen. Weil Kutter nicht gleich Kutter. So wie im Deutschen umfahren das Gegenteil von umfahren ist. Und Kutter dasselbe Wort im Deutschen für Fischfangschiffe und für Messerwannen. Wo alles reingeht, Fleisch, Fisch, Gemüse – und alles rauskommt als eine einzige, klebrige Wahrheit. Und statt im Fischerdörfchen stand der Kommissar nun stattdessen in einer halbdunklen Küche. Und vor sich irgendwas hauchfein Zerfetztes, zur Creme Zermustes.

Aber interessant: Weil da streift der Kommissar seine Handschuhe über, sicher ist sicher, und man will ja am Fundort keine Fingerabdrücke hinterlassen, und dann plötzlich Spurensicherung, wie Du das in keiner Polizeischule je lernen wirst. Eher kommt da der Wachtmeister Stuber und brät Dir eins mit der Pfanne über, wenn Du bei sowas erwischt wirst. Und danach Disziplinarverfahren, frage nicht! Aber der der Knickarm dann trotzdem ungerührt seinen behandschuhten Finger einfach in die Creme gesteckt und dann abgeleckt.
Und das hat ja schon ein Geschmäckle. Und im ersten Moment der Kommissar gleich: Blumenkohl! Schon wieder Blumenkohl! Geröstet, zerfetzt, und das noch deutlich fetziger als bei seinem letzten Fall. Und da kann man sich schon ein wenig wundern über die kriminologischen Knospen von Knickarms Geschmackssinn. Weil da brauchst Du schon gewieftere Sinne als jedes Meerwiefke. Und beim Nachgang auf der Zunge ist ihm aufgegangen: Nicht nur Blumenkohl. Auch Aubergine, und Tahin, und Joghurt zum Spurenverwischen und Tarnen und Täuschen, und irgendein angesäuerter Granatapfel, schon früher zu Sirup verarbetet, schien da auch mitgemischt zu haben. Und im Kreuzverhör dann auch Kreuzkümmel entdeckt. Und schon wieder die Frage, wer denn da sich mit wem in der Schurwolle hatte, weil ohne Streit keine Keilerei, und hier wirklich großes Mischmasch. Und weil Zerfetzen und zu Mus verarbeiten: immer ein Motiv. Frage nicht. Aber interessant. Weil wer immer hier miteinander in den Kutter gestürzt oder geschubst worden war, passte zusammen. Faust aufs Auge Hilfsausdruck. Und dann in seinem schlauen Buch nachgeguckt, und dann rausgefunden, dass der cremige Haufen als Bande auch als „Mutabbal“ bekannt und womöglich illegal aus Bahrain eingewandert ist. Und sich woanders auch in ähnlich als „Baba Ghanoush“ tummelt, aber der Blumenkohl eher Überraschung. Und Teil einer Tischgemeinschaft, die als „Mezze“ berüchtigt geworden ist, quer durch den Orient, frage nicht.

Und nicht nur Gemetzel und Gemezzel, sondern auch noch Geschnetzel, und wer immer das hier angerichtet hatte, hatte es auch auf Knollen abgesehen und auf Getöse mit Fritteuse angelegt. Und hier definitv selbst Hand angelegt. Saubere Schnitte, frage nicht. Aber Lineal und Winkelmesser an diesem Tag vergessen. Und schon wieder fast Leichenblässe beim Lechleitner, dem Assi vom Knickarm, weil da beißt der Kommissar da einfach rein. Und das lernst Du nun wirklich an keiner Polizeischule. Da wedelt und fuchtelt der Dozent Dir schreiend vorm Gesicht rum. Sehnscheidenentzündung Hilfsausdruck. Und bei dem, was der Knickarm nun gemacht hat, wär’ dem Polizeischulmeister dann der Kiefer ausgehakt und die Hand wahrscheinlich abgeflogen und erst in Hintertupfingen wieder gelandet, in irgendnem Apfelbaum, weil neuerdings pflanzen ja alle irgendwo Streuwiesen. Und plötzlich ein Knall, weil da ist der Lechleitner ohnmächtig einfach umgefallen. Denn der Knickarm kann plötzlich nicht aufhören reinzubeißen und schiebt sich einen krossen Schnitz nach dem nächsten in die Backen, und immer und immer wieder tunkt er sie in die gekutterte Creme und frisst jetzt einfach den Fall auf, den er lösen soll. Scheiß auf Disziplinarverfahren, zum Donnerdrummel mit der Disziplin.
Weil das hast Du auch nicht so oft, dass Du nen Fall lösen sollst, und dann duftet alles so aromatisch. Schlaraffenland Hilfsausdruck. Nur dass hier keine gebratenen Tauben umhergeflogen sind, aber ob das im Schlaraffenland jemals passiert ist, müsste auch erstmal jemand beweisen, und der Knickarm zumindest kannte keinen bei der Polizei, der da jemals einen Einsatz gehabt hätte. Und dann hat er den Fall auf seine Weise gelöst, weil einfach alles vertilgt, quasi Beweismittel beseitigt. Und wo der Wachtmeister Studer vom Präsidium ihn ins Kreuzverhör genommen hat, einfach gesagt, keine Spuren mehr gefunden, und zermuste Leichenteile helfen Dir in der Asservatenkammer auch nicht weiter. Da waren meine Backen die artgerechtere Haltung. Und insgeheim gehofft, genau diesen Fall ganz bald in genauso oder ähnlich nochmal zu haben. Weil das war schon ein besonders guter Fall.

Was ist Mutabbal eigentlich – und wo kommt diese Variante her?
Nun ist, was der Kommissar hier vorgefunden hat, tatsächlich eine quer durch den Orient beliebte Melange, mit einem überraschenden Twist. Weil eigentlich Auberginenpüree, hier aber gerösteter Blumenkohl mitspielt. Und eigentlich auf einem Teller flachgedrückt, mit Olivenöl und Petersilie übersprenkelt zum Einstippen von rohem Gemüse oder frisch gebackenem (Fladen-)Brot oder anderen Köstlichkeiten, als Teil der arabisch-levantinischen Küche des Orients. Und hier durchaus inspiriert von der bahrainischen Köchin Noor Murad, die als Souschefin in Yotam Ottolenghis Testküche und als Co-Autorin seiner „Ottolenghi Test Kitchen (OTK)“-Kochbücher für Aufsehen gesorgt hat und die nun selbst ein traumschönes Werk namens „Lugma“ rausgebracht hat, das voll raffinierter Details und Twists steckt und eine Länderküche des Orients auf die Teller bringt, die deutlich seltener erschmeckt worden ist. Köstlich aber!
Während Baba Ghanoush in der Regel eher vegan ist und stückiger, bringen hier Joghurt (den man natürlich weglassen kann) und Tahin mehr Cremigkeit, Mächtigkeit und Tiefe, und klassisch ist eigentlich Zitrone die Säureträgerin, die ich als Brücke zum Brudergericht aber durch Granatapfelmelasse ersetzt habe für mehr Fruchtigkeit. Noor Murad setzt in ihrem Rezept nur auf Blumenkohl und auch keinen Dill ein, ich hatte aber noch kleine Auberginen von der solidarischen Landwirtschaft und auch noch ein halbes Bund Dill übrig, was sich mit seinen feinsüßlichen Zitrusnoten wunderbar einfügt.
Zutaten fürs Blumenkohl-Mutabbal mit selbst gemachten Pommes
Für die Pommes:
1 Kilogramm Kartoffeln, geschält und in dünne Streifen geschnitten
ein großer Topf voll Wasser
Salz
Olivenöl
Für die deutlich fettärmere Zubereitung empfehlenswert: eine Heißluft-Fritteuse
Für dendiedas Blumenkohl-Mutabbal:
1 großer Blumenkohl (vielleicht 700 Gramm)
2-3 kleine Auberginen oder 1 große
Olivenöl
100 Gramm griechischer Joghurt
150 Gramm Tahin
2-3 Esslöffel Granatapfelsirup (oder frischer Zitronensaft)
2 Knoblauchzehen, abgezogen und gepresst
1/2 kleines Bund Dill
1/2 kleines Bund Petersilie
ein paar Minzblätter (optional)
1 Teelöffel Aleppo Chili-Flocken (oder andere Chiliflocken)
1 Teelöffel Kreuzkümmel
Salz
Pfeffer
So werden derdiedas Blumenkohl-Muttabal und die Pommes zubereitet
Die Kartoffeln schälen und in feine Stifte schneiden und in einen bestenfalls großen Topf mit viel gesalzenem Wasser legen, gern auch ein, zwei Stunden vor dem eigentlichen Kochen. Vielleicht ab und zu mal mit der Hand oder einem Löffel durchrühren. Das Wässern wäscht Kartoffelstärke aus, macht die Pommes in der Folge fluffiger und knuspriger.
Dann den Blumenkohl zerteilen und mit den herausgebrochenen Röschen auf einem mit Backpapier ausgeschlagenen Backblech oder in einer Auflaufform platzieren. Für Auberginen typisch ist eigentlich, sie im Ganzen über einem Grill oder unterm glühend heißen Rost des Ofens von allen Seiten so scharf zu grillen, dass die Schale fast verbrennt, das Innere aber wunderbar aromatisch, weich und sämig geworden ist. Ich habe hier, weil es so kleine dünne Auberginen aus Bio-Anbau waren, sie aber einfach in Scheiben geschnitten und normal in der Form mitgegrillt.

Das Ganze jedenfalls mit Olivenöl und Salz besprenkeln und bei großer Hitze in den Ofen schieben und da so lange rösten, bis die Teile mittel- bis dunkelbraun geworden sind und Röstaromen gebildet haben.
Die Kartoffelstifte aus dem Wasser heben, trockentupfen. Olivenöl in eine Schüssel geben, vielleicht 1-2 Esslöffel, und die Stifte darin wenden und sie danach für etwa eine halbe Stunde bei 180 Grad in eine Heißluftfritteuse werfen. Bestenfalls zwischendurch ein wenig Wenden für gleichmäßigeren Knusper.
Dann die röstaromatischen Halunken gemeinsam mit allen weiteren Zutaten – Knoblauch, Joghurt, Tahin, Granatapfelsirup oder Zitronensaft, Kräutern, Chiliflocken in einen „Blender“, „Kutter“, in eine Küchenmaschine mit Mixwerk jedenfalls werfen und mit den Messern zu einer hauchfeinen Creme metzeln. Die dann am Ende mit Salz, Pfeffer und eventuell einer Prise Zucker abschmecken.


Die knusprigen Pommes herausnehmen und mit etwas Salz und vielleicht auch einer Prise Pul Biber oder Paprikapulver würzen. Einen kräftigen Klecks Mutabbal darauf geben und vielleicht ein paar übrig gelassene Kräuterchen wie Dill oder Petersilie. Oder dendiedas Mutabbal klassisch auf einem Teller anrichten und die Pommes einstippen.



Musik zum Menü
Wirklich sinnvolle Songs zu Mutabbal finde ich eher nicht. Songs von/mit Baba Ganoush… kann man hören, muss man aber nicht. Aber immerhin werden Blumenkohl und Auberginen richtig übergebrutzelt, und da wiederum passt „Burnover“, das wirklich famose neue Album von Greg Freeman perfekt. Und daraus hört Ihr hier „Curtain“.
Und bei nem Kommissar ist es ja schon so: Da musst Du furchtlos sein, frage nicht. Und auch als Knickarm, wenn Du zum Kutter gerufen wirst und die Welt voll zerfetzter Blumenkohlröschen hängt. Oder klebt. Und da kann man dann schonmal das episch-grandiose „No fear“ vom tollen neuen Album der fantastischen Big Thief hören. Oder?
Und Kriminalistik ist ja auch ein weites Feld. Das sich nicht in der Größe von Fußballfeldern ermessen lässt (wer macht das eigentlich überhaupt oder hat irgendwann damit angefangen?). Aber so ein Feld ist ein super Übergang zu „The field“ von Blood Orange, vielleicht DEM spannendsten Album dieses Spätsommers. Reinhören!
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es ist sehr ruhig bei Dir geworden, wie kommts?
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Lieb, dass Du fragst! Es ist zuletzt einfach echt viel los im wirklichen Leben. Familie, Job, undundund. Und das futtert Zeit. Und weil ich keine lustlosen Dinge zwischen Tür und Angel machen mag und die Texte, wie sie sind, aber ein wenig Hirnfrische und Zeit gut vertragen können, schaff ich es tatsächlich zuletzt weit seltener als ich gern möchte. Ziel bleibt, dass hier wieder mehr passieren wird. Und vielleicht denk ich mir auch mal neue Kurzformate aus. 🙂
Ganz liebe Grüße
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Ja bei mir ist es auch gerade weniger, irgendwer scheint uns Zeit zu rauben🥴
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