
Jetzt ist schon wieder was passiert. Und es ist ja immer dasselbe. Weil wenn Du an einen Tatort kommst als Kommissar: Erstmal Ahnungslosigkeit Hilfsausdruck. Da stehst Du dann plötzlich in einem fraktalen Geröllfeld, frage nicht. Und dann liegt da alles kreuz und quer verstreut. Und als Kommissar Knickarm sich da so umgesehen hat, ist er schon ein bisschen blass geworden, als ob ein Bösewicht ihm Chlorbleiche übers Gesicht gekippt hätte. Aber interessant. Da hatte also irgendwer einen gigantischen Blumenkohl offenbar über Nacht aufs Übelste zugerichtet, Strünke zerhackt, die Röschen zerfetzt, womöglich mit einer Machete niedergemetzelt. Und dann fragst Du Dich schon, wieso kommt da einer daher mit so einer Brutalität, und ist der in seiner Kindheit immer als Letzter in die Völkerballmannschaft gewählt worden? Siehst Du, da fällt Dir auch keine zweite Möglichkeit ein.
Oder doch, weil wer weiß schon, ob nicht plötzlich die Liebste mit einem Blumenkohl durchbrennt? Und dann sitzt du da, Wut schwillt, und da kann einem so ein Säbel auch schonmal ausrutschen, wenn der so am Gürtel baumelt. „Hier waren höhere Kräfte am Werk“, hat der Kommissar Knickarm in sein kleines Diktaphon gesprochen. Noch mit Kassette. Hatte er irgendwann in der Ausbildung in den 90ern mal von seinem Ausbilder ausgeliehen, eingesteckt, verloren gemeldet, nie zurückgegeben. Und seit er „Dexter“, diese Massenmörder-Serie, gesehen hatte, wusste er auch: Man muss Unholden auch immer Namen geben. „Nennen wir Dich Blumenkohl-Bösewicht, oder Cauliflower-Killer: Weil heutzutage Englisch ja immer moderner.“
Kommissar Knickarm hat dann seine Mütze etwas aus der Stirn gestupst und schon vorsichtshalber mal seine Dienstwaffe gezückt. Und dann Deckung genommen zwischen den Blumenkohl-Bruchstücken im Geröllfeld. Denn der Knickarm wusste ja aus der Polizeischule: „Fast jeder Mörder kehrt irgendwann an den Tatort zurück, insbesondere aber auch dorthin, wo er die Leiche abgelegt hat.“

Und wer weiß schon, was passiert, wenn Du da so rumstehst, und plötzlich Mörder direkt vor Dir. In Nahaufnahme. Das ist manchmal auch ein bisschen wie bei einem Schauspieler, den Du hinter der Bühne siehst, und dann bist Du fast enttäuscht, weil Schminke, Schweiß und Kukident, und da hat der Knickarm jetzt schon auch ein bisschen Angst gekriegt. Weil auch bei Gebissträgern weiß man ja nie. Auch denen brennt mal eine Sicherung durch, weil K/I-Schalter kaputt. Und so ging Kommissar Knickarm in Deckung – zumal er vergessen hatte, Verstärkung zu rufen. In seinem Kopf hallte der Dialog zweier Bodyguards nach, den er mal im Fernsehen verfolgt hatte: „Ist dir eigentlich schon aufgefallen, das wir jeden Mexikaner, der ein paar Gartengeräte bei sich hat, durchlassen? Er könnte ja schließlich auch eine Kettensäge unter dem Mantel haben!“ – „Ja, oder ne Machete!“
Dann hat der Knickarm sein Maßband aus der Tasche geholt, das hatte er der Edeltraud mal abgeluchst, die hat das eigentlich für ihre Nähsachen gebraucht, und hat die zerhauenen Blumenkohlteile vermessen. Und die Schnittflächen hat er sich auch angesehen. Weil vielleicht aufschlussreich. Tatwaffe ja immer wichtig. Und dann hat er auch vorsichtshalber mal so eine Atemmaske aufgesetzt. Weil ein Kripo-Kollege von ihm hat mal eine Staubmilbenallergie gehabt, der ist dann auf der Autobahn von einem Tieflader erdrückt worden, und dem seine Frau eine Allergie gegen Milchprodukte und auch noch gegen Histamin im Essen, das hat sie dem Kmickarm beim Begräbnis erzählt, die hat gar nichts mit Kuhmilch drinnen essen dürfen, nicht einmal einen Käse, nicht einmal Parmesan zu den Spaghetti, absolutes Kuhmilchverbot, aber auch keine Tomaten oder Auberginen und auch kein lang geschmortes Fleisch. Und dann lebst Du also dahin, und was Du so isst, schmeckt auch irgendwie nach nichts. Aber wie die bei der Beerdigung aussah. Lodenkostüm, Haare zurückgefesselt, dass die Wurzeln jaulten und eine schwarze Bluse, so steif, dass Du damit ein Kalb erschlagen konntest. Und dann ist der Knickarm doch erstmal aufs Revier gefahren und hat erstmal protokolliert. Weil dem Chef immer wichtig, dass das Protokoll schnell fertig.

Und dann war plötzlich die Sonne weg und der Knickarm erstmal Feierabend und ein Bier trinken gegangen. Aber nachts dann plötzlich das Telefon, weil da ist der Mörder dann wirklich wiedergekommen, aber nicht, um nur mal zu schauen. Und der Knickarm im Dunkeln nochmal hin. Jetzt mit Taschenlampe, weil nicht dass der Mörder sich da versteckt und ihn einfach von hinten überfällt. Da ist immer besser, wenn man den vorher sieht oder auch blendet. Strategischer Vorteil Hilfsausdruck. Und der Mörder hat dann mit seiner Machete oder Kettensäge plötzlich auch noch Zwiebeln in Ringe zerhauen. Knoblauch zerquetscht. Ingwer zerstückelt. Paprika geschreddert. Den Koriander hat er auch noch zerstückelt. Und Tomaten, als ob er die Frau vom Kripo-Kollegen auch noch umbringen wollte. Ein Massaker. Frage nicht. Und gedampft hat es noch. Alles noch warm. „Heiliger Gott des Gemetzels“, hat der Knickarm ausgerufen, weil irgendwann hat er sich das Theaterstück von der Reza mal im Theater angesehen, aber noch im ersten Akt eingeschlafen, weil bis nachts um 5 Uhr Superbowl im Fernseh geguckt. Und dann raunte er „Gauner des Gemetzels“ in sein Diktaphon. Aber interessant: Der Kommissar Knickarm spürte dann plötzlich so Gelüste und sagte zu sich selbst „irgendwie riecht das auch ganz schön lecker“. Sein Diktaphon hatte er da schon wieder ausgeschaltet. Puh. Frage nicht.

Und dann ist ihm aber dieses ganze Pulver aufgefallen, mit dem die Leichenteile bestäubt waren. Und siehst Du: Die Edeltraud, die Frau vom Knickarm, hat ja gern gekocht. Und die hat dann auch gern mal beim Inder eingekauft und so ein Curry gekocht, das war immer so scharf, dass Du direkt ins Schwitzen gekommen bist. Auch ohne Kukident. Und dann hat sie dem Knickarm auch erzählt, was sie da alles reingeworfen hat. Kreuzkümmel und Kurkuma, „die kulinarische K+K-Monarchie“ hat die Edeltraud dann gern gescherzt. Und dann auch noch Amchur, was ja eigentlich nur getrockenete, zu Pulver zermahlene unreife Mango ist. Und Garam Masala. Und da hat dann der Knickarm gern gesagt: „Ich kenn nur Marsala. Weil Dessertwein immer gut.“ Und dann hat die Edeltraud gequält gelächelt. Weil so witzig war das dann doch gar nicht, wie der Knickarm dachte. Aber das zeigst Du natürlich nicht so richtig. Weil sonst ist der plötzlich gekränkt. Aber hier war der Knickarm plötzlich froh, weil er denn Pulverduft gleich erkannt. Und gleich ins Diktaphon geschnurrt: „Der Mörder ist – wetten? – ein Inder.“ Und eher Cauliflower-Curry-Killer als nur Cauliflower-Killer. Und wer weiß schon, ob er am Ende nicht sogar Aloo Gobi heißt, wie das indische Blumenkohl-Curry. Oder Alter Grobi? Knickarm konnte sich das nie merken. Andererseits: Wie viele Mörder heißen schon wie Essen?

Was am Tatort gefunden wurde
1 Blumenkohlkopf, gewaschen, die Blätter abgesäbelt, der Leib zerstückelt, die Rosen zum Teil zerhauen
4 Kartoffeln, die Haut bei lebendigem Leib abgezogen, das Innere in Würfel geschlagen
2 mittelgroße Zwiebeln, gehäutet, in winzige Scheiben gemetzelt
1 Fleischtomate, in tausend Stücke gehackt
1 daumengroßes Stück Ingwer, entweder in winzige Stückchen gehauen oder völlig zerrieben
2 Knoblauchzehen, komplett zerquetscht
3 Esslöffel letzte Ölung (neutral, mutmaßlich Raps)
2 grüne Chili, die kernigen Eingeweide entfernt, fein zerschlitzt
Zudem wurden die Leichenteile bepudert mit
1 gehäuften Teelöffel Kreuzkümmel
1 Teelöffel Amchur (getrocknete, pulverisierte grüne Mango), alternativ: 1 Teelöffel Zitronensaft
1 Teelöffel Kardamom
1/2 Teelöffel Kurkuma
1 gehäuften Teelöffel scharfes Currypulver
1 Teelöffel Garam Masala
1 Teelöffel Senfkörner
1 Teelöffel Salz wurde zudem in die Wunden gerieben
1-2 Teelöffel Zucker, um die Schockstarre zu lösen
Das Gelumpe lag zudem in 1-2 Suppenkellen voll Wasser
Und getarnt wurde das Gemetzel mit ebenfalls zerhacktem frischem Koriander
1 Wok – der Tatort
Nicht auszuschließen, dass sich auch gar gekochter Reis in der Nähe findet. Oder Naan-Brote.

Was dem Cauliflower-Curry-Killer vorgeworfen wird
Nach umfangreichen Splatter-Analysen und Spurensicherungen wird dem Angeklagten Folgendes zur Last gelegt:
Am Abend der heimtückischen Taten erschlich er sich zunächst das Vertrauen eines Blumenkohls, indem er ihm anbot ihn zu waschen und dies nach Zustimmung auch tat – in reichlich Wasser. Dann aber zerschlug er ihn mit einem macheten-ähnlichen Messer, in keinem Fall aber einem stumpfen Gegenstand.
Dann zog er vier Kartoffeln bei lebendigem Leib ihre Haut ab und zerstückelte das Innere ohne mit der Wimper zu zucken in etwa einen Zentimeter große Würfel.
Auch rückte er zwei Zwiebeln zuleibe, die er – wie die Kartoffeln – häutete, dann aber sogar in feine Scheiben zermetzelte.
Eine unbewaffnete Fleischtomate griff er, während sie sich gerade aufs Schlafengehen vorbereitete, schrubbte sie unter Wasser, und dann griff er auch hier zum Messer, zerteilte sie zunächst in zwei Hälften, entfernte gnadenlos die Strünke und hieb danach ungezählte Male auf sie ein, bis sie nur noch aus winzigen Würfeln bestand.
Im Blutrausch brachte er hernach ein daumengroßes Stück Ingwer in seine Gewalt, schabte ihm mit einem Teelöffel die Haut ab und drückte es schiebend danach wieder und wieder über die Zacken einer Reibe, bis der ganze Leib in Matsch zerfloss.
Und auch Knoblauchzehen riss er die Hüllen vom Leib und zerquetschte sie splitternackt und vermischte sie mit den Ingwer-Überresten.
Strafverschärfend kommt hinzu, dass der Angeklagte gleich zwei grüne Chilis wiederum mit der Machete aufschlitzte, sie ihrer kernigen Innereien beraubte und in ungezählte dünne Halbringe zerhackte und hernach auch noch einen ganzen Bund Koriander ausriss und auch auf dieses, insbesondere auf die Stängel, ungezählte Male mit der Machete einhieb.
Seinen Tatendrang weiter auslebend, goss er Öl in einen Wok, erhitzte diesen zunächst auf hoher Stufe und warf dann einen gehäuften Teelöffel argloser Kreuzkümmelsamen hinein.

Sobald dieser zu duften und zartbraun zu werden begann, pfefferte der Angeklagte die zerschlitzten Zwiebeln hinein. Und dann rührte und rührte und rührte er schnell und immer wieder. Und irgendwann waren die vorher taffen Zwiebeln weich und schlapp.

Und dann schaltete er die höllische Hitze runter auf mittlere Stufe, kippte er das Ingwer-Knoblauch-Gemisch hinzu, warf wenig später die Chilis und Kartoffeln hinterher und briet das Gelumpe für einige Minuten.

Hernach landeten auch die Tomaten in der Grube, wo sie in der Hitze welkten und Aroma entfalteten für einige Minuten, ehe dann auch die zerstückelten Blumenkohl-Rosen dort entsorgt wurden und im Schweiße ihres Angesichts mit Kurkuma, Kardamom, Senfkörnern, Currypulver und Garam Masala bestäubt wurden und der Angeklagte zudem einen Teelöffel Salz in die Wunden rieb.

Um die Härte der Kartoffeln, die sich auch zerstückelt noch standhaft wehrten einzuknicken, aufzuweichen, goss der Angeklagte ein bis zwei Suppenkellen Wasser hinzu. und warf auch die zerhackten Korianderstiele hinein. Und dann ließ er den hilflosen Haufen noch etwa 20 bis 30 Minuten lang schmoren, ehe er sie in Teilen aufklaubte und in Schüsseln warf, in denen er parallel gekochten Reis angehäuft hatte. Damit sie nicht gefunden würden, hatte er – erfolglos – versucht, sie unter Korianderblättern zu tarnen.










Musik zum Massaker
Wer ist der Cauliflower-Curry-Killer? Auch wenn der Fall nicht ohne Restzweifel aufgeklärt werden konnte, wissen wir zumindest wer die „Killers“ sind – und schätzen ihren Riesenhit „Mr. Brightside“ über die Maßen und verzeihen ihnen, welch unerträglich kitschigen Mist sie in späteren Jahren verzapft haben.
Und was für ein Massaker Kommissar Knickarm da vorfand. „Pure massacre“ Hilfsausruck. Bühne frei für Silverchairs alten Grunge-Klassiker.
Wie gischtschäumend und berstend der Blumenkohl-Unhold auf wehrloses Gemüse eingedroschen und gemetzelt haben mag: Womöglich landet er dafür im Kittchen. Im „Las Cruces Jail“? Vielleicht lässt sich ein wenig seines Furors erahnen in der Wucht, mit der Two Gallants Bühnen abreißen in einer Intensität, die den Atem verschlägt.
Und wo wir es hier mit Mord oder Totschlag zu tun haben, passen The Kills und „Doing it to death“ durchaus ebenfalls ins Bild.
War es wirklich eine Machete, die hier am Werk war. Wenn ja, passt der Titelsong zu „Machete“ von Nova Lima hier auch (selbst wenn er musikalisch kein gigantisch großer Wurf ist).
Grandios! Großartig! 4D-Kino!
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4Dausend Dank, meine Liebe! ❤️
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Ole, dein Massaker rund um den Cauliflower war richtig spannend, super ge- und beschrieben. Und Knatterton, äh Knickarm hat ja ganze Arbeit geleistet.
Der Tatort kann sich sehen lassen. Könnte man glatt verfilmen…
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Er hat sich auch ne Menge Mühe gegeben. Mal gucken, vielleicht kriegt er künftig noch häufiger Fälle zu lösen. 😀
Tausend Dank, meine Liebe! Schönen Abend Dir!
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Hahaha, wirklich ganz großes Kino. Kochen ist Abenteuer im Topf! Und bei dir auch im Kopf! Grandios … Beim Lesen dachte ich mehrmals an den von mir sehr geschätzten Wolf Haas und seine Bücher … Du hast jede Menge Talente, lieber Ole, jede Menge. Und das Curry … hach.
Alles Liebe!
Maria
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Tausend Dank, meine Liebe! Und Du kenntnisreiches Adlerauge hast als Spürnase die literarische Hommage an den großen Brenner rasierklingenscharf enttarnt. 🙂
Hab nen tollen Tag!
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Ich liebe Krimis, kochen liebe ich auch und natürlich auch essen. Es hat großen Spaß gemacht Dein Krimirezept zu lesen. Gruß
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Das freut mich riesig – und verzeih, dass ich Pappnase erst jetzt zum Antworten komme. Ganz lieben Dank! Und schönes Wochenende Dir! Große Grüße!
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Danke Dir, w
ünsche Dir noch einen schönen Sonntag. Liebe Grüße
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Ganz liebe Grüße zurück aus dem Eisregen in der nordwestdeutschen Pampa 🙂
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Zum Thema: Polizeieinsatz wg. Blumenkohl-Alarm in Wien!
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Karfiol-Killer schrecken wirklich vor allzu wenig zurück. Ganz liebe Grüße
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