
Zeit haben ist ja manchmal schon ein bisschen wie der Fund eines Zirkons, Sonnenschein inmitten düstergrauer Winterwochen, wie neue Banksy-Grafitti, weißer Trüffel, Safranfäden oder gut gelaunte Tage beim Griesgram der Nachbarschaft: extrem selten und umso wertvoller. In den vergangenen Tagen und Wochen habe ich mir selbst immer wieder Zeit gemopst, als mich der kreative Hafer stach beim Schreiben besonderer Geschichten für diese Seite – und Euch, weil sie doch auch immer wieder lang geworden sind. Auch wenn sie hoffentlich nicht lang-, sondern kurzweilig waren.
„Vielleicht streuste endlich mal wieder was mit wenig Text ein?“, raunte meine linke Hirnhälfte. „Ne schnelle Nummer quasi.“
„Könnte man machen“, flüsterte die rechte Hirnhälfte zurück. Und dann schob sie eine Frage nach: „Wie wär“s aber, wenn wir Erwartungen gleich mehrfach in die Irre führen? Wenig Text? Gebongt. Aber Bilder sagen ja auch mehr als tausend Worte. Wie wär’s, wenn wir diesmal ein Rezept einfach malen? Quasi als Hommage an die fantastische Kat Menschik und ihr sensationell schön gezeichnetes Kochbuch ,Essen essen‘? Erwartungen narren, die Grenzen von dem, was ein klassischer Foodblog ist, sprengen?“
„Öh… au ja! Willst Du den Hüfthockerkuchen daraus nachbacken?“
„Wär‘ witzig. Aber nachmachen allein ist ja langweilig. Außerdem ist es draußen noch rappelkalt, ich will lieber Erbsensuppe. Keine der überfeinerten, aus dem Orient oder Indien hergewehten Varianten mit Minze und Joghurt, Granatapfelkernen, Ingwer oder womit man Erbsen sonst noch verheiraten kann.“
„Wusstest Du, dass Erbsen in unseren Breitengraden seit mindestens 6000 Jahren angebaut werden und die Griechen schon 500 vor Christus in der großen Komödie „Die Vögel“ von Aristophanes Erbsensuppe gegessen haben?“
„Lass mich kurz nachdenken: Oh, geht schnell! Nein!“
„Oder dass der schwedische König Erik XIV mit einer vergifteten Erbsensuppe ermordet worden sein soll?“
„Möchtest Du auch gern wen vergiften?“
„Nicht, ohne mich vorher mit meinem Anwalt besprochen zu haben.“
„Aber wo wir beim Schlauschnacken sind: Wusstest Du wiederum, dass Erbsensuppe eins der allerersten industriell hergestellten und haltbar gemachten Gerichte überhaupt war? Erfunden vom Koch Konservenfabrikanten Johann Heinrich Grüneberg in Berlin. Der presste Erbsenmehl, Rinderfett, entfetteten Speck, Speisesalz, Zwiebeln und Gewürze in Würste, nannte das ganze Erbswurst und verkaufte seine Erfindung für 35.000 Taler an die Verpflegungsabteilung im preußischen Kriegsministerium. Die Erbswurst gab es dann ab 1870 als eiserne Ration im deutsch-französischen Krieg – und, später von Knorr gekauft, im Rezept verändert und mit Geschmacksverstärkern vollgestopft, wurde die Erbswurst bis 2019 noch hergestellt. Dann aber war’s vorbei, weil immer weniger Leute die Erbswurst gekauft haben.“
„Ob die Soldaten mit Erbsensuppe aus Gulaschkanonen auf ihre Feinde geschossen haben?“
„Das wär‘ doch Verschwendung.“
„Warum heißen Gulaschkanonen dann aber Kanonen, wenn man damit nicht schießt?“
„Bei Erbsensuppe muss man selber ja manchmal…“
Und so ging es dann weiter. Der Schalk sprang in den Nacken, der Hafer stach, immer neuen unnützen Unfug holte das Hirn hervor. Dabei ist doch „nicht ausufern“ das Ziel heute. Und statt Könige vergiftender Varianten aus Skandinavien gibt es hier die schlichte, deftige, kraftvolle und köstliche Erbsensuppe, wie meine Mutter sie kocht.




Einen Haken hatte die Idee, weniger Worte zu machen und Bilder an die Stelle tausender Worte zu packen: Denn diese Bilder zu zeichnen kostet zumindest deutlich mehr zirkonkostbare, rare und wertvolle Zeit als Texte schreiben. Ich hoff, die Zeit war es wert. Viel Spaß jedenfalls mit der ersten Erbsensuppen-Bildergeschichte dieses Blogs.
HINWEIS: Blöd ist ja, wenn einem erst nachträglich, wenn schon alles gezeichnet ist, ein Fehler auffällt. Was heißt Fehler, aber: Im Original meiner Mutter werden erst die Erbsen ne Viertelstunde lang gekocht, dann kommt das zerkleinerte Suppengrün hinzu, wird nochmal ne Viertelstunde mitgekocht – und dann schon wird püriert. Erst danach kommen die Kartoffeln und die Würste, Beinscheibe, Suppenfleisch, Kassler oder was grad zur Hand ist dazu. Auf die Weise bleiben die Kartoffeln ganz und sorgen bei aller sonstigen Sämigkeit der Suppe für ne schönere Konsistenz. Wenn man zu schnell kritzelt.
So wird Mamas köstliche Erbsensuppe gekocht



Musik zur Erbsensuppe
Ein bisschen ähnlich verrückt und auch musikalisch aus der Art schlagend für das zackige Funkrock-Geballer der Band sonst ist ja das Kleinod „Pea“ der Red Hot Chili Peppers, was angesichts heiß dampfender Erbsensuppe aber auch passt, wenn man zusätzlich „One hot minute“ einbezieht, den Titel des Albums, auf dem man den Song findet.
Klingt deftige Erbsensuppe in Musik übersetzt wirklich wie Funk mit Schwurbelorgeln? Zumindest wenn man „Pea soup“ der Sensation Seekers Glauben schenkt (sollte man?).
Vielleicht klingt Erbsensuppe, klassisch wie diese, aber auch eher wie gut abgehangener Jazz mit kleinen Bläsersätzen, swingenden Grooves, Klarinetten-Achterbahnen, Gitarrengegniedel und synkopierten Klavierakkorden wie in „Pea soup“ vom Woody Herman Sextet?
Und wenn schon Suppe und wenn man mit dem Blog neue, überraschende Wege woandershin beschreitet, darf auch das fantastische „Going somewhere“ von „Soup“ nicht fehlen.
Köstlich köstlich. Auch mal wieder ne Idee! Hausmannsfrauenkost. Kurzweilig. Gefällt mir gut.
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So sehr ich überraschende, raffinierte Aromenkombinationen aus allen möglichen Ecken der Welt liebe, so sehr ich Gaumen-Überraschungen liebe: Ab und zu ist nach Hause kommen auch wundervoll. Und danke!
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Seelenfutter ist Erbsensuppe. Mit gutem Suppenfleisch wie Beinscheibe drin gibt das Haare auf der Brust und Mark in die Knochen. Mam weichte die Erbsen stundenlang ein. Bei ihr zerkochten sie so, dass sie nicht püriert werden mussten. Sie tat eine Einbrenne hinein, mit knusprig gerösteten Speckwürfelchen und Zwiebel. Auch ein Hauch gemahlenes Bohnenkraut und Liebstöckel gab sie als Kröuter mit hinein.
Dein Rezept klingt auch klasse!
Die Bildergeschichte ist allerliebst gezeichnet !
Und die Mucke höre ich morgen in Ruhe sie klingt wieder vielversprechend.
Wieso heißt es eigentlich Gulaschkanone und nicht Erbsensuppenkanonen?
Wieso geschehen an Erbsensuppentagen immer Wunder?
Mit lieben grünlichen Grüßen
Amélie
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Es gibt Erbsensuppentage? In Finnland und Schweden isst man donnerstags oft Erbsensuppe und stärkt sich so vorm Freitagsfasten.
Mit Bohnenkraut kenn und mag ich Erbsensuppe auch. Einbrenne find ich eher nicht nötig, weil sie doch eh eindickt. Auch wenn ich Einbrenne mag. Und wie im Rezept gemalt: Hier werden sie ja auch gern über Macht eingeweicht. Meine Ma püriert gern, glaube ich. Ich halte das auch für kaum nötig. Ändert geschmacklich aber ja wenig bis nichts. 🙂
Und manchmal gibt’s ja auch Gulasch in der Kanone. Aber dieselbe Frage wollte ich erst noch im Text aufwerfen.
Ganz liebe Grüße
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Satanarchäolügenialkohöllisch interessant
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Satanarchäolügenialkohöllisch herzlichen Dank Dir!
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Bitte Klär mich auf: was bedeutet „Satanarchäolügenialkohöllisch“?
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Es gibt den Satanarchäolügenialkohöllischen Wunschpunsch, ein hinreißend tolles Kinderbuch von Michael Ende. Ich nutz das Wort gern als Synonym für „außergewöhnlich“ 🙂
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Achsooo ☺️
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Kenn ich … heute mal schnell, Maria, gell? Und dann dauert das ewig und drei Tage, bis alles fix und fertig ist 😉
Na super, du kannst auch noch zeichnen. Was bitte kannst du NICHT???
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Ähm… was ich nicht kann (in loser Reihenfolge, Liste unvollständig): Sticken, Stricken, Roboter programmieren, Rumänisch sprechen, diszipliniert und dauerhaft Ordnung halten, Sattelschlepper rangieren, fie Statik von Hängebrücken berechnen… das meiste hab ich allerdings auch nie versucht, bis auf Sticken und Stricken. Das war so gar nicht meins. 😄
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