„Ta, ta, ta, tadata, ta, ta. Ta, ta, ta, tadata, ta, ta, yeah.“
(Scooter – Maria (I like it loud))
Kürzlich war Hans-Peter wieder zurück in der Heimat. Hatte diesmal den Rolls Royce genommen und auf dem graubraunen Pflaster der schmalen Straße geparkt, an der Ellen, seine Mutter wohnt. Direkt gegenüber wogten die Zweige der mächtigen Bäume des Parks, an dem das Haus steht, und wer dort vorbeilief, konnte den Duft ihrer Rouladen mit Kartoffeln und Rotkohl erschnuppern, die Hans-Peter so liebt. Er, der auch Grünkohl für sein Leben gern verschlingt und in Mamas kleinem Wohnzimmer ganz klassisch Ostfriesentee trinkt, vielleicht 200 Meter von meinem Wohnhaus entfernt. Er, der mit ihr so gern spazieren geht, rund um die alte Evenburg in Leer, über die geschwungenen Kiespfade – und von dort weiter bis auf den Deich der Leda, des kleinen Ems-Seitenflusses. Er, der sich – womöglich konserviert in Red Bull und Wodka – verblüffend gut gehalten und schon eher wie Mitte 40 wirkt, wenn er dort mit Mama umherschlurft. Auch wenn Hans-Peter an diesem Sonnabend seinen 60. Geburtstag feiert. Nun gut, ein paar Spritzchen, alles Vierteljahr, schützen die Haut vorm Bügeleisen: „Manchmal, so alle drei Monate – nutze ich ein bisschen Botox, damit man nicht zu verknittert aussieht“, hat Hans-Peter gesagt.
Er, der jetzt plötzlich öffentlich darüber gesprochen hat, vielleicht doch noch gern Vater werden zu wollen. Mit seiner Verlobten Sara. H.P. war bereits 40, als sie in den Kindergarten kam. Sollte es nun dazu kommen dass er selbst noch Nachwuchs bekommt, könnte er womöglich nicht fern vom 18. Geburtstag seines Kindes seinen eigenen 80. feiern. Vielleicht auch den mit Wodka und Red Bull, und vielleicht würden seine Gäste dann einige seiner berühmten Textzeilen anstimmen und ihm ein „Ta, ta, ta, tadata, ta, ta. Ta, ta, ta, tadata, ta, ta, yeah“ entgegenschmettern, ein „Döp, döp, döp, dödö döpdöpdöp dödöp döp döp dödö döpdöpdöp“. Vielleicht würden sie in vorauseilendem Gehorsam ihren Arsch bewegen – und sich im Vorfeld einmal erkundigen, wie teuer der Fisch denn an diesem Tag wöre. Und vielleicht würde er kontern und „I am the horseman“ brüllen. Oder „It’s not a bird, it’s not a plane – it must be Dave who’s on the train“. Oder auch nur: „Hyper Hyper!“ Wie sagte er mal der „Süddeutschen Zeitung“? „Spannend wird das Lied erst, wenn die Zeilen keinen Sinn ergeben.“
Galerie von Konzertfotos vom 24.1.2014 in der (damaligen) O2-Arena in Hamburg
Dank „Hyper Hyper“ kennt die halbe Welt Hans-Peter. Nicht unter seinem eigentlichen Namen, sondern als HP Baxxter. Als wild tobende Rampensau mit herrencremefarbenem Wurzelbürstenschnitt, als vielleicht bedeutendsten dadaistischen Lyriker Deutschlands seit Kurt Schwitters, als Frontmann von „Scooter“. So häufig seine Mitmusiker in den vergangenen Jahren gewechselt haben, er selbst scheint unkaputtbar zu sein wie eine Bonaqa-Flasche. Zumindest aber unbeirrbar, wenn es darum geht, Sätze ins Mikro zu brüllen, in denen irgendwo „Hardcore“ oder „Rave“ auftauchen. Vielleicht fragt er sich auch erneut, wo die Bassdrum ist, fordert Schweiß und gereckte Hände, Und ein wenig unbeirrbar war er anscheinend schon früh, wenn es darum ging, dass er doch irgendwann mal berühmt werden müsste.
Nur ein paar Hundert Meter von der heutigen Wohnung seiner Mutter entfernt ist H.P. aufgewachsen, in einem efeuberankten alten Bauernhaus in der Hindenburgstraße in Leer-Loga. H.P.s Vater erlebte den Welterfolg seines Sohnes nicht mehr mit, er starb 1991. Doch er war bei den ersten musikalischen Gehversuchen dabei: Hans-Peter lernte Gitarre, spielte die Riffs von Billy Idol, Joy Division oder Deep Purple nach. Die Poster seiner Helden pappten in seinem Jugendzimmer an den Wänden, das in eine alte Bauernhofscheune hineingebaut war. Darin standen auch kühlschrankgroße Boxen, und es türmten sich Schallplatten, denn die völlige Begeisterung für Musik packte den heute 60-Jährigen früh. Mitunter schepperte es abends so laut und pausenlos aus den Riesenboxen des Musik-Besessenen, dass selbst die Freunde von Hans-Peter kurz Luft schnappen und eine Pause machen mussten und zu den Eltern in den vorderen Hausteil flüchteten, hat mir seine Mutter Ellen vor Jahren erzählt, als auch ich einmal in ihrem Wohnzimmer gesessen habe. Und als sie fast entrüstet aufsprang und mit später liebenswert Freikarten besorgte, nachdem ich auf Nachfrage gebeichtet hatte, noch nie auf einem „Scooter“-Konzert gewesen zu sein.
Eben diese Besessenheit und diese Unbeirrbarkeit aben einen Löwenanteil daran, dass Hans- Peter Geerdes seinen Weg im Musik-Business gemacht hat – selbst wenn er Schmunzeln erntete, als er 1985 in der
Abizeitung am Teletta-Gross-Gymnasium schrieb, er wolle Sänger werden. Mit seiner ersten Schülerband, „Century“ probte er Anfang der 1980er Jahre nahe seinem Elternhaus in einer Kellerhälfte im ehemaligen Gemeindebüro, und schon dort – wie auch bei späteren Bands – gab es mitunter Streit, weil nicht jeder mit demselben Herzblut zum großen Erfolg strebte wie der Frontmann. Zumal der Erfolg nicht von selbst kam und zermürbend lange Zeit ausblieb – bis H.P. Baxxter diese seltsame Textzeile gefühlt aus dem Nichts ins Hirn krachte wie Alf einst mit dem Raumschiff in die Garage der Tanners: „Hyper! Hyper!“ Mit Leidenschaft gebölkt, krachten daraufhin „Scooter“ in die Musikszene. „Da sitzt du jahrelang im Keller, produzierst wie ein Irrer, erlebst nur Flops, und wenn du denkst, jetzt wird es nichts mehr, hast du plötzlich einen europaweiten Top-Five- Hit“, hat Hans-Peter einst gesagt. Weit mehr als 20 Top-Ten-Hits sind dem allein in Deutschland gefolgt, mehr als 30 Millionen Tonträger von „Scooter“ verkauft worden. „Als das losging, wurde ich 30. Da dachte ich schon: ‚Mensch, ganz schön alt für die ‚Bravo‘ und so.‘ Und seitdem besteht mein Leben zum Großteil aus Studio, Bühne, irgendwelchen Clubs. Es dreht sich alles um Musik, viel auch um Party und so, und das hat sich auch nie großartig verändert.“
Um den Dreh ist er selbst mir erstmals begegnet, jagte mit einem schwarzen alten Golf mit offenen Fenstern, Kippe im Mundwinkel und laut dröhnendem Bass am Fußballplatz entlang, wo ich mit Ulf, seinem kleinen Nachbarsjungen, spielte. Bremste quietschend, stieg aus, bölkte „Ulf, Pille her!“ (würde auch in einem Scooter-Song funktionieren), bekam den Ball, knallte den Ball auf mein Tor, doch es sollte der Tag werden, an dem ich als Torwart einen späteren Weltstar übertrumpfen sollte. Er schoss viermal, traf keinmal, und dann warf er seine Kippe weg, machte eine abwinkende Handbewegung und ballerte mit dröhnendem Bass von dannen.
Kübelweise hagelte es Häme für den hemmungslos herumballernden Sound der Band und H.P. Baxxters raffiniert-tumbe Schlachtrufe, die die „Süddeutsche Zeitung“ einst als „Poesie des Stumpfsinns“ bezeichnete. All den Spöttern und Zweiflern, die gerade zum Beginn der Karriere über den tiefengebräunten Leeraner mit seinem herrencremefarbenen Wurzelbürstenschnitt unkten und die Band als „One-Hit-Wonder“ abtaten, ist inzwischen aber die Spucke weggeblieben. Alle Kritik und Häme sind abgeperlt – auch der Vorwurf, „Deutschlands erfolgreichste Recycling-Unternehmer“ zu sein, weil „Scooter“ zumeist bekannte Welthits durch den Rumms-Bumms-Kirmestechno-Fleischwolf drehen. „Was bleibet aber, stiften die Dichter“, hat Friedrich Hölderlin einst geschrieben. Auch von Hans-Peter bleiben am Ende seine berühmten Verse. Längst wollte ich seine Mutter – wir begegnen uns öfter beim Supermarkt um die Ecke oder beim Spazierengehen – fragen, ob sie mir vielleicht ihr Rouladen-Rezept verraten mag. Ich bin immer wieder darüber hinweggekommen. Doch da ist ja noch so eine dieser absurd-genialischen Zeile von Hans-Peter:
„Respect to the man in the ice cream van!“
Und so widme ich HP Baxxter heute eins meiner liebsten Eis-Rezepte. Die Sorte Wodka-Red Bull, geräuchert, wäre eigentlich deutlich passender. Und dann flambiert, weil ohne Pyro-Effekte ist bei „Scooter“ ja auch alles nichts.
Stattdessen gibt es aber Matcha für den Macker.
Und nicht nur das, es gibt dazu noch eine herbfruchtige Sauce, die mindestens so knallt und mindestens so viel Wumms hat wie „How much is the fish“ – mit Himbeeren, dunkler Schokolade, Chili und Miso.
Zutaten fürs Matcha-Eis mit Himbeer-Schokoladen-Sauce
Fürs Eis
300 ml Milch
400 ml Sahne
4 TL Matcha (4 Gramm)
5 Eier
1/2 TL Salz
125 Gramm Zucker
Für die Sauce
500 Gramm Himbeeren (aus der Kühltruhe)
25 Gramm dunkle Schokolade (70%)
3 EL Zucker
1 TL Zimt
1/2 TL Salz
1/2 TL Tonkabohnen- oder Vanillezucker
1/2 TL weißes Miso
1/2 TL Chiliflocken oder Piment d’Espelette
Fürs Eis: Sahne und Milch in einem Topf aufkochen. Währenddessen die Hände in die Luft recken und irgendwas mit „Hardcore“ brüllen. Dann von der Platte ziehen. Zucker, Eier und Salz gemeinsam schaumig rühren. Einen Topf mit Wasser zum Kochen bringen. Das Matchapulver in 2 EL heißem Wasser auflösen und glattrühren. Dann den Zucker/Eier/Salz-Schaum in einer Metallschüssel/einem kleinen Topf über dem Wasserbad des erhitzten Wassers mit einem Schaumbesen weiter schlagen und die heiße Sahne-Milch-Masse langsam hineingießen. Lustig weiterschlagen, bis alle Sahne-Milch-Masse eingerührt ist und die Masse beginnt anzudicken. Dann die Matchapaste hinzugeben. Noch ein wenig rühren. Dann zugedeckt (am besten im Kühlschrank) abkühlen lassen. Die Masse sollte tags drauf zumindest kühlschrankkühl sein – und mit hier verquirlten rohen Eiern empfiehlt sich das auch gesundheitlich. Das Ganze dann in die Eismaschine geben und rührgefrieren lassen. Oder einfrieren und zwischendurch rausnehmen und durchrühren, damit die klettigen Eiskristalle nicht zu große Grüppchen bilden.
Für die Sauce: Himbeeren auftauen und sanft auf niedriger Hitze aufkochen. 1/2 TL Miso darin auflösen, die Schokolade in Stückchen brechen und einrühren und schmelzen lassen. Zuckern und dezent salzen. Mit Zimt würzen, Tonkabohnenzucker, falls grad zur Hand, dazumendeln (falls nicht, macht das nichts, kann durch etwas Vanillezucker mehr als prima ersetzt werden) und abschließend dezent mit Chiliflocken oder Piment d’Espelette ein wenig Feuer beigesellen.
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Ist es Musik? Krach? Kunst? Kann das weg? Und wie teuer war der Fisch nun eigentlich?
Scooter selbst als Deutschlands erfolgreichstes Recycling-Unternehmen sind auch selbst recycelt, also gecovert worden. Aber von niemandem so würdig und spannend wie von der Pianistin Olga Scheps, die ein komplettes Album mit Scooter-Coverversionen eingespielt hat.
Ein einziges Mal habe ich Scooter tatsächlich live erlebt – und hier nen Mitschnitt entdeckt. Weil ich keine Ahnung hatte, dass es da harte Pyro gibt, bin ich böse im Foto-Graben überrascht worden und habe mir einige Haare weggeflämmt, seinerzeit.
Weil andere vor mir schon Happy Birthday gesungen haben für HP spar‘ ich mir das einfach und teile.
Wieder einmal ein toller Text und ein spannendes Rezept zum Nachkochen ! DANKE Dir, lieber Ole! Ob wir alle Begeisterten uns vielleicht einmal zu einem Gruppentreffen mit gemeinsamem Kochen treffen und kennenlernen können? LG Tanja
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moin Ole, klasse, dein Eis und die Geschichte rund um Hyper-Hyper. Habe den H.P. letztens noch in einer Talkshow gesehen.
Du solltest seine Mutter doch noch nach dem Rouladenrezept fragen, dann hast du es für alle Fälle….
Liebe Grüße , Karin
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