
Ich hatte nie etwas übrig für Trotzkisten, habe aber Trotz kistenweise. Auch und etwa, wenn es um den kleinen Herbst geht, der sich ins Bällebad des Sommers verirrt hat und gern abgeholt werden möchte. Dann, wenn gefühlt selbst die Möwen an der Küste sich einen Friesennerz überwerfen: Das Gefieder ist von den eisigen Dauerduschen der Regenschwälle schwer geworden. Und so kauern sie sich unters Vordach von Imbissbuden und ziehen eine Schnabelflunsch, weil niemand Eiswaffeln kauft, die man klauen könnte – und die Krabbenbrötchen ganz matschig und nass sind. Will keiner. An solchen Tagen, wo man sich lieber Rum statt Sahne in den Tee rührt, sticht mich gern der „Jetzt erst recht“-Hafer. Dann mag man sich eigentlich fast nach einem heißen, dampfenden Pott mit Grünkohl sehnen, stattdessen aber lasse ich die Küche kalt – und lasse Chili für die Hitzewallungen eines meiner liebsten Sommersalate sorgen, der binnen ganz weniger Minuten in einer Handvoll Handgriffe zusammengeschmissen ist, und der die Seele kapert, auf einem Piratenschiff entführt und sie an einem palmengesäumten Strand an der ghanaischen Küste aussetzt. Welch ein Glück.

Von dort zumindest stammt der Salat, dessen Aromen und Texturen verblüffen im Zusammenspiel der fruchtig-saftigen, kühlenden Süße von Wassermelonen mit dem salzigen Knack von Wassermelonen, mit der knusprigen Säure von Sumach (zu Pulver zerriebenes, getrocknetes Fleisch der Früchte des Färberbaums, auch „Sizilianischer Zucker“ genannt) sowie der bitzigen Frische von Limetten, deren Saft die Theatralik fein geschnittener Zwiebeln bändigt. Chiliflocken schärfen das Ganze gewaltig an, setzen die Geschmacksknospen in Brand, bevor Minze und oder Koriander die Gemüter wieder etwas kühlen unter ihrem schillernden Aromenfächer. Eine ordentliche Prise Salz konturiert die Geschmacksnoten, ein Schluck Olivenöl kitzelt sie zusätzlich hervor in diesem Salat, von dem die britische Kochbuchautorin Ruby Tandoh in ihrem famosen Buch „Cook as you are – Recipes for real life, hungry cooks and messy kitchens“ schreibt: „Es ist der beste Salat, den ich kenne.“ Einer, der im Zweifel sogar bei grimmigen Trotzkisten insgeheim Begeisterungsstürme entfacht hätte, auch wenn diese im Zweifel keine Miene verzogen und noch ein Glas Mayonnaise auf ihren Salat Olivier gekippt hätten.


Zutaten für den Wassermelonen-Limetten-Sumach-Erdnuss-Salat
Eine halbe kleine Wassermelone (etwa ein knappes Kilo)
1 rote Zwiebel
1 Bio-Limette
3 Esslöffel gesalzene, geröstete Erdnüsse aus der Dose
1 guten Schluck Olivenöl
1 Esslöffel Sumach
1 Teelöffel Chiliflocken (plus minus x)
1 Teelöffel Salz
1 Handvoll frische Minzblätter
1/2 Handvoll frischen Koriander

So wird der Wassermelonen-Salat gemacht
Beim Blick aus dem Fenster den grauen Wolkenbergen den Mittelfinger zeigen. Dann trotzig der roten Zwiebel ihre Schale abreißen und sie in feine Scheiben schneiden.
Das auf Kipp stehende Fenster schließen, um den kühlen Wind von West auszusperren. Dann bockig die Schale der Limette abreiben. Beiseite stellen. Halbieren und den Saft in eine flache Schale pressen. So sauer wie der Saft dreinblickend die Zwiebelschnitze darin mazerien, also in der Säure ziehen lassen. Das nimmt ihnen Bitzigkeit.
Grummelnd wie ein Sommergewitter kurz das Wetter verfluchen, dann die Wassermelone halbieren, die Schale unter schnippischem Schnauben absäbeln, wenn allzu viele Kerne im Fruchtfleisch stecken, sie wo möglich raussammeln, weil Blausäure. Die Wassermelone widerspenstig würfeln.
Dickschädelig die Minze und den Koriander waschen und gemeinsam mit den Erdnüssen zerkleinern – entweder zickig die Blätter zersäbeln und die Erdnüsse zerstoßen im Mörser, oder beides ins Schnitzelwerk einer Küchenmaschine oder einen Hand-Multizerkleinerer werfen und grob zerhacken.
Jetzt alles unerschütterlich zusammen in eine Schüssel pfeffern, während es draußen gießt, den guten Schluck Olivenöl draufgießen, eine aufmüpfige Prise Salz (etwa nen gestrichenen Teelöffel) hinterherwerfen sowie den Esslöffel Sumach und die Chiiflocken in die Schüssel stürmen lassen. Gnadenlos vermischen. Die Limettenzesten darüberrieseln. Kurz ziehen lassen. Und dann auf, auf, den Sommer aus der Schüssel schlemmen!






Musik zum Wassermelonen-Erdnuss-Salat
„Doch nun ist es kalt trotz alledem, trotz SPD und alledem…“: Wenn schon Trotz und (im weitesten Sinne) Trotzkisten: Als kleines Kind habe ich nur wenige Schallplatten öfter rauf- und runtergehört als „Hannes Wader singt Arbeiterlieder“.
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Hallo Ole,
genau – Du hast so recht: Wenn’s grade herbstelt, dann mit Chili und Fernweh gegensteuern! 🙂
Wassermelone hatte ich die letzten drei Wochen so genial gute, dass ich mich kaum traue, hier in Deutschland welche zu kaufen. Aber so gewürzt müsste das trotzdem klappen. Liest sich spannend.
Liebe Grüße
Barbara
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Wo hast Du vorher gesteckt? Die hier sind ja schon eher blasse Fadenscheinige. Aber selbst mit denen ist es köstlich. Verflixt liebe Grüße!
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Über Smartphone klappt das Kommentieren irgendwie nicht, falls doppelt bitte löschen.
Ich war in Zentralasien. Und in Usbekistan gibt’s glaube ich die besten Wassermelonen der Welt. Hab‘ ich mal gehört. – Mit meinen teilnehmenden Feldstudien bin ich noch nicht durch, aber die sind echt gut. 🙂
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Usbekistan: wie unglaublich spannend. Und teilnehmende Feldstudien: umso mehr
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Gnadenlos vermischen … Wie wunderbar, das Rezept, deine Zeilen … Kurzvormitternächtliche Lacher sind die besten! Aber hey, du hast völlig vergessen, zu Beginn der Kochsession sehr respektlos den Wein zu öffnen und direkt aus der Flasche zu trinken! Zumindest ich hätts so gemacht ;-)))
Alles Liebe!
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Du zauberst mit immer wieder Lächeln auf die Lippen, auch umgekehrt. Und ich muss dringend wieder gucken kommen. Vogelwild hier zuletzt, alles!
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