Auf zu Gaumenreisen

Oben auf dem Dachboden, dort, wo an sonnigen Tagen Staubflocken in der Luft glitzern, hat mein Reiserucksack Spinnweben angesetzt. Er liegt hoch und trocken in einer Ecke. Ab und zu glaube ich, ihn niesen zu hören, aber er murrt nicht, trägt sein Dasein mit Fassung. Er war schon in Vietnam und auf Sri Lanka, hat auf den Kanaren Höhenluft geschnuppert und in den sumpfigen Niederungen der Masuren Mückenschwärme tapfer ertragen. Aktuell bewacht er die Dachbodenecke unter der Schräge, zwischen dem geparkten Schreibtisch, alten Lattenrosten und Ersatz-Regalbrettern. Vielleicht hat er sich nachts mit dem Marder unterhalten, der eine Zeitlang über den Dachboden getobt ist und Teile der Sperrholzverkleidung zernagt hat. Vielleicht hat er mit Weberknechten Freundschaft geschlossen. Irgendwas muss man ja tun, während man da so rumliegt.

Und irgendwas muss auch ich ja tun, während man hier so rumhängt.

Zu lange war ich nicht fort, kaum überhaupt jenseits der Grenze des Landkreises. Seit Monaten zurückgezogen von der Welt, fehlen mir die südliche Sonne, die Düfte und der aufregend andere Lärm der Ferne, Erlebnisse und Eindrücke, die überraschen. Getrennt von vielem, was ich liebe, will ich nicht jammern, und doch würde ich jetzt gern das Konzert aus klickenden Gabeln, klappernden Tellern und Gesprächsknäueln in dicht gepackten Restaurants erleben, im bebenden Pulk vor der Bühne bei Konzerten tanzen, mich auf Festivals von den Händen der Masse tragen lassen, mich in Großstadtabenteuer stürzen, mich fotografisch austoben, in Chören singen, in kleinen Proberäumen musizieren – und in die Ferne reisen. Doch seit Monaten trennt uns die Sorge vor Ansteckung von der Welt und dem, was sie so lebenswert macht. Was bleibt, ist sich einen Hauch der Ferne nach Hause zu holen, köstliche Aromen, die nach Reise schmecken und einen Teil der Sehnsucht stillen nach Meersalz auf der Zunge, nach frisch ausgeschlürften Kokosnüssen unter tropischen Palmen, nach Sand im Haar. Kochen ist für mich der kleine, lieb gewonnene Ersatz für fehlende Reisen, die Nische, in der ich mich aktuell kreativ austobe.

Und so kehre ich, Jahre, nachdem mein alter Blog „Nachrichten aus Absurdistan“ in tiefen Schlaf gefallen ist, zurück zum Schreiben im Netz – um Reiseerlebnisse und Lieblingsrezepte zu teilen, kuriose und schöne Geschichten zu erzählen, Euch und mich selbst vielleicht zu überraschen und um Neues anzubrechen in einer Zeit, die wie stillgestellt scheint. Ich bin und bleibe… nimmersatt. Seid und bleibt gern dabei. Auf zu neuen Abenteuern.