Umami pur: Pasta mit Miso-Parmesan-Pilzrahm.

Die Felder sind abgeerntet, Wer sich auskennt, ist womöglich schon vor Wochen durch die Wälder gestreift, einen Korb in der Armbeuge, und hat frische Pilze gesammelt. Was jetzt noch da ist an Sporengewächsen, verfault allmählich oder ist von Schuhsohlen zertreten. Regenmassen haben die Furchen der Treckerreifen auf den Äckern in kleine Kanäle verwandelt. Stiefel schmatzen beim Hindurchgehen, und wer das wagt, muss kräftig ziehen, um nicht stecken zu bleiben – und aufpassen, zugleich nicht aus dem Schaft zu schlüpfen. Im Gubbelwasser spielen herabgesegelte Blätter toter Mann. Böen peitschen über die Stoppelfelder. Spätherbst. Zeit für warmes, tröstendes Essen. Zeit für inneres Wohlfühlen. Und wo ich gerade bei Pilzen war: Gerade Pilzgerichte tragen bei mir gern zu wonnigem Wohlgefühl bei.
Denn Pilze kitzeln etwas, das sich kaum in Worte fassen lässt. Fachleute sprechen dabei über den fünften Geschmackssinn oder auch den fünften Geschmackskontinent, wie der aromenverrückte Geschmacksforscher Thomas Vilgis es nennt – neben salzig, süß, sauer und bitter. Umami taufte der Chemiker Kikunae Ikeda, der diesen lange unbenannten Geschmackssinn entdeckte, ihn 1909. Und was ihn anschlagen lässt, ist das, was gar nicht zwingend selbst nach etwas schmeckt, aber vielleicht den perfekten Balancepunkt zwischen salzig, süß, sauer und bitter beschreibt. Das, was uns im Verborgenen auch Nahrhaftigkeit verheißt, weil es Eiweiße verspricht. Etwas, das wir schon mit der Muttermilch aufsaugen. Die Essenz des Schmackhaften. Der Punkt, an dem die Rezeptoren der verschiedenen Sinne sich ansehen, einverstanden nicken und in die Arme fallen. Den Punkt, an dem Nuancen erst so richtig klar hervortreten und strahlen, Gerichte ganz neue aromatische Tiefe gewinnen und sich geschmacklich von „hmjoa, nett“ zu „Heidimarokko, himmlisch“ entwickeln.
Nun tun dies nicht nur Pilze. Auch Miso, eine aus Japan stammende, in ihrer gängigsten Form aus fermentierten Bohnen und Getreide zubereitete Würzpaste, steckt voller Glutaminsäuren, die den Umami-Sinn anschlagen lassen. Parmesan ebenfalls. Und so gibt es hier und heute etwas, das mit Wohlfühlgeschmack bis zur Kragenkante vollgepackt ist und mit einem feinen Hauch Zitrusfrische, deutlich angeregt durch ein ziemlich ähnliches Rezept im fantastischen „Miso“-Kochbuch von Claudia Zaltenbach. Wer Miso noch nie verwandt hat: Der Kauf einer Portion der hellen, harmlosesten Paste lohnt sehr. Man kann ein wenig davon unauffällig in Saucen fast aller Art schmuggeln, kann Karamell damit noch ganz neue Geschmacksnoten und noch viel mehr Intensität verleihen, kann auch süße Dessertsaucen damit verblüffend aufpeppen. Vorsichtig dosiert anfangen und rantastend lauern da einige Geschmacksbomben, die sich so entsichern lassen.
In diesem Fall: Pasta mit Miso-Parmesan-Pilzrahm. Ein Gericht, in das man sich reinsetzen kann. Fix gemacht, ein bisschen raffiniert und überaus köstlich (finde ich).

Man nehme:
400 Gramm frische Pilze (Champignons etwa, aber gern auch Pfifferlinge, Shiitake, Austernpilze, oder was an essbaren (!) Pilzen Ihr so im Wald gefunden habt)
2 rote Zwiebeln
2 EL Butter
400 ml Sahne
1 Zitrone, die Schale abgerieben/in Zesten gerissen
1 gehäufter EL weißes Miso („Shiro Miso“), bekommt man in vielen Asialäden, aber auch online
1 gehäufter EL Steinpilzpulver (gibt’s im Gewürzhandel, optional, aber unglaublich intensiv und bereichernd)
1 EL helle Sojasauce (dunkle geht auch)
50 Gramm Parmesan, gerieben
50 ml Madeira/Sherry, oder ein halbes Glas Weißwein und einen Teelöffel Zucker
2 EL Aceto Balsamico
2 Frühlingszwiebeln
1/2 Bund frischen Thymian (oder 2 Teelöffel getrockneten)
500 Gramm Pasta nach Wahl (ich mag dazu gern Linguine, aber Tagliatelle, Spaghetti, Penne, Tortiglioni oder was immer Ihr da habt, tun es genau so)
Zum Abschmecken:
Roter Pfeffer
Schwarzer Pfeffer
Salz
Zucker
Die Pasta in ausreichend viel Salzwasser al dente kochen (je nach Packungsangabe).
Parallel die Pilze trocken mit einem Küchentuch abputzen und von Dreck befreien. Dann in feine Scheiben schneiden.
Die roten Zwiebeln fein würfeln. Die Butter bei niedriger bis mittlerer Hitze in einer Pfanne auslassen und die Zwiebeln darin zartgolden anschwitzen. Die Pilze dazu geben und bei weiterhin eher niedriger bis mittlerer etwa fünf Minuten lang mitschmurgeln. Falls Ihr getrockneten Thymian zum Würzen nehmt, ruhig schon reinrieseln, das Fett löst die Aromen gut (aber aufpassen, dass es nicht zu heiß wird, verbrennt und bitter wird). Die Pilz-Zwiebel-Mischung mit dem Madeira/Sherry ablöschen, kurz köcheln lassen, dann die Sahne dazugeben, den Löffel Miso einrühren, die Sojasauce, den Balsamico-Essig, das Steinpilzpulver (falls genutzt), den Zitronenschalen-Abrieb und den geriebenen Parmesan behutsam hinzugeben. Mit Salz, eventuell einer Prise Zucker (insbesondere, wenn Wein statt Madeira genommen wurde) und schwarzem Pfeffer abschmecken.
Wem in der hier dargebotenen Variante die Fleisch-Einlage fehlt, der kann auch noch 100 Gramm Prosciutto Cotto oder Kochschinken kleinschneiden und mitköcheln lassen.
Auf der frisch abgegossenen Pasta servieren.
Für frischen Crunch die Frühlingszwiebeln in feine Ringe schneiden und darüber streuen. Ein paar Körner roten Pfeffer dazu drapieren und nach Lust und Laune noch etwas Parmesan darüberreiben.

Musik zum Menü
Wenig Songs rühren mein Herz an wie „Left and leaving“ von den hinreißenden Weakerthans, wenige schmecken mehr nach Herbst, nicht nur textlich. Auch die Erinnerungen, Semesterbeginn, kalter Herbst, Tagträume in sich senkender Dämmerung.
Weil das Ganze hier aber auch in den Geschmacksnerven knallt und sie heiter beglückt, und weil das hier ja keine allein stille, zurückgezogene Veranstaltung ist, gibt es hier auch noch etwas mehr Schmackes, vollmundig und knackig: „The sound“ von Noah Gundersen.
Die Rezeptführung ist soo animierend, dass man sofort anfangen möchte diese Nudeln zu kochen. Vielen Dank! LG Meggie
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Das freut mich riesig! Dankeschön! Und wenn, hoffe ich, es schmeckt Dir prima!
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Hallo Ole,
das ist Umami in Höchstform – Pilze, Miso, Parmesan – sehr spannende Kombination!
Viele Grüße
Barbara
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Das freut mich sehr. Tausend Dank Dir!
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Das freut mich immens. Tausend Dank!
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