Über das traumtolle neue „Bali“-Kochbuch von Antje de Vries und ihre aufregenden Wege dorthin

Diese puckernde Sehnsucht nach frischen Reizen und die brennende Begierde auf Neues waren es, die Antje de Vries als Schülerin zu neuen Ufern aufbrechen ließen. Es drängte sie fort aus der Ödnis der Riesenwiesenweiten von Bunderhammrich im Rheiderland: im Nichts, kurz vor der niederländischen Grenze. Sie wollte neues erleben, riechen, schmecken. Fort aus der Gegend Ostfrieslands, von der man sagt, dass man montags schon sehen kann, wer freitags zu Besuch kommt. Von dort, wo Orte schonmal Einhaus, Tweehusen und Dreehusen genannt worden sind und so sind wie sie heißen. Ab in die USA, in die texanische Hitze an der Grenze zu Mexiko. Bei allem Verlangen nach neuen Reizen hatte sie vor ihrem Austauschjahr noch keinen Schimmer, wie stark allein die Ankunft in der Ferne ihr Leben und ihren Lebensweg prägen würde – in einer Richtung und mit einem Elan: Da mag manchem der Kiefer wegklappen und aushaken.
Noch nie zuvor so weit von zu Hause fort gewesen oder überhaupt jemals geflogen, stolperte sie am zweiten Tag auf einen Bauernmarkt, wo ein Wagen bergeweise verschiedener Melonen feilbot. Der Standbetreiber bot der Ostfriesin ein Scheibchen Honigtau-Melone an – nicht wissend, dass er das Leben der damals 16-Jährigen verändern würde. Da verbanden sich Aromen auf so unerhörte Weise, dass Antje de Vries ein sinnliches Feuerwerk erlebte, das ihr fast den Atem raubte. „Diese Mischung aus Süße und Säure, dieses leicht Grasige und unglaublich Intensive im Geschmack war das Krasseste, was ich je gegessen hatte“, sagt sie.
Nach dem Abi in Leer im Sterne-Bistro „Grashoff’s“ in Bremen zur Köchin ausgebildet, hat die Ostfriesin ein Studium der Ernährungsökonomie draufgesetzt. Vor allem aber: Sie hat nach Jahren in der deutschen Gastro-Branche die Seile gekappt, die sie hielten, mit Konventionen gebrochen, ihr eigenes Ding gemacht und einfach mal ihren festen Wohnsitz aufgegeben. Sie hat Markenklamotten, eigenem Haus oder Auto Adieu gesagt, um sich als Aromen-Abenteurerin ganz ihrer „Obsession“ hingeben zu können: den Verführungen lukullischer Leckereien.
Eben dieses „krasse Erlebnis“, wie sie gern sagt, weckte ihren Entdeckergeist. Es entfachte die Lust auf sinnliche Genüsse und Geschmäcker, entflammte die Leidenschaft für Küche, kitzelte den Heißhunger auf aufregend andere Aromen, steigerte das Interesse an Kulturen und Essgewohnheiten. Und es hat den Grundstein für mehr gelegt Sie hat im großen Gräfe&Unzer-Verlag ein bundesweit gefeiertes Kochbuch mit dem Titel „Abenteuer Geschmack“ veröffentlicht. Auch durfte sie ein Standardwerk übers „Fermentieren“ für die renommierte Teubner-Reihe schreiben, das sogar mit dem Deutschen Kochbuchpreis in Gold prämiert worden ist. Und nun hat sie ein traumschönes Koch- und Reisebuch über Bali veröffentlicht. Es hat ihr auch ermöglicht, kürzlich auf Sierra Leone in Erdlöchern Ölfrüchte zu zerstampfen und sich von den Menschen dort ihre besondere Weise zu kochen und ihre Rezepte erklären zu lassen – für ein Kochbuch, das für den guten Zweck der Sammlung von Spenden für den Verein Pfefferminzgreen erscheinen soll, der Frauen dort und an anderen Stellen der Welt vor Genitalverstümmelung zu bewahren versucht.
Bei aller intensiven Arbeit rund um die Welt bleibt ab und zu auch Zeit für einen Strand-Spaziergang. Foto: Vivi D’Angelo
Von weltlichem Besitz hat Antje sich fast völlig verabschiedet. „Was ich in all den Jahren zuvor erspart hatte, ist überwiegend fürs Reisen und für gutes Essen draufgegangen“, sagt sie. Sie reist rastlos, frei und selbstständig als Köchin und Food- Beraterin um die Welt – nicht selten in Flixbussen und Billigfliegern, um rund um den Globus ihren Lebenstraum als raffinierte Restaurantkonzept- Erfinderin, Gaumenschmeichlerin und Entdeckerin neuer Verführungen zu leben – selbst wenn das in den vergangenen anderthalb Jahren pandemiebedingt deutlich umständlicher war und die Quirlige mit Hummeln im Hintern häufiger als ihr lieb sein konnte in Deutschland bleiben musste. Dennoch: „Ich habe das Glück, das zu tun, was ich liebe“, sagt sie. „Ich jage den Reizen hinterher und kann quasi weltweit Restaurants eröffnen – in denen ich als Beraterin meine Ideen einbringen darf – ohne den Druck, die Restaurants dauerhaft betreiben zu müssen.“
Diese Freiheit hat die Ostfriesin sich genommen, nachdem sie 2014 nach einer Zeit als Projekt- und Marketingverantwortliche beim industriellen Fisch-Veredler Deutsche See (Bremerhaven) sowie als verantwortliche Köchin in mehreren renommierten Hotels zur Vizechefin eines Hotels in Wilhelmshaven am Jadebusen im Nordwesten der Republik aufgestiegen war. Was folgte, waren eine private Havarie“ und der Entschluss, sich zu häuten, auszubrechen, Konventionen abzustreifen und dem eigenen Herzen um die Welt zu folgen. Das führte sie zunächst als Chefköchin in die karge Abgeschiedenheit der Bergwelt Norwegens in ein Restaurant am Hardangerfjord. „Und da hab ich dann mitten in der Nacht wildfremde Menschen angemailt – und bin auf einen Caterer auf Bali gestoßen“, sagt sie. „Kurze Zeit später bin ich in einen Flieger ans andere Ende der Welt gestiegen, habe nochmals eine ganz neue Welt für mich erschließen dürfen – und war seitdem überall und nirgends.“
Antje de Vries experimentiert weltweit in Versuchsküchen, arbeitet mit Gourmetmagazinen wie „Foodie“ und „Der Feinschmecker“ zusammen. Sie entwickelt mit der größten Deutschen Gastro-Agentur F&B Heroes und mit der Agentur Equiperie neue Restaurant- und Hotelkonzepte – und nimmt sich Zeit, um wirklich besondere Kochbücher zu entwickeln.“
Die Ostfriesin, deren Opa einer der letzten Granatfischer im Dollart war, der kleinen Bucht, in der sich die Wasser von Außenems und Nordsee mischen, liebt die komplexen Aromen der Natur – gerade dann, wenn sie sich verbinden, wenn alle Sinne angesprochen werden. Wenn es beim Zubeißen knistert, kracht oder knackt, während beim nächsten Bissen zartschmelzende Mousse die Zunge umschmeichelt. „Gutes Essen kann mich um den Verstand bringen“, sagt Antje de Vries. „Wenn ich etwas Besonderes esse, dann berührt es mein Herz, und wenn es richtig besonders ist und die Sinne berührt, letztens hatte ich das bei Marmelade aus unreifen Feigen, dann zieht das Kribbeln vom Herz über den linken Arm abwärts, dann laufen mir Schauer den Rücken hinunter – und dann krieg‘ ich auch schonmal Pipi in den Augen“, sagt sie.Bunt und edel: Antje de Vries macht sich schick und bindet sich einen Sarong für eine Feier auf Bali. Foto: Vivi D’Angelo
Wenn etwa die milde Süße von Möhren aus der abgelebten Dauer-Ehe mit Erbsen ausbricht und sie stattdessen in einer indischen Halwa mit Zimt, Nelken, Kardamom, Sternanis, Kokosblütenzucker und Rosinen flirtet oder sich an eine Gremolata mit orientalischen Gewürzen, Sonnenblumenkernen und herbes Grün schmiegt. Gekneteten Fenchel verkuppelt de Vries auch schonmal mit Grapefruit und Halloumi. „Es gibt viele Kochbücher, die eher Massenprodukte sind, manchmal lieblos. Ich versuche, wenn, nur welche zu schreiben, in denen mir die Geschichten und Rezepte wirklich am Herzen liegen“, sagt die Ostfriesin. Ihr Kochbuch „Abenteuer Geschmack“ ist nicht nur eine Rezeptsammlung, sondern hat sich 15 Gemüsesorten geschnappt, spürt ihren sinnlichen Besonderheiten nach, erklärt diese – auch wissenschaftlich – und greift besondere, ungewöhnliche Gerichte rund um diese Zutaten heraus. Und inmitten all dessen findet sich auch das Kartoffelpüree-Rezept ihrer ostfriesischen Oma. „Ich liebe es, Menschen über Essen zusammenzubringen – und es macht mir Freude, Menschen Mut zu machen, sich auch kreativ auszutoben“, sagt sie.
Antje de Vries liebt frisches Gemüse. Foto: Vivi D‘Angelo
„Manchmal hab ich das Gefühl, als sei mein Leben ein Videospiel, in dem ich wie Super Mario durch die Welten springe“, sagt die 39-Jährirge. „Es ist durchaus schon vorgekommen, dass ich für 600 Euro grandios gegessen hatte, dann aber plötzlich nicht mal mehr genug Geld für ein Billighostel hatte. Und just in dem Moment kam aber das Honorar für ein Projekt, das ich bearbeitet habe, auf mein Konto – und ich hatte quasi ein neues Zusatzleben“, sagt sie und lacht.
Wann immer man sie kontaktiert, kann man mit Recht zu erst fragen: „Wo erwisch‘ ich Dich gerade?“ Und wenn sie eventuell tags drauf zurückruft, besteht durchaus die Chance, dass der Anruf aus einem ganz anderen Teil der Welt als tags zuvor kommt. So ist Antje de Vries für ein Restaurant-Projekt in Wien durch die Türkei gereist, um dort den Ursprüngen des Kochens über offenem Feuer nachzuspüren. Sie entwickelt neue Speisenkonzepte mit einem 120-Mitarbeiter-Unternehmen auf Bali, ist „fast permanent ortsabwesende Chefköchin“ eines renommierten Restaurants in Hamburg. Sie hat das Restaurant des Steigenberger-Hotels in Wien auf neue kulinarische Wege gebracht, hat in Kanazawa in Japan mit Shinichiro Takagi, dem Zwei-Sterne-Chef eines der landesweit berühmtesten Restaurants, die Finessen asiatischer Haute-Cuisine kennengelernt sowie mit ihm „auch Kugelfische und Schildkröten auseinandergebaut“. Mit ihm und drei weiteren Sterneköchen hat sie auch jüngst im Palais des französischen Außenministeriums auf der Preisgala des Feinschmeckermagazins „La Liste“ die Gäste verköstigt und ihnen feinste Sushi und Sashimi kredenzt.
Für Antje de Vries geht es trotzdem weiter um die Welt: Sie sagt: „Ich könnte jederzeit sesshaft werden und vermutlich auch deutlich mehr Geld verdienen, aber wenn ich mir ausmale, welche Erlebnisse und Begegnungen mir entgehen würden, ist die Sache schnell erledigt – so bin ich nicht reich an Geld, aber an Erlebnissen.“
Gerade deshalb hat sich die 39-Jährige auch vor inzwischen gut drei Jahren, bevor die Pandemie sie für Monate an die Kette legte, gemeinsam mit ihrer befreundeten Fotografin Vivi D’Angelo zu einer weiteren Reise nach Bali aufgemacht, dorthin, wo die Götter auf dem Vulkan wohnen, um von all den Besonderheiten zu erzählen, sie zu zeigen und um Rezepte zum Nachkochen mitbringen zu können. Durch die Corona-Pandemie verzögert, sind die Reise-Erlebnisse und Rezepte jetzt als Buch namens „Bali – Essen mit den Göttern“ im Südwest-Verlag erschienen. „Das, was auf Bali wirklich besonders ist, ist, wie tief der animistische Glauben an die Beseeltheit der Dinge das Leben und auch das Verhältnis zum Essen prägt“, sagt de Vries. „Da gehören Cloudpusher, also Wolkenschubser, zu regulären Dienstleistern bei Feiern, die mit dafür sorgen sollen, dass die Wolken verschwinden und Feste nicht ins Wasser fallen. Oder es gibt Halbpriester, die in der Küche darauf hinwirken sollen, dass die Maschinen nicht schlappmachen.“ Durch die jahrelang gewachsenen, innigen Verbindungen zu den Menschen auf Bali – wo sie jahrelang oft ganze Teile des Jahres verbrachte – etwa hat sie Einblicke in die „so unglaublich besondere Kultur dort“ abseits touristischer Pfade gewinnen können, „von denen die meisten, die dort nur Yoga- oder Surfurlaub machen, gar nichts mitbekommen, was total schade ist“, sagt sie.
Dank der engen Kontakte zu den Menschen vor Ort „durften wir Dinge erleben, in die sonst wenige Einblick bekommen“, sagt Antje de Vries. Und so erzählen sie und Vivi D’Angelo voll offener Neugier davon, wie zum ersten Geburtstag eines Kindes ein riesiges Schlachtfest fürs ganze Dorf gefeiert wird, wie in tiefster Nacht Scharen von Männern die Tiere zerlegen und das Fleisch würzen und warum es nach dem balinesischen Glauben wichtig ist, dass Kinder in ihrem ersten Lebensjahr den Boden nicht berühren dürfen, bevor sie dann zum ersten Geburtstag feierlich auf den Grund gesetzt werden. Schön ist auch die Schilderung einer Begräbnis-Zeremonie. Die Reste des verbrannten Sarges kokeln noch in den Flammen, als die Trauergemeinde den Ort der Einäscherung flugs verlässt, weil kleine Imbisswagen und Mopeds vorgefahren sind und Essen bringen: „Oma ist noch nicht zu Ende verbrannt, und nebenan wird schon Eis geschleckt. Und es ist irgendwie okay so.“
Was Antje und Vivi schreiben, strotzt vor Staunen, vor respektvoller Anerkennung, aber auch selbstironischem Witz. Ein ums andere Mal verschwindet die Genussvernarrte um Ecken, eilt zum nächsten Straßenstand, wo man sie findet, wie sie unersättlich nascht und sich Rezepte verraten zu lässt. Auf Bali werden Rezepte in den seltensten Fällen niedergeschrieben. „Wir haben uns bei der Auswahl der Rezepte im Buch auch bewusst entschieden, nicht die erwartbaren immer gleichen Klassiker wie Nasi Goreng in den Fokus zu rücken, sondern die Gerichte vorgestellt, die uns bei der Reise begegnet sind und begeistert haben: die Gerichte, die die Einheimischen lieben und essen abseits der Touristenorte.“ Stattdessen serviert das Duo den Lesern scharfen Obstsalat mit Chilis (siehe Rezept unten), würzt Hühnersuppe, in der Eier und Reis als Sättigungsbeilagen tauchen, mit Kaffir-Limettenblättern. Sie erklärt die Geheimnisse der balinesischen Würzpasten. In Zitruslimo blubbern Basilikum-Samen, Melone und Kumquats. Sie schichtet Reis zu einem nach Kokos duftenden Berg aus Gold. Sie zelebriert Rendang, diese unverschämt leckere Kreuzung aus Gulasch und Curry, im Gespann mit auf Zitronengrasstängeln gegrilltem Hühnerfleisch, scharfem Wasserspinat und weiteren Köstlichkeiten.
Nachdem „Abenteuer Geschmack“ bundesweit gefeiert worden ist und mit ihr Zweitwerk „Fermentieren“ sogar den Deutschen Kochbuchpreis in Gold gewonnen hat, prasseln Elogen und Lobpreisungen verdientestermaßen auch fürs neue Werk auf Antje und Vivi ein. Schon 2019 wurde Vivi D’Angelo für ihre kunstvollen, lebensnahen Reportagefotos auf dem Internationalen Food Photo Festival im dänischen Vejle ausgezeichnet. Stevan Paul, selbst einer der erfolgreichsten Kochbuchautoren Deutschlands, zählt „Bali“ in seinem Online-Magazin „Nutriculinary“ zu den zehn besten Kochbüchern des Jahres 2021. Er schwärmt von den besonderen Gewürzmischungen, Bumbus für die Würze des Gerichts selbst, Sambals zum individuellen Abschmecken, die die balinesische Art zu kochen ausmachen und denen Antje de Vries viel Hingabe widmet. Und er schreibt: „Der opulente Band ist mehr Reisebuch als Kochbuch, eine umsichtige Annäherung an die kulinarische Kultur der ,Insel der Götter‘, die untrennbar verbunden ist mit Zeremonien, Gemeinschaft, Familie, Riten und Religion.“ Bei „Kaisergranat“, einem der großen Kochbuch-Rezensionsportale in Deutschland, gehört „Bali“ mit 8,3 von 10 Punkten auch zu den besten des Jahres, und die Autoren loben: „Bei Reise- und Reportagekochbücher aus anderen Ländern ins Deutsche übersetzt werden, bleiben häufig das Persönliche und die Nähe auf der Strecke. Das ist hier genau andersherum. Die Rezepte und Geschichten bilden eine wunderbare Einheit und das Lesen macht bereits ab dem ersten Satz Spaß.“
Die Freude am Kochbuchschreiben ist entfacht bei der Ostfriesin. Zumal sie durch die brillanten Kritiken der ersten beiden Werke sich auch auf Schlag einen Namen gemacht hat. Zum einen ist aktuell ein Werk über „Magische Kräuterküche“ für den großen Gräfe+Unzer-Verlag in der Mache. Ihr Benefiz-Buch, das sich der ursprünglichen, oftmals veganen Küche auf Sierra Leone nähert, soll auch weiter wachsen und voraussichtlich im kommenden Jahr das Licht der Welt erblicken. Darüber hinaus, „ein bisschen Reisen geht Gott sei Dank ja wieder“, hat die Ostfriesin an verschiedensten Ecken auf der Welt Projekte am Wickel. „Und wir suchen auch noch einen internationalen Verlag für ,Bali‘, der das Buch auch auf Englisch herausbringen wird. Denn die balinesische Kultur interessiert ja nicht nur in Deutschland, und es wäre schön, wenn auch unsere Freunde dort das Buch nicht nur in der Hand halten, sondern auch verstehen könnten.“
(Der Text enthält völlig unbezahlte Werbung und ist nicht-kommerzielle Wertschätzung einer lieb gewonnenen Freundin. Das Buch ist mir allerdings kostenfrei zur Verfügung gestellt worden.)
Rujak Gula: Das Rezept

Manchmal lasse ich mir zu viel Zeit. In Erinnerung an wundervolle Reisen in die Tropen, wo Mangos und Papayas saftigsüß und zugleich fast tagesfrisch gepflückt an Straßenständen feilgeboten werden. Und dann steht man im ostfriesischen Supermarkt, und dann liegen da Tropenfrüchte herum, die – frisch angeschnitten – kaum aromatischer als Bauschaum sind und derart fest, dass man damit sogar Nägel in weiches Holz schlagen könnte, vermutlich. Und ab und zu kaufe ich sie dann doch und rede ihnen gut zu und lasse sie es sich ein bisschen in der Obst-Etagère gemütlich machen, auf dass sie sich wohlfühlen und an Saftigkeit und Süße gewinnen. Der Kipp-Punkt, an dem sie dann von genau diesem Zustand dann aber in Richtung fleckigen Verderbens kippen, ist leider oft ein sehr kurzer. Dann guckt man ne halbe Stunde nicht hin, und – zack – Tüdelü. Hallo matschiger Gammel.Dieses Mal habe ich aufgepasst. Und gerade noch den richtigen Zeitpunkt erwischt für eine üppig große, wundervolle Osteen-Mango und eine zarte Papaya.
Und den Zeitpunkt wollte und musste ich nutzen, um den verführerischen süß-scharf-erfrischenden Obstsalat „Rujak Gula“ aus „Bali -Essen mit den Göttern“ zu testen. Da ich Äpfel und Nashi leider nicht vertrage, keine Stern- oder Drachenfrucht, geschweige denn Rambutan zur Hand hatte und auch keine in meinem herbstlich-ostfriesischen Hochbeet wachsen, habe ich hier einfach Mango, Papaya und Gurke kleingeschnippelt, mit kleingeschnippelten roten Chilis garniert und mit Ketjap Manis und einer Prise Meersalz ziehen lassen, ergänzt um etwas Tamarindenmus und Limettensaft. Statt zerbröselter „Krupuk“-Krabbencracker, die nicht so meine Tasse Tee sind, habe ich für Crunch einfach Cashewkerne kleingehackt.Das ist schon der feurigste, aber auch umwerfendste Obstsalat, den ich seit langem gegessen habe. Dank der superreifen Früchte war kein Krümel zusätzlichen Zuckers nötig. Dank der saftigen Früchte ist das Ganze bei mir eine nur sehr bedingt dem Auge schmeichelnde Matschepampe geworden. Aber: Das Dressing aus salzigsüßsaurem Umami mit dem Ketjap Manis, Tamarinde, Salz und Limettensaft entfesselt ungeahnte Facetten in den Aromen der Früchte, der Chilikick gibt der Kiste richtig Wumms, und das Zusammenspiel aus seidig auf der Zunge zergehenden Früchten und dem knusprigen Crunch der Cashewkerne ist Traumhaft. Das Ganze ist „a match made in heaven“. Wow!
Folgendes schlägt das Original-Rezept für 4 Personen vor:
2 kleine rote Chilischoten
5 EL Gula Merah (Palmzucker)
3 EL Tamarindenmus (eventuell stattdessen 2 EL Tamarindenpaste in 2 EL Wasser auflösen und dann die Kerne entfernen; wer beides nicht zu packen bekommt, kann auch den Saft einer Limette nehmen)
1 EL Ketjap Manis (süße Sojasauce)
1 Prise Meersalz
600 g gewaschene und geputzte Früchte (Ananas, Papaya, Java Apfel oder normaler Apfel oder Nashi, Sternfrucht, Drachenfrucht, Rambutan, Zitrusfrüchte nach Belieben, Melone; gern auch erfrischende Gemüse wie Gurke, Staudensellerie, Radieschen oder Rettich)
2 Handvoll Krupuk (Krabbencracker)
Kleine grüne frische Chilischoten nach Gusto
Zuerst wird die Rujak-Sauce vorbereitet, indem man die Chilischoten putzt, je nach Schärfe-Gusto entkernt und feinhackt. Die Chilischnitze werden dann mit dem Zucker, Tamarindenmus, mit Ketjap Manis und Salz in einem Topf mit 2 Esslöffeln Wasser langsam erwärmt, bis sich der Zucker gelöst hat. Dann darf all das abkühlen.
Das Obst und – falls genutzt – auch das Gemüse wird dann je nach Lust, Laune und Bedarf geschält, geputzt und in die Größe geschnippelt, die man gern kaut oder schluckt. Mit der Rujak-Sauce übergießen, kurz ziehen lassen. Am Ende die Cracker darüber zerbröseln (ich habe, wie gesagt, stattdessen Cashewkerne genommen und zusätzlich auch noch etwas Limettenfrische in die Sauce geschmuggelt).
Hinweis: Wer es noch etwas herzhafter mag, kann auch noch einen Teelöffel geröstete Garnelenpaste beim Zubereiten der Sauce in der Masse auflösen.
Gemurmel zum Menü
Wer dieser Seite schon länger folgt, weiß, dass es hier statt Empfehlungen für guten Wein zum Essen stattdessen Musik zum Menü gibt. Nun hätte ich hier balinesische Gamelanklänge verlinken können. Oder Videos mit Musik, die ich liebe, die aber null Bezug zum Text, zu Antje, zur Insel und allem sonst hat.
Viel passender finde ich hier etwas Anderes: Die Rasanz und Quirligkeit, mit der Antje sabbelt, ihr Funkensprühen muss man erleben. Und das kann man besonders toll im ebenfalls wirklich tollen neuen Format „Mittagstisch der Mittagstalk“ von Stevan Paul. In ner knappen halben Stunde erfährt man viel, wird in mehrerlei Hinsicht köstlich unterhalten – und auch das Format hat ebenso wie die Bücher von Antje einiges mehr an Aufmerksamkeit verdient, finde ich.
Wenn Antje rasant sabbeln kann, könnte sie vielleicht auch so schnell Buckelgongs beklöppeln und wäre eine gute Gamelan-Spielerin 😊
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Die Möglichkeit besteht. Mindestens in der Theorie. Auch wenn ich unsicher bin, inwieweit Kraft und Schnelligkeit in Handgelenken mit Silbenrasanz und flinkem Mundwerk korreliert. Und muss man als gute Gamelanspielerin vor allem schnell sein?
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Also Beleganjur finde ich schon sehr schnell bisweilen, Gong Kebyar eigentlich auch. Ich meine ja nur, dass man ja eine gewisse koordinatorische Grundfertigkeit mitbringen muss – für das Sprechen und das Gamelanspielen 🤣
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Schade dass sie kein Mann ist, dann wäre sie prädestiniert für den Kecak.
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