„Von Schildflöten, Herdmännchen und Großmaulnashörnern“: Warum die genau jetzt so gut tun

Das Bewusstsein über den düsteren Irrsinn, der zurzeit die Tage verschattet und die Stimmung wie ein Pottwal niederdrückt, kann aktuell schon belasten. Umso wichtiger ist es, sich bei allem notwendigen Befassen Auszeiten zu gönnen, durchzuatmen, Kraft zu schöpfen, um nicht durchzudrehen und das Senkblei des Gemüts etwas abzuschütteln, das durch den Angriffskrieg in der Ukraine immer wieder den Körper durchschaudert. Ein wenig Rumspinnen hilft mir oft. Quatsch machen. Denn vielleicht war es auch kein Pottwal, sondern ein Schrottwal – oder ein Kompottwal? Einer, der von innen mit Apfel und Zimt gefüllt ist? Und so kriecht mitunter die wortverspielte Schabernacktschnecke los, stopft die Konfettikanone und versteckt Furzkissen auf dem Lehrerstuhl. Ein Lustiger hascht seinen eigenen Schatten und lacht sich darüber kringelig. Unter den Wie-, Wo-, Was- und Werwölfen ist Strudelbildung zu beobachten. Käsekuch-Enten schnattern krümelnd. Präsid-Enten prüfen Gesetzentwürfe der Amsel-Koalition. Und Konkurr-Enten gönnen sich nicht das Schwarze unter der Schnabeltasse. Die Bla-Meise labert vor sich hin.

So selbst ausgedacht diese Tiere sind: Es sind genau solche schaberneckenden Spinnereien, mit denen das allererste Buch im frisch gegründeten und noch ganz kleinen Kraus-Verlag von André Zeugner übersprudelt. „Von Schildflöten, Herdmännchen und Großmaulnashörnern – Das Lexikon bislang kaum bekannter Tiere“ heißt es. In witzige Worte gegossen von Juri Johansson, herrlich illustriert von Stefanie Jeschke. Dies Buch kam für mich am Freitag per Post, nachdem ich mich beim Crowdfunding beteiligt hatte, und es kam zur genau richtigen Zeit (das hier ist unbezahlte Werbung, einfach, weil ich so begeistert bin, das Buch habe ich selbst gekauft und schreibe den Text nur, weil ich so begeistert bin). Und weil „Nimmersatt“ zwar in vielem ein Rezeptesammelsurium, zugleich aber auch ein Tummelort für tolle Geschichten, Unfug und Quatsch ist,
„Über viele Jahre hinweg haben Forscherinnen und Forscher auf der ganzen Welt diese seltenen Tiere beobachtet – und Erstaunliches herausgefunden: Die Schlamasselassel ist tatsächlich das tollpatschigste Tier auf dem Planeten, die Pyjamalamas die schlafmützigsten. Wiesel, Wiesosel und Warumsel haben sich im Laufe ihrer Entwicklung von Nage– zu Fragetieren entwickelt“, schreibt André, ein alter Freund aus meinen früheren Bloggertagen zu Zeiten der „Nachrichten aus Absurdistan“. Er hatte mit „Und und und“ einen der witzigsten, kreativsten und liebenswertesten Blogs, die ich bis heute je im deutschen Sprachraum gesehen habe.

Nun wagt er Neues. Und als Neuestes darf im noch ofenfrischen neuen Verlag Juri Johansson seine Forschungsergebnisse darlegen – im liebenswertesten (Kinder-)Buch, das ich seit Langem gesehen habe und das auch für Junggebliebene quietschvergnüglich ist. Von Pyjamalamas erfährt man da etwa – Zotteltiere mit Faultier-Allüren und Hang zu Kühlschrank-Wanderungen, die gemütliche Sessel- und Sofalandschaften, vermutlich sogar Kissengebirge bevölkern.

Schillernde Zwitterwesen wie Bisonte, deren Ununterscheidbarkeit von Wisenten und Bisons den entscheidenden Unterschied macht, glotzen sich zottig im Spiegel an. Tiefseehasen knipsen ihre Anglerlampe nach der Jagd auf Rübenfische im Dunkel des Ozeans zum Lesen an. Huhnfische, die nicht eingedost werden wollen. suchen unter dem Meer nach Körnern zum Picken und Boden zum Scharren. Der Malwurf verstreut Pinsel, Bunt- und Filzstifte in seinem Bau, kritzelt dreieckige Fußbälle mit Raketenantrieb und spielt in seiner Freizeit gern „Ich sehe nichts, was Du auch nicht siehst.“ Nicht zuletzt ist da auch noch die Schmolle, die beleidigte Leberwurst des Meeres, im Umgang mit der viel Flossengefühl notwendig ist. Und – da passt es thematisch wieder zum Gros hier – Herdmännchen: die Spitzenköche im Tierreich. „Sie haben einen ausgesprochen feinen Geschmackssinn, denn neben süß, sauer, salzig, bitter und umami schmecken sie auch lecker und nicht so lecker!“ Ständig erfinden sie neue Gerichte, von Schnackenschnitzeln über Geckogulasch, vegane Wurzelwürstchen mit Petersilikum bis zu gepuderzuckerten Schokoschaben oder Mokka-Mückenmuffins mit Mandelmilch.

Noch so viel mehr Tiertollitäten und hafergestochene Hirngespinste finden sich in dem hinreißenden Buch, von dem ich schon jetzt weiß, dass ich es immer und immer wieder verschenken werde. Wer mag, kann das Buch gern direkt beim Verlag bestellen (lasst Amazon beiseite). André verschickt kostenlos. Und das Schönste ist, es weckt den eigenen Witz und zumindest ich erwische mich seitdem immer wieder dabei wortverspielte neue Tiere zu erfinden. Und die bereichern die Welt.
Musik zum Buch
Tier. Was sonst?
Ein Gedanke zu “Gedrucktes Glück – was für ein Buch”