
Als ich selbst klein war, war auch meine Welt eine kleinere. In den ersten Jahren meines Lebens war Verreisen für mich synonym mit einer etwa 70 Kilometer langen Autofahrt in unserem in Rot-Metallic lackierten alten Honda Civic nach Neuharlingersiel, wo wir Sommerwochen in einem gemauerten alten Bungalow in einer Siedlung hinterm Deich verbrachten. In dem machten auch meine Großeltern Jahr für Jahr Urlaub. Ferne Kulturen kannte ich ein wenig aus Büchern von Karl May, den Klang fremder Sprachen aus dem Vorspann der Sendung mit der Maus. Umso beeindruckter war ich, als meine Eltern mich zum ersten Mal in meinem Leben in ein orientalisches Restaurant mitnahmen, zu „Ali Baba“ in der Leeraner Altstadt.

Eine düstere Höhle im Bauch eines weiß getünchten Bürgerhauses aus der Gründerzeit, Schummerlicht rieselte auf orientalische Teppiche, die – meine ich – an den Wänden hingen. Irgendwo gab es auch Zeichnungen oder Fotos von Minaretten und kargen Bergen. Das Essen aber, das Essen verschlug mir die Sprache. Im Inneren einer Knusperkruste zartsaftiges Fleisch und geschmolzener Käse. Aromen, die meine Zungenspitze und meinen Gaumen so noch nie berührt hatten, schlugen mich in Bann und tanzten mit den Sinnen. Kreuzkümmel oder Zimt tauchten in der fraglos famosen Küche meiner Mutter eher kaum im Essen meiner Kindheit auf (heute ist dies auch bei ihr häufiger der Fall) – und schon gar nicht sonst in der Familie oder bei Nachbarn. Und ich erinnere mich, wie ich dort mit Schafskäse gefüllte Köfte, also Frikadellen, mit Reis gegessen habe und dieser kulinarische Traum aus tausendundeiner Nacht (oder einfach aus Hack, Ei, Gewürzen und Käse) unglaublich lang nachgehallt hat.

Zutaten
600 Gramm frisches Rinderhack (Bio, wenn möglich – originaler wäre Lamm, esse ich persönlich aber weniger gern)
1/2 rote Paprika
2 rote Zwiebeln
3 Knoblauchzehen
3 Eier
1 Bund frischer Koriander oder glatte Petersilie (15-20 Gramm)
1 Teelöffel Kreuzkümmel
1/2 Teelöffel Zimt
2 leicht gehäufte Teelöffel Salz
1/2 Teelöffel Zucker
1-2 Teelöffel Pul Biber (Chiliflocken)
1-2 Esslöffel geriebener Parmesan
150-200 Gramm Schafskäse
Pfeffer
1-2 Scheiben labbriges Toastbrot (optional)
Olivenöl oder Butter (oder beides) zum Anbraten
Für den Dip
400 Gramm Naturjoghurt (griechischen Joghurt, 10 Prozent)
1 Knoblauchzehe
1-2 Teelöffel abgeriebene (Bio-)Orangenschale
1/2 Teelöffel Salz
1/2 Teelöffel Zucker
Reis
Granatapfelkerne (frisch, selbst gepult – oder aus dem Glas)
So wird es gemacht

Die Paprika halbieren, entkernen und in feine Würfel schneiden und in eine Schüssel geben.

Die Zwiebeln schälen und fein würfeln und ebenso in die Schüssel geben wie die Knoblauchzehen, entweder feinst gehackt oder durch eine Presse gedrückt. Die Eier aufschlagen und ebenfalls dazu geben, wie auch das Gehackte. In etwa zwei Drittel des Kräuterbundes feinhacken und ebenfalls zur Masse geben. Salz hinzugeben und mit der Pfeffermühle mahlend zwei Runden über der Schüssel drehen.

Ja, man kann Zwiebeln durchaus gleichmäßiger schneiden als ich es im Foto gemacht habe. Aber manchmal fehlt Zeit für Akkuratesse.
Weniger original, aber noch etwas fluffiger wird es, wenn man auch noch ein bis zwei Scheiben labbriges Toastbrot hinzugibt.
Den Schafskäse in Rechtecke von in etwa 1 mal 2 Zentimeter schneiden. Beiseite stellen.
Das gesamte Gelumpe mit frisch gewaschenen Händen durchkneten. Wenn alles gut vermengt ist, eine gute Handvoll des Teigs in eine Hand legen, ein Stück Schafskäse in die Mitte drücken und den umliegenden Teig so verteilen, dass der Käse von allen Seiten möglichst einen Zentimeter dick von Teig umgeben ist (sonst läuft der Käse aus und brennt an der Pfanne fest). Mit den Handinnenflächen abrunden, rollend, oder wie immer Ihr das gern macht. Die Frikadellen oder Köfte auf einem Brett beiseite stellen.

Butter und/oder Olivenöl in einer Pfanne auslassen und auf niedriger bis mittlerer Stufe erhitzen. Wenn die Butter geschmolzen ist und sich geklärt hat und/oder das Öl heiß ist, die Frikadellen hineingeben. In meinem Fall hat die Menge für zehn Frikadellen gereicht, aber das hängt ja davon ab, wie klein oder groß Ihr die Klopse dimensioniert. Portionsweise anbraten. Auch da hängt ja davon ab, wie klein oder groß die Pfanne ist, die Ihr nutzt. Mindestens so gut geht es natürlich auf einem Grill. Ihr wisst, wie das da geht.
Anrösten, bis die Ober- und Unterseite jeweils mittelbraun, aber keinesfalls schwarz sind, sich schöne Röstaromen bilden – und die Frikadellen in der Mitte zumindest auch nicht mehr rot und roh sind. Eventuell nach schärferem Anbraten schnell die Hitze verringern, um das Ganze durchzugaren.

Parallel den Reis mit Salzwasser aufsetzen, je nach Packungsanleitung dann garen.
Für den Dip den Joghurt (gern auch türkischen oder griechischen verwenden) in eine Schüssel geben, die Knoblauchzehe hineinpressen, Zucker und Salz hinzufügen, Orangenschale abreiben und ebenfalls hineingeben. Umrühren. Mit Pfeffer abschmecken.
– Die eh schon abgeschrubbelte Orange kann oder sollte man natürlich auch auspressen. Und wer mag, kann 1-2 Esslöffel davon auch in den Dip schmuggeln. Deutlich mehr dürfte insbesondere dann wässrig werden, wenn man normalen Naturjoghurt nimmt statt des festeren griechischen/türkischen. Mehr geht aber natürlich auch. Besser aber, man trinkt den Rest einfach. Auch – falls vorhanden – ein Teelöffel Sumach bringt noch etwas saure Frische.
– Wer mag, kann natürlich auch noch etwas Gurke fein hineinschneiden.
Am Ende die Frikadellen gemeinsam mit dem Reis auf einem Teller servieren, den Joghurt dazugeben, mit dem restlichen (eventuell gehackten) Koriander oder der Petersilie bestreuen und Granatapfelkerne darübergeben (vorher selbst aus der frischen Frucht gepflückt oder aus einem Glas gelöffelt). Guten Appetit!

Musik zum Menü
All das ist einem Traum entsprungen und heute in der Küche wirklich geworden. Und „Down the river of golden dreams“ ist eins meiner Lieblingsalben der wundervollen Band Okkervil River. Das passt. Und hier kommt eins der besonders schönen Stücke vom Album. Finde ich.
Das werde ich mal nachbasteln…😎🤤
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Das freut mich riesig
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Genau mein Geschmack! Klingt und sieht nach genussvoller, guter Laune aus …
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Das freut mich sehr! Und es war wirklich köstlich! Hab nen tollen Sonntag!
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Köstlich! Auch ich hole mit großem Enthusiasmus den Mangel an orientalischen Gewürzen meiner von norddeutschen Hausmannskost geprägten Kindheit nach. Spice up!
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Willkommen im Club! Ab und zu darf’s für mich auch weiterhin gern deftig-schlicht sein. Aber die Raffinesse, die man Gerichten mit einem zarten Hauch erlesener Gewürze verleihen kann, ist schon wundervoll. 🙂
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Wieder mal ein wunderbarer Auftakt zu einer Geschmacksexplosion. Ja, in der Höhle vom Ali Baba hingen Teppiche auch an der Wand. Danke, dass du uns mitgenommen hast auf diese Reise.
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Siehste, danke! Es ist so ewig her, dass ich da war. Und ich war klein. 🙂
Und freut mich sehr!
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Hört sich super klasse an – werde ich probieren – ich bin der totale Hackfleisch-Fan
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Das freut mich enorm! Tausend Dank!
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