
No drugs were consumed in the making of this text.
Als Wulnikowski eines Tages aus unruhigen Träumen erwachte, hatte er sich nicht verwandelt – war aber Geldspeicher füllenden Reichtum los. Den hatte er in seinem Traum mit gefalteten Hühnerhäuten erlangt. An einem Weiher sitzend, war eine knusprige Hühnerhaut vorbeigeflogen. Die konnte das und knisterte bei jedem Schlag ihrer knochenlosen Flügel. Und dann hatte Wulnikowski zugegriffen und das federleichte Ding gefangen. Und hatte daraus einen Schwan gefaltet, schief, krumm, keines Origami-Meisters würdig. Er hatte den Schwan aufs seidenglatte Wasser des Weihers gesetzt und es mit dem Zeigefinger angestupst. Die Haut war im Tümpel sofort in Schieflage geraten und nach Backbord gekentert. Aber dann waren da plötzlich Horden von Menschen, und die alle hatten das gesehen, und die Hühnerhaut-Havarie juckte sie nicht. Sie wollten auch gefaltete Hühnerhäute. Als Flugzeug, als Faltzelt, als Faltschirm. Und Hula-Hoop-Reifen. Was man im Traum eben so faltet aus Hühnerhäuten.
Von der Wiese hinterm Weiher her drang ovaler Lärm herüber, Lautsprecher beulten ihn ein. Eine Schlittschuhläuferin hatte am Ende eines kunstvollen Schlangenbogens ein dickes Ei fallen lassen, dabei war es doch Sommer gewesen im Traum. „Wo kommen die ganzen Hühnerhäute eigentlich her?“, hatte er in die Runde gefragt. Doch als Antwort erhielt er nur von einem Herren in einem altertümlichen Waffenrock mit seltsam in Rollenform gezwirbelter Gesichtsbehaarung: „Ich bin gerade Weltmeister mit meinem kaiserlichen Backenbart – Typ: Franz-Josef – geworden, so etwas darf ich nicht sagen. Aber in der Unterführung hinter dem Birkenhain stehen Vogelkäfige, in denen die Stadt Ersatztauben für Dachrinnen und Plätze züchtet“, verriet er. „Der Zaun zu Ihrer Linken ist übrigens wurmstichig“, fügte er an, nippte dann an einem Cappuccino im Pappbecher und passte auf, dass sich bloß kein Milchschaum im frisch gewichsten Bart verfing. „Und?“, fragte Wulnikowski. „Nichts und. Aber Schiller hat einst Äpfel absichtlich in der Schublade seines Schreibtisches vergammeln lassen, weil ihn der Modergeruch beim Schreiben inspiriert hat.“
Und ohne, dass sich irgendwer gewundert hätte, hatte Wulnikowski in diesem Traum auch Autogramme geben müssen, weil irgendwer meinte, er habe doch mal bei den Boston Celtics Basketball gespielt. Und dann war ihm die Idee gekommen, aus gefalteten Hühnerhäuten auch Faltencreme herstellen zu können. Das ging im Traum ganz einfach, kaum gedacht, schon erfunden. Und auch die hatten ihm die Menschen traubenweise aus den Händen gerissen. „Warum nur Hühnerhäute? Und warum gefaltet? Was will mein Hirn mir sagen?“, fragte sich Wulnikowski. „Kaffee“, war die einzig denkbare Antwort. Er brühte sich welchen. Aber schon auch schade, dass der Reichtum mit dem Aufwachsen zerflossen war. Dann fragte Wulnikowski sich: „Ob Pawlow eigentlich jedes Mal ans Hundefüttern gedacht hat, wenn er ein Glöckchen bimmeln gehört hat?“
Und dann dachte Wulnikowski, „vielleicht war das mit dem Absinth gestern doch nicht so eine gute Idee“, aber diesmal war immerhin kein Pottwal auf seiner Stirn gestrandet, nur Müdigkeit lastete noch auf seinen Schultern. Und übel war ihm auch nicht. Er trank Kaffee. Schon den zweiten Becher. Aber der Kaffee war anscheinend kaputt. Wulnikowski blieb müde. Und hungrig. „Auf gar keinen Fall irgendwas mit Huhn und schon gar keine Hühnerhaut“, sagte er zu sich. Und Lust einzukaufen hatte er auch keine. Süßkartoffeln drängelten sich noch in der Étagère auf seinem Servierwagen am Fenster. „Was Scharfes wäre gut, was Scharfes, um zu Verstand zu kommen“, sagte Wulnikowski. Und dass er jetzt schon wieder Selbstgespräche führte, zeigte, dass er wirklich müde war. Aber er erinnerte sich, dass er bei Arshneel um die Ecke, einem indischen Koch, den Stammgäste „Arsch“ nennen durften, ein höllenscharfes, umwerfendes Süßkartoffel-Cashew-Vindaloo gegessen hatte.

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Vindaloo ist eigentlich ein Fleischgericht, in dem sich die Einflüsse portugiesischer Besatzer und der indischen Küche zusammengetan haben. Der Name stammt aus dem Portugiesischen Carne em vinha de alhos, Fleisch in Wein und Knoblauch, denn in beidem wurde das Fleisch damals mariniert. Erst nach der Nelkenrevolution 1974 hat Portugal seine kolonialen Gebietsansprüche auf die seit etwa 1500 eroberten Gebiete aufgegeben, auch wenn diese schon seit 1961 nicht mehr unter Kontrolle waren. Doch das Vindaloo ist geblieben, und bei „Arsch“ schmeckte es auch ganz ohne Fleisch hinreißend. Es war – auch ganz ohne gefaltete Hühnerhäute – ein Traum.


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Das braucht man fürs Süßkartoffel-Cashew-Vindaloo
Für 4 Personen
1 Kilo Süßkartoffeln, geschält (wer die Schalen vorher putzt und schrubbt, kann aus den Schalen mit etwas Öl und Salz prima Chips im Ofen machen) und gewürfelt
2 mittelgroße Zwiebeln
6 Knoblauchzehen, geschält und gepresst
4 cm Ingwerknolle, fein gerieben
1 Dose Tomaten, gehackt (450 Gramm)
1 Esslöffel Tomatenmark
1 kleine Dose Kokosmilch (200 Gramm, optional)
5 Esslöffel Weißwein-Essig
1 Handvoll Cashewkerne
2 Teelöffel Salz
1 Esslöffel Zucker
250 Milliliter Wasser
neutrales Öl
Würze: Wer nicht so viele Gewürze horten mag, nimmt 2 Esslöffel fertig gemischte, gemahlenes Garam Masala, ich bevorzuge aber Folgendes, zumal durch Anrösten und frisches Mahlen die Aromen noch intensiver sind. Hierfür empfiehlt sich aber eine Gewürzmühle zu haben, oder einen Mörser.
2 Zimtstangen
8 Kardamomkapseln, geschält und rausgepult, oder 2 Teelöffel Kardamom
1 Teelöffel schwarze Pfefferkörner
2 Teelöffel Kreuzkümmelsamen
1 Teelöffel Fenchelsamen
1 Sternanis
6 Nelken
2 Teelöffel scharfes Currypulver
1-2 Teelöffel Chiliflocken (je nach Schärfe-Vertragen)
1 Handvoll Curryblätter (frisch ist toller, getrocknet geht auch)
Dazu passt gekochter Reis – und insbesondere für die, die auf Kokosmilch verzichten und die Schärfe mildern mögen: Joghurt. Als Kräuter dazu passen frischer Koriander, aber auch Minze oder Thai-Basilikum.

Wie wird das Süßkartoffel-Cashew gemacht?
Einen Esslöffel Öl in einer Pfanne oder einem Bräter (bestenfalls mit Deckel, auch wenn wir ihn hier noch nicht brauchen) auslassen und diese auf mittlerer Stufe erhitzen. Zimtstangen, Kardamom, Pfefferkörner, Kreuzkümmel– und Fenchelsamen, Sternanis, Nelken und Currypulver darin etwa zwei Minuten lang anrösten, bis sie zu duften beginnen, dann von der Platte ziehen (und diese ausschalten). Die Gewürze in einer Gewürzmühle zu Pulver mahlen – oder zumindest in einem Mörser zermörsern, damit die Struktur aufgebrochen wird und sie ihre ätherischen Öle freisetzen. Wer nicht alles hauchklein mörsern mag, verfrachtet die Zimtstangen und den Sternanis in einen Teebeutel, dann muss man sie später nicht aus dem Essen pflücken).
Die Pfanne/den Bräter auswischen.


Den Ingwer auf einer Reibe fein reiben in eine Schüssel, den Knoblauch dazu pressen, die Chiliflocken dazurieseln und mit einem kleinen Schluck Öl und einem Teelöffel Salz im Mörser zu einer feinen Paste zerreiben.


Die Zwiebeln schälen, würfeln und in einem Esslöffel Öl und mit dem Zucker bestreut bei niedriger Hitze in der Pfanne anschwitzen, bis sie golden karamellisieren. 10 bis 15 Minuten kann das dauern.
Währenddessen die Süßkartoffeln schälen und in etwa einen Zentimeter dicke Stücke schneiden.
Dann die Ingwer-Knoblauch-Chili-Paste und das Tomatenmark dazugeben, mitschwitzen lassen für vielleicht zwei Minuten.
Den Inhalt der Dose Tomaten dazu kippen und auch den Weißweinessig hineingießen.Die Tomatendose danach nochmal bis etwa zur Hälfte mit Wasser füllen und auch das hinzugeben.
Auch hier: groß wird’s in der Galerie, wenn Ihr mögt.







Die Süßkartoffelwürfel und eventuell die Kokosmilch hinzugeben, die Cashewkerne dazuwerfen, ordentlich durchrühren. Die Curryblätter darüberstreuen und einrühren. Den Deckel auflegen und auf niedriger Stufe etwa eine halbe Stunde lang köcheln lassen. Vielleicht zwischendurch mal umrühren.
Jetzt den Reis aufsetzen und nach Packungsanleitung in gesalzenem Wasser garen.
Zum Abschluss: das Vindaloo abschmecken. Je nachdem, wie sauer Euer Weißweinessig ist und wie süßlich Eure Dosentomaten sind, kann es Sinn haben, die Säure mit zusätzlichem Zucker zu kontern. Vielleicht 1-2 Teelöffel. Auch kann es sein, dass noch eine Prise zusätzliches Salz Sinn gibt, je nach Geschmack.
Zum Servieren den Reis auf Teller geben und das Vindaloo darüberlöffeln. Wer mag, hackt frischen Koriander, vielleicht auch Minze oder Thai-Basilikum dazu. Wer nicht hacken mag, nimmt die ganzen Blätter. Wer die Kräuter nicht mag, lässt sie weg. Wer zudem mag, nimmt noch etwas dicken Joghurt dazu.
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Ähnlich verrückt, durch den Wind, verwirrend wie Wulnikowskis Traum ist der 32 Jahre alte Film „Kill the moonlight“ von Steven Hanft über einen Stock-Car-Rennfahrer, der während eines Rennens mit Abfällen vergiftet wird – und dann gerät alles aus den Fugen. Und auf dem kaum bekannten Soundtrack des Films, den fast keiner (mehr) kennt, gibt es, zum Gericht und zur Surrealität des Traums passend, den Song „Vindaloo“ von den Pussywillows.
Nichts mit Indien, Süßkartoffeln oder Surrealem zu tun hat „Under you“, die neue Single der Foo Fighters. Aber weil die Band nach dem Tod ihres Drummers Taylor Hawkins so viel durchgemacht hat, was sie in dem Song verarbeitet und zudem mit Josh Freese nun einen neuen famosen Drummer gefunden hat – und weil Song und Band grandios sind, gibt’s den einfach so.
Surreal ist auch, wenn Dein Herz Nintendo blinzelt oder der Schriftzug darin aufflackert. Ebenso heißt auch ein Album des ebenfalls kaum bekannten BA Johnston, „My heart is blinking Nintendo“. Und so passt hier auch die schrammelige Folkpolka-Nummer „Vindaloo“ von eben diesem Album.
Und dann ist da ja noch diese Hymne, dieses grölschunkelnde Teil von Fat Les, das vor 25 Jahren zur inoffiziellen WM-Hymne Englands wurde. Und wie soll es schon heißen? „Vindaloo“.
Und, um hier nochmal etwas völlig Zusammenhangloses einzubauen: Die Queens of the Stone Age haben ein neues Album in der Mache. Und die Single ist ein Hit. Und deshalb gibt es die hier jetzt. „Emotion sickness“.
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moin Ole,
das liest sich aber lecker! Donnerknispel. Süßkartoffeln sind auch so vielseitig und deine vielen Gewürze passen hervorragend.
Liebe Grüße und schöne Pfingsten, Karin
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Verzeih, dass ich so lange zum Antworten gebraucht habe. Ganz lieben Dank! Und es sind zwar viele Gewürze, sie bilden aber wirklich ein raffiniert harmonisches Ganzes. 🙂 ganz liebe Grüße und ein tolles Wochenende
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Mega! Noch ne Geschichte zum Vindaloo, super. Wundervolle Bilder. Und die Geschichte dazu. Nee Drugs don’t needed. Die sind schon in den Gewürzen 😉
(mein Vindaloo ist auch schon fertig, probiert und geschrieben, jetzt wart ich nur noch auf die Kamera, dann wird aufgewärmt)
Liebe Grüße
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Ich bin sehr gespannt auf Deine Variante. Anders als Du hab ich auf Tamarinde verzichtet, weil ich leider nen extrem sauren Weinessig erwischt habe 🙂
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Hab wundervolle Pfingsttage und viel Freude mit Deiner neuen Kamera!
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Mhmmm…Vindaloo…allein das Wort bringt mein Blut in Wallung…
Karfamom ist ein Zaubergewürz…es passt auch zum Zimt an eine Ente. Wulnikowski kocht sogar dann noch, wenn ihm ein Pottwal vor der Stirn klatscht: genau das macht ihn so unglaublich liebenswert. Er ist das Vindaloo – er ist der Kick.
Irre – was ist das für ein Zustand? Akten in Büros abarbeiten.Das ist wäre echt irre.Aber Vindaloo, so wie Du das kochst? Klingt voll vernünftig.
Zu Deinem Festmahl kommt mir Dream Theatre ins Hirn gerauscht. Bombay Vindaloo:
Mein Bruder übte stundenlang danach.
Er spielt so wie ich mir vorstelle, dass Dein Vindaloo schmeckt.
Liebe Grüße
Amélie 🍃
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Dream Theater hab ich mit 14, 15 auch geliebt und ewig zu den Platten und den wahnwitzigen Grooves von Mike Portnoy Schlagzeug geübt. Inzwischen ist es nicht mehr so meins, weil sie – finde ich – allzu oft Musik mit Olympia verwechseln. Höher, schneller, mehr. Verkopft und immer wieder nur um des Verkomplizierens Willen verkompliziert, zugleich glatt, mit Eierkneifgesang. 🙂 wobei Bombay Vindaloo ne gute Nummer ist. Synästhesie geht spannende Wege. 🙂 hab nen traumtollen Tag und Danke für all die guten Worte und Gedanken! Ganz liebe Grüße
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