
Carmen „Bear“ Berzatto hat sich an die Spitze gekämpft, sich Weltruhm erschuftet, einer der besten und aufregendsten Köche des Planeten, sein Restaurant als bestes weltweit prämiert – als sein Leben plötzlich zusammenkracht und er von jetzt auf gleich, pardon, ganz tief in der Scheiße steckt. Doppelt.
Per aspera ad astra – durch Mühsal zu den Sternen. Auf wen, wenn nicht ihn, passte Senecas vor knapp 2000 Jahren verfasste berühmte Sentenz aus der Tragödie vom wildgewordenen Herkules? Für den Weg nach oben hat er fast alles geopfert, kaum je noch Zeit für die eigene Familie aufbringen können, seine Finger schwielig geschnippelt, wieder und wieder, fast besessen: Noch akkurater, noch raffinierter, noch besser werden. Hat sich herumkommandieren lassen, yes Chef, hat vom Aufwachen bis tief in die Nacht geschuftet, sich selbst von Zigaretten ernährt, Stresspuls puckert, rattert, dröhnt, bis die Schödeldecke vibriert. Blutdruck am Anschlag im Arbeitsrausch, ranhauen im Akkord, yes Chef, yes Chef, yes Chef, während er den Bestbetuchten Köstlichkeiten kredenzte, bis er selbst vor Erschöpfung der Herr der Augenringe wurde und seine Haarpracht einem ungewaschen verzottelten Hobbit glich. Er griff nach den Sternen und erreichte sie mehrfach, kletterte ganz nach oben. Aber da ist dann auch eine Fallhöhe. Frage nicht. Und die hat „Bear“ dann auch mal der vollen Länge nach durchmessen. Halt Dich an den Träumen fest? Hilft nicht lange, wenn unter Dir der Boden wegbricht. Oder, wie sang Paul Banks von Maxïmo Park in „Apply some pressure“: „What happens, if you lose everything? You just start again, start all over again.“
Sein Bruder Michael, der eine ranzige, schlecht gehende, fettverklebte, meilentief in Schulden steckende Bruchbude von Restaurant betrieb, hat sich ohne Vorwarnung umgebracht. Hat sich einfach davongemacht – und seinen Bruder damit aus seinem Orbit gerissen. Aus den Sternen hart auf den Boden der Tatsachen krachen lassen. Denn der hoch dekorierte Sternekoch, der Mann von Welt, kann plötzlich nicht anders als der Sterneküche „ciao“ zu sagen und irgendwie dieses leck geschlagene Schiff, diesen Seelenverkäufer von Gaststätte zu übernehmen. Dessen Wände schimmeln und sind porös. Die uralten Pfannen sind fettverkrustet, die meutermutige Mannschaft seit Jahren taubtrüb durch die Tage getrottet, die Gerichte fettig, grob behauen, das Ambiente schmierig, und über Zukunftsaussichten kann man kaum nachdenken, weil das wirtschaftliche Überleben von Tag zu Tag schon fast am seidenen Faden hängt. Dann hängt da auch noch „Richie“ rum, der verkorkste, ausrastende, zuweilen Drogen dealende, unrund laufende beste Kumpel von Michael, dem Selbstmörder. Der Gourmetkoch kracht also in eine Welt voller Widerstände, die neben Schwierigkeiten im Überfluss vorhanden sind – während es sonst an allem fehlt, bis auf Überlebenswillen.
Es ist dieses kluge Kollidieren von Kontrasten, aus denen die sensationell gute Serie „The Bear“ (Disney+) ihre Kraft und Geschichten zieht, und zwischen denen sie ihre Figuren entwickelt, die fern davon sind, nochmal von den Sternen zu träumen: Aber sich durch irrwitzige Schwierigkeiten aus der Finsternis wenigstens wieder ans Licht buddeln wäre ja schonmal was. In dieser vor tragischen Fallstricken wimmelnden Lage also rauft der Haufen sich zwischen Katastrophen, Bränden, Gesundheitsamt-Nackenschlägen und finanziellen Malaisen zusammen, streitet sich, schlägt sich fast die Köpfe ein und erweckt gemeinsam eine sensationell packende, gute Geschichte zum Leben. Und weil es darin neben allem Zwischenmenschlichen auch um gutes Essen geht, gewinnt die Serie für mich noch zusätzlich an Reiz. Seit Kurzem nun ist die zweite Staffel draußen – und ein Rezept daraus geht seit Wochen schon in US-amerikanischen Foodblogs extrem steil, und das zurecht. Mit der Meinung bin ich auch nicht allein. Wohl nicht zuletzt, weil es auf der einen Seite extrem simpel, zugleich aber auch extrem lecker ist.
In Folge 9 der Staffel wünscht sich „Bears“ Schwester ein Omelette, und Sydney Adamu, dessen ambitionierte Stellvertreterin, lässt einen Butterblock am Messer kreisend in der Pfanne schmelzen, haut drei Eier in ein Haarsieb und rührt sie mit der Gabel hindurch, weil so die glibberige Hagelschnur am Ende nicht in der Pfanne landet und auch kleine Schalenreste draußen bleiben dürfen. Sie gießt die Eiercreme ins brutzelnde Butterbad, fast sinnlich, schön gleichmäßig, sehr dünn, damit es gleichmäßig gart und stockt. Ruckt die Pfanne kräftig vor und zurück, damit das Ei nicht am heißen Pfannenboden festbappt und sie am Ende Rührei statt Omelette servieren kann. Und dann füllt sie Kräuter-Frischkäse aus der Normandie in eine Spritztülle, spritzt einen Strang übers stockende Ei-Rund, schlägt das Omelette wie zwei Flügelklappen darüber, überstreichelt das Ganze auf der Oberseite nochmal mit etwas schmelzender Butter, hackt ein wenig Schnittlauch, den sie darüberstreuselt – und schnappt sich eine Dose mit geriffelten Kartoffelchips, die sie als knusprig-knackigen Crunch darüber zerkrümelt, ehe zum Abschluss die Pfeffermühle mahlend noch ein paar Runden darüber dreht. Was für ein fantastisches Frühstücksfest, was für ein Kracher, bei dem gerade die Konsistenz-Kontraste von knusprig, knackig und butterzart den Gaumen jubeln lassen und die Aromen die Geschmacksknospen begeistern, wenn die Ei-Milde sich die Salzigkeit von Chips und Frischkäse borgt, die Knoblauch-Kräuter-Noten des Käses von den Zwiebel- und Sour-Cream-Aromen umspielt werden. Ganz großes Kino, nicht nur auf dem Bildschirm.
Was braucht man fürs Kartoffelchips-Kräuterfrischkäse-Omelette aus „The Bear“?
Für 1 Omelette
3 Eier
100 Gramm Kräuterfrischkäse („Boursin“ wird hier als Nonplusultra gehandelt, ist aber mitunter schwierig zu bekommen, Le Tartare oder auch Almette als Kräutervariante samt der Discounter-Geschwister tun es in meinen Augen ebenso)
Etwa zwei Esslöffel Butter
frischer Schnittlauch, in Röllchen gesäbelt
Geriffelte Kartoffelchips der Sorte Onion-Sour-Cream, wobei Salt&Vinegar oder einfach gesalzene Chips ihren Job auch gut tun
Frisch gemahlener Pfeffer
erstaunlicherweise kein Salz (wobei Ihr das individuell ja anders händeln könnt)
Equipment:
Ein feines Sieb
Eine sehr gut eingebrannte gusseiserne Pfanne oder eine mackenlos beschichtete

So wird das Kartoffelchips-Kräuterfrischkäse-Omelette
Eigentlich ist oben ja schon komplett beschrieben, wie das Ganze zubereitet ist. Aber der Einfachheit halber auch hier nochmal:
Pro Omelette drei Eier über einem Topf oder einem anderen Behälter in ein feinmaschiges Sieb schlagen und das Ganze mit einer Gabel oder einem Silikonpinsel verquirlen und hindurchrühren.
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In einer Pfanne Butter bei mittlerer Hitze schmelzen und aufschäumen lassen. Wenn’s blubbert, die Eimasse hineingießen und – die Pfanne schwenkend – dünn und gleichmäßig verteilen.
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Bei weiterhin mittlerer Hitze die Eier „anziehen lassen“, wie Arthurs Tochter es nennt. Stocken halt. Dabei aber kontinuierlich kräftig an der Pfanne rütteln. Damit das Omelett nicht am Pfannenboden ansetzt, weil sonst habt Ihr a) Rührei, was nicht schlechter schmeckt, aber optisch weniger hermacht und b) den Spaß, die Pfanne umso gründlicher schonend reinigen zu müssen, wenn jemand anderes auch was abhaben soll und ebenfalls ein Omelett bekommen.

Den Kräuterfrischkäse, beispielsweise Boursin, in einen Spritzbeutel füllen, etwas verkneten, damit er sich gleichmäßig verbunden einschmiegt und ihn als Wurst oder Strang quer über das Omelett drücken. Danach von zwei Seiten zur Mitte einklappen und ein kleines Stückchen Butter noch einmal über die Oberseiten streichen. Ob Ihr den Zinnober noch in der Pfanne veranstaltet, wie in der Serie, oder – wie ich – das Omelett erst auf einen Teller flutschen lasst, bleibt Euch überlassen.
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Schnittlauch hacken.




Das Ganze mit dem frischen Schnittlauch bestreuen und Riffelchips drüber streuen. Danach flugs verspeisen. Guten Appetit!
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Musik zum Omelette
Wenn schon „The Bear“, passen Grizzly Bear doch prima, musikalisch. Hier mit ihrem versponnen, melodieverträumten Dream-Indiepop-Hit „Two weeks“.
Und dann ist da noch dieser seltsam versponnen-jazzige Triphop von L’Omelette. „Bourbon jazz“.
Und vergegenwärtigt man sich den permanenten Druck, unter dem Köche in Sternerestaurants, aber auch die Crew im „The Beef“ schuften, was passt da besser als „Apply some pressure“ von Maxïmo Park?
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Omelette ist eigentlich nicht meine Disziplin, dieses klingt allerdings zu verlockend. Wenn dann aber doch bitte mit Boursin, dessen Konsistenz einmalig ist 😋😊
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Wenn man ihn denn kriegt, dann natürlich gern. Rein aromatisch unterscheidet ihn nicht sooo viel von anderen Kräuterfrischkäsen wie Le Tartare, finde ich. Hier oben ist er schwierig zu kriegen. Und Omelette ist auch nicht meine Disziplin eigentlich. Das Ding ist aber super. Hab nen schönen Start in die Woche!
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moin Ole, das liest sich ja lecker. Eine verrückte Idee ein Omelett mal so zuzubereiten und zu servieren. Aber man bekommt direkt Appetit. Boursin ist aber auch ein leckerer Frischkäse. Ich finde es so schade, dass es keinen Contadou mehr gibt, der war noch besser, etwas fester und noch cremiger.
Liebe Grüße, Karin
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Moin Katharina, in wilden Wochen und Monaten wie hier zuletzt bin ich ein unglaublicher Schlumpf gewesen, wenn es ums Kommentieren und Antworten ging. Sorry dafür. Contadou sagt mir tatsächlich gar nichts und werde ich leider offenbar ja auch nicht mehr kennenlernen können. Ganz liebe Grüße
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