Farfalle mit Lachs, Zitrone, Mascarpone und Dill – unglaublich köstlich. Hier sehr märchenhaft zubereitet.

Es war an einem Samstag, über den Tälern hing noch Nebel, als der kleine Fabio fast seinen Kiefer ausrenkte vor Staunen. Als ihn plötzlich ein Zauber umfing, der ihn selbst Jahrzehnte später nicht loslassen sollte. Im Streit mit seiner Mutter – er hatte sich geweigert, seine Holzbauklötze wegzuräumen und dafür Schimpfe kassiert – war er aus seinem schmalen Elternhaus gerannt, die steilen engen Treppen hangaufwärts geklettert, hinaus in den Wald. Tiefer und tiefer hinein. War über herabgekrachte Äste gesprungen, fort, nur fort. Irgendetwas in ihm war außer sich, obwohl es doch eigentlich nur etwas Ärger ob seines Unwillens war, aufzuräumen. Er rannte und rannte. Tiefer als er je in den Wald hineingerannt war.
Und dann plätzlich sah er aus dem schattigen Dunkel der hohen Buchen und Linden heraus am Rande einer Lichtung eine Rauchfahne aufsteigen aus einem windschief aus Felsblöcken gemauerten Haus, nicht aus Zuckerkuchen wie bei Hänsel und Gretel, das Märchen kannte er.

Er blieb stehen, starr. Starrte. Wie von Ferne drang leise, aber unüberhörbar ein knarziger Singsang an seine Ohren. Knack. Er war auf einen Zweig getreten, der unter seinen Schuhsohlen zerbrach, und erschrank. Wo war er? War das ein Hexenhaus? War dies die Hütte der alten Cecilia, von der sie sich unten im Dorf erzählten und über die sie sich die Mäuler zerrissen? Dass sie verrückt sei, dass sie ihren Mann zu Stein verzaubert und sich mit Hammer und Meißel eine steinerne Gartenbank daraus gehauen habe. Genau genommen hatte man ihn einfach nur ewig nicht mehr gesehen, und die Alten hatten irgendwann zu spekulieren begonnen, was ihm widerfahren sein mochte. Sie sah man nur selten unten im Dorf, vielleicht sogar nur einmal im Jahr. Jedenfalls: wenn Markttag war. Dann ließ sie sich aber gern von den Marktfrauen die größten Wildlachse zeigen, die sie an ihren Ständen zu bieten hatten, forderte sie gern auf, die Fische in die Luft zu halten, damit sie die von überall besehen konnte. Und dann schleppte sie noch Mehl, mutmaßlich für Pasta, iund Zitronen n ihrem Korb bergan. Nie war sie zu irgendwem unfreundlich gewesen, und doch argwöhnte das Dorf – war die Alte doch so seltsam unnahbar und rätselhaft.


Das war, was der kleine Fabio gehört hatte. Und spürte, wie sein Herz raste, bis hinauf zu den Ohrläppchen schlug, fast wie Kesselpauken dröhnte in ihm. Ob irgendwer sonst das hören konnte? Und dann mischte es sich mit Magenknurren, denn er war wohl schon eine Stunde oder länger in den Wald gerannt. Und der Hunger war es, der ihn sich sein pochendes Herz fassen ließ. Vielleicht hatte, wer auch immer dort wohnte, ja ein Herz für einen kleinen hungrigen Jungen, der vor seinen Eltern davongelaufen war. Er erspähte einen spitzen, festen Stock, den er sich verstohlen hinten in die Hose steckte. Wer wusste schon, ob er sich verteidigen müsste? Und dann pirschte er sich näher, ein halbes Dutzend Hühner, das in Staubmulden döste, stob gackernd auf und raste erschrocken ins Unterholz. Er klopfte. Das Singsang verstummte. Kurz darauf öffnete tatsächlich eine Alte die Tür. Falten überspannten ihre Stirn wie das Relief eines Gebirgszuges. „Nanu? Wer bist Du denn und was bringt Dich her?“, fragte sie, mit einer Stimme, knorrig und zugleich dünn wie zu kurz gezogener Tee. „Ich, ich, ich bin Fabio“, stammelte der Kleine. „Ich bin vor meinen Eltern weggerannt, weil meine Mutter mit mir geschimpft hat, als ich lieber weiterspielen wollte und die Holzbauklötze nicht aufräumen. Und… und… und jetzt weiß ich nicht genau, wo ich bin. Und… und… und… ich hab ein bisschen Hunger. Und… und… und… ich habe ein bisschen Angst. Und… und… und… ich möchte nicht, dass Sie mir etwas Böses tun“, stammelte der Kleine.
„Warum sollte ich das tun?“, fragte die Alte verwundert und zupfte an ihrem karierten Kopftuch. „Ich… ich… ich weiß nicht“, sagte der kleine Fabio. „Vielleicht sind Sie ja eine Hexe. Wie bei Hänsel und Gretel. Und dann locken Sie mich ins Hexenhaus und wollen mich im Ofen backen. Ich… ich… habe auch einen Stock, mit dem ich mich wehren kann“, sagte er. „Aber, aber“, sagte die Alte. „Ich würde doch niemals Kinder essen. Und warum sollte ich Dir etwas Böses tun? Du hast mir doch auch nichts getan. Wenn Du magst, komm rein, ich koche tatsächlich gerade. Ich war am Morgen unten im Dorf, habe mir einen Lachs geholt. Den hole ich immer einmal im Jahr am Geburtstag meines Mannes, der vor einigen Jahren beim Wandern abgestürzt und verunglückt ist. Und nichts hat er so gern gegessen wie Farfalle mit Lachs, Mascarpone, Zitronenabrieb und Dill. Heute wäre sein Geburtstag gewesen, und deswegen koche ich für ihn und mich heute Lachs. Möchtest Du seine Portion haben? Er kann sie ja doch nicht essen“, fragte sie freundlich. Und mit einer friedfertigen Geste bat sie den kleinen Fabio hinein. Der folgte vorsichtig, auf Abstand, so ganz traute er der Sache nicht. Und dann traute er seinen Augen nicht.

Denn auf einem kleinen Herd, der auf dem Küchentisch stand, brodelte Wasser in einem rostigen riesigen Kessel, die Alte warf Farfalle in den Topf, sie fielen hinein, erhoben sich kurz darauf aber wieder aus dem Wasser und tanzten – Ja! Darüber! Über dem Wasser! – wie Schmetterlinge in der Luft. Sie flatterten über dem kochenden Gebrodel, während Staub in der Luft der Küche im milchigen, schräg einfallenden Licht glitzerte als sei es Feenstaub. „Was… was ist das?“, fragte Fabio. „Wieso flattern die Farfalle in der Luft?“

„Das, mein kleiner Junge, passiert, wenn man sagt, Liebe verleiht Flügel. Meine Liebe zu meinem Mann ist so groß geblieben, dass sie Nudeln zum Leben erwecken kann. Früher hatten wir beide Schmetterlinge im Bauch. Nun bleiben mir in Liebe die Schmetterlinge im Topf. Und um das zu feiern, dürfen sie doch noch ein bisschen umherflattern vorher, oder?“
Fabio stand, den Kiefer fast ausgehakt, still und stumm in der Küche. Sah Nudeln in der Luft tanzen, das Wasser im Topf blubbern, sah, wie die Alte einen Teil des Lachses, sie hatte ihn offenbar geräuchert, mit einem Damaststahlmesser zerhackte, Zwiebeln schnitt, die Schale einer Zitrone absäbelte, Dill zuleibe rückte, und ein bisschen mulmig wurde ihm. Aber die Alte tat ihm nichts. Ganz im Gegenteil. Fragte ihn freundlich, ob er ihr kurz den Mascarpone vom Tisch reichen könne. Und als die Schmetterlingsnudeln einige Zeit im Wasser weitergetanzt hatten und bissfest gegart werden, schöpfte sie die Nudeln samt einigem Wasser in eine große Schüssel zu den weiteren Zutaten, vermengte sie und tat dann dem kleinen Fabio auf. Der saß immer noch zauberstarr da, verwirrt, verwundert, und dann probierte er. Und zauberhafter hatte auch selten, vielleicht nie etwas geschmeckt, das er je gegessen hatte. „So, mein Lieber, schmeckt Liebe“, sagte die Alte. Und der Kleine aß. Und als er den Teller verputzt hatte, sagte die Alte: „Geh jetzt, mein Lieber. Geh zurück zu Deinen Eltern. Die Sonne wird sich bald senken, und ich möchte nicht, dass sich Deine Eltern sorgen. Und nicht, dass Dir etwas zustößt.“
Und so verabschiedeten beide sich, der Kleine ging zurück. Und noch heute, Jahrzehnte später, umfängt ihn der Zauber des Unglaublichen, wenn er sich selbst Schmetterlingsnudeln mit Mascarpone, Zitrone, Lachs und Dill zubereitet. Die Geschichte, das Erlebte, hat er bis heute für sich behalten. Die Leute hätten sich ja nur das Maul zerrissen.

So wird die Pasta mit Lachs, Mascarpone, Zitrone und Dill zubereitet

Das Rezept für diese Pasta mit Lachs, Mascarpone, Zitrone und Dill ist spontan inspiriert von einem sehr ähnlichen Rezept, das Rachel Roddy in ihrem wirklich wundervollen, preisgekrönten Buch „Pasta – von Alfabeto bis Ziti“ aufführt und auf ein Rezept zurückgeht, das eine Freundin von ihr in der Märzausgabe der Zeitschrift La Cucina Italiana aus dem Jahr 1979 herausgerissen und aufbewahrt hatte. Ich habe es noch um etwas Pfeffer und um in Cranberrysaft mazerierte Zwiebeln ergänzt.
Zutaten:
400 Gramm Farfalle (Linguine, Tagliatelle, Spaghetti, Tagliatelle oder was Euch an Pasta passt, gehen natürlich ebenso)
200 Gramm Räucherlachs (gern wild gefangen, bio und keine fettige Farm-Ware)
125 Gramm Mascarpone
1 Bio-Zitrone, die Schale abgerieben
2 Esslöffel Butter
1 rote Zwiebel, in feine Ringe geschnitten und in einer Schale, am besten über Nacht, mit einer Prise Salz in Cranberrysaft eingelegt
Dill, frisch gezupft
Parmesan
Salz
Zucker
Steak-Pfeffer


So wird die Pasta mit Lachs, Mascarpone, Zitrone und Dill zubereitet



Ausreichend Salzwasser in einem Topf zum Kochen bringen und die Farfalle hineinfliegen lassen und bissfest garen. Nicht zu enttäuscht sein, wenn sie vielleicht doch nicht wieder abheben und nochmal über dem Topf in der Luft tanzen.
Im Bestfall hat man schon einen Tag vorher die Zwiebel gehäutet, in feine Ringe geschnitten und in einem kleinen Nachtischschälchen mit Cranberrysaft und einer Prise Salz, vielleicht auch einer Prise Zucker zudem eingelegt. So saugen sie sich mit dem Saft voll, werden wunderbar pink und die Säure und das Salz entziehen ihnen die bitzigen Bitterstoffe und die zickige Schärfe.

Während die Pasta im heißen Kessel köchelt, den Lachs kleinschneiden und mit dem Mascarpone, der abgeriebenen Zitronenschale und den Zwiebeln in einer Schüssel vermengen. Ein bis zwei Suppenkellen mit Pastakochwasser hineinschöpfen, vermengen.

Die al dente gegarte Pasta abgießen und dann in der Schüssel mit der Mischung aus Lachs, Mascarpone, Zitronenschale und Pastawasser sowie den roten Zwiebeln vermengen. Eventuell mit etwas Salz und einer Prise Zucker abschmecken und mit Steak-Pfeffer bestreuen (der bringt durch die Beimischung von Umami-Aromengebern wie Sellerie noch etwas mehr Tiefe). Dann Parmesan frisch darüberreiben und mit frisch gezupften Dillblättchen garniert dampfend heiß servieren. Märchenhaft lecker. Buon appetito!




Musik zum Menü
Vielleicht hatte es einen Einfluss auf meine Fantasie, dass mir die Idee zum Text und auch die Idee, diesmal ausnahmsweise auch mal KI mit meinen Ideen zum Bebildern zu füttern, kam, während ich das genialisch versponnene, harfenglitzernde Indie-Meisterwerk „Ys.“ von Joanna Newsom gehört habe. Das lief auch während des Schreibens und die märchenhafte Musik hat womöglich Spuren im Text hinterlassen. Wärmstens empfohlen zum Durchhören.
Nun ist das Ganze ja eigentlich ein blitzschnelles Pasta-Rezept und kein ewig mäanderndes Märchen-Epos, für das man im Zweifel sogar eine Stunde lang in der Küche steht, während Joanna Newsom gurrt und schnurrt. Und weil im Rezept auch Zitrone steckt, warum nicht stattdessen die knackige Coverversion der Lemonheads des Simon&Garfunkel-Klassikers „Mrs. Robinson“? Punk auf den Punkt.
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Märchenstunde am Sonntagnachmittag, sehr fein!
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Die sollte es öfter geben 🙂
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😊
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schönes Rezept und schöne Bilder von Chat GPT.
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Danke Dir. Und nach einigem Experimentieren kamen die Bilder dem, was ich wollte, allmählich näher. 🙂 Das Rezept mag ich sehr.
Ganz liebe Grüße
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KI nachgekocht, lecker😂
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Das Rezept selbst ist extrem analog entstanden 🙂
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So – nach der langen und schönen Geschichte hab ich jetzt auch Hunger 🤤
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Wunderschön! Ich mag jetzt auch so einen Teller Liebe ♥
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moin Ole,
dein Rezept für Farfalle mit Lachs ist fast wie mein Rezept Penne mit Lachs. Herrlich. Ich glaub ich muss es mal wieder kochen, hab noch Räucherlachs eingefroren.
Liebe Grüße von Karin
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