
Kürzlich war Wulnikowski in einer Welt versunken, in der Aale, angelockt von Ananaszahnpasta, durch Wasserhähne flutschten und dann jäh zerhackt und zu Pastete verarbeitet wurden. Eine Welt, in der Klarinettentöne in Duke-Ellington-Aufnahmen perlten und Schuhsohlen nachwuchsen. Leute schwankten vor seinen Augen hin und her, um dann der Länge nach wie Kegel aufs Pflaster zu fallen mit dem dumpf schnalzenden Geräusch großer Pappkartons. Eine Welt, in der ein Professor namens Frisstfrist auftauchte und in der Colin und Chloé – mit einer Haut so hell wie Mandelpaste – sich auf der Geburtstagsfeier zu Ehren eines Pudels bei einer Freundin kennenlernten, zu begehren begannen, leidenschaftlich küssten, übereinander herfielen, sich vernaschten, heirateten – und sich das Schicksal auf einer großen Schiffsüberfahrt verdunkelte, als in ihrer Lunge schmerzhaft eine Seerose zu wachsen begann. In der Welt vom „Schaum der Tage“, diesem besonders bizarren, unter aller Surrealität anrührenden Ideenspringbrunnen von Roman, den Boris Vian. Und für einen Moment hatte Wulnikowski überlegt, ob er nicht auch einmal Aalpastete selber zubereiten wollte. Aber Aal in seiner fetten Schwere war ihm seit jeher zuwider. Und wenn, müsste es ja auch einer sein, der sich an Ananaszahnpasta überfressen hatte.
Nun hatte Wulnikowski aber eh schon seinen heiß geliebten Tomatenbulgur – Bulgur pilavi – gemacht, Wohlfühlessen für Tage, an denen er keine Lust hatte, lange in der Küche zu stehen. So simpel, so gut! Bissfest-knackige Bulgurkörnchen, mit einer gehörigen Ladung Umami dank Tomaten und Tomatenmark, um Paprikawürfel ergänzt in einer Brühe zartgekocht, mit etwas Kreuzkümmel und Paprikapulver gewürzt, mit Chili angeschörft, mit Feta oder Hirtenkäse zartschmelzend hüftvergoldet. Wer braucht da Aalpastete? Zumal er beim Lieblingsschlachter noch Bratwurstschnecken entdeckt hatte.
Dann aber kam Wulnikowski eine ganz andere Idee. Schließlich war Schaum am Ende nicht nur aber auch ein Anagramm von Sumach. Und umgekehrt. Und Sumach liebte er besonders, dieses dunkelrote mysteriös-saure Gewürz, das aus den getrockneten und zerriebenen Früchten des Färberbaums gewonnen wird. Einmal mehr dachte er, wie unterschätzt Sumach in hiesigen Breitengraden nördlich des Weißwurstäquators doch ist. Weshalb er spontan „Sumatziki“ gezaubert hatte: Tzatziki mit Sumach statt Zitronensaft. Weil: super. Und weil nebenher gesund: Sumach enthält einen hohen Anteil an Vitamin C, Omega-3-Fettsäuren und entzündungshemmenden Antioxidantien, stärkt so das Immunsystem und neutralisiert freie Radikale. So schützt Sumach, bei regelmäßigem Verzehr, Herz und Kreislauf und soll sogar den Alterungsprozess verlangsamen. „Tut man sich direkt was Gutes“, sagte Wulnikowski zu sich. Dann sah er in den Pott, in dem das Pilaw garte und dachte: „Jedes Mal dasselbe. Am Anfang denkste, wirste davon überhaupt satt? Am Ende kannste damit ne Großfamilie füttern, wenn der Bulgur gequollen ist.“ Also rief er Ada an: „Lust auf Mittagessen?“ „Ich wollte mir grad ne Pizza… aber: Bin gleich da.“
Und dann erzählte auch ihr Wulnikowski von seiner „Sumatziki“-Erfindung. „Sumach… klingt wie ,nu mach doch’“, sagte Ada und lachte keckernd. „Hmjoa.“
„Wie schmeckt das denn?“, fragte Ada, die gerade in einer mitgebrachten „InTouch“ blätterte, die ihr als Wurfsendung in den Briefkasten gesteckt worden war. „Im Grunde wie Zitronensaft. Aber: knuspriger Zitronensaft.“ „Knuspriger Zitronensaft?“ „Genau.“ „Wie kann Saft denn knusprig sein? Flüssig und knusprig?“ „Äh. Vielleicht wie in diesem berühmten Gedicht, dessen Autor unbekannt geblieben ist: ,Ringsumher herrscht tiefes Schweigen und mit fürchterlichem Krach spielen in des Grases Zweigen zwei Kamele lautlos Schach.“ „Ist das nicht von Morgenstern? Dunkel war’s, der Mond schien helle?“ „Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Jedenfalls schmeckt Sumach wie Zitronensaft, ist aber aus getrockneten Steinfrüchten des Färberbaums gewonnen, die als winzige Kügelchen ein wenig am Gaumen knacken oder knistern – weshalb ich Sumach viel spannender als Zitronensaft finde“, sagte Wulnikowski.
„Wenig geht über knacken und knistern“, sagte Ada und grinste. „Und über gutes Essen auch nicht.“
Zutaten für den Tomatenbulgur (Bulgur pilavi)
250 g Bulgur
2 rote Zwiebeln
2 Knoblauchzehen
3 EL Tomatenmark
2 vollreife Tomaten
1 Paprika
200 g Feta oder Hirtenkäse
1 TL Kreuzkümmel
2 TL Paprikapulver
600 ml Gemüsebrühe
2 EL Butter
Olivenöl
Salz
Pfeffer

So bereitet man den Tomatenbulgur zu

Zwiebeln und Knoblauchzehen häuten und fein schneiden. Olivenöl in einen Topf geben – so viel, dass der Boden hauchdünn damit bedeckt ist, auf niedriger bis mittlerer Stufe erhitzen und die Zwiebeln darin goldenglasig schmoren, vielleicht zehn Minuten lang. Dann das Tomatenmark, Kreuzkümmel und Paprikapulver hinzugeben, mitrösten, vielleicht drei Minuten, und auch den Knoblauch mitsimmern lassen.
Die Tomaten vierteln, Kerne und Saft herauslösen, dann würfeln. Das Kerngehäuse und die Samenfäden aus der Paprika schneiden und sie ebenfalls würfeln. Beide mit ins Geschmore geben, mitdünsten und dann den Bulgur hineinrieseln. Die Butter hinzugeben. Unter Rühren noch einige Minuten anbraten, dann mit der Brühe ablöschen.

Den Feta oder Hirtenkäse würfeln und mit dem bisschen Lake, in dem er in der Regel schwimmt, schon jetzt hinzugeben, wenn man daraus eine Art würziges Levante-Risotto machen möchte, wenn man ihn angeschmolzen weich, aber noch in der Kontur haben möchte, gibt man ihn erst fünf Minuten vorm Servieren hinzu. Den Deckel auf den Topf geben, die Hitze auf niedrige Stufe runterschalten und noch etwa eine Viertelstunde lang, vielleicht 20 Minuten ziehen lassen.

Alternative Ergänzungen: Wer den Tomatenbulgur vegan zubereiten möchte, lässt die Butter und den Hirtenkäse weg (beide sind schmückendes Beiwerk) und gluckert ein klein wenig mehr Olivenöl hinzu. Auch fein gewürfelte Gurke, Oliven, Zitronenabrieb, gegrillte statt frischer Paprika, Ofentomaten statt roher Tomaten machen sich vorzüglich, Artischocken haben auch ihren Reiz, vielleicht ein paar Kapern, und Fleischesser unter Euch könnten auch Chorizo im Ganzen oder kleingeschnitten mitgaren. Und wer ein Bratwurstbratgerät besitzt und sich ne Bratwurst brät, hat sicher auch nichts falsch gemacht. Vielleicht sogar einiges richtig. Aber der Tomatenbulgur schmeckt ganz allein für sich schon famos.

Zutaten fürs Tzatziki mit Sumach – oder auch Sumatziki
250 g griechischer Joghurt
200 g Salatgurken
1/ knapper TL Salz
3 Knoblauchzehen
1/2 Bund Dill
1,5 EL Olivenöl
1 EL Sumach
weißer Pfeffer
So einfach geht das Tzatziki mit Sumach – oder auch Sumatziki
Die Gurke waschen, längs halbieren, mit einem Löffel die Kerne mit all ihrer Umgebungsflüssigkeit herausschaben (gern in einem Becher auffangen und sich einen Smoothie daraus zubereiten). Die Gurke dann raspeln (darf grob sein) und das Geraspel in einer Schüssel oder schale mit dem Salz bestreuen, grob verkneten und 15 Minuten ziehen lassen. Die Gurkenraspeln danach in ein Sieb geben und ausdrücken, auf dass die Flüssigkeit abtropft. Den Knoblauch durch eine Presse hinzudrücken. Den Dill feinhacken und dazugeben, ebenso wie Joghurt, Öl und Sumach. Zu einer glatten Creme verrühren.

Musik zum Menü
Auch beim Kochen gilt: „It don’t mean a thing if it ain’t got that swing“. Und wo Colin im „Schaum der Tage“ Duke Ellington so liebt, passt die Nummer hier umso besser.
Namentlich könnten auch „Sumac“ hier perfekt passen. Dass sich ausgerechnet eine wüst ballernde Düster-Grunz-Metal-Truppe nach diesem feinen Gewürz benannt hat, gehört zur besonderen Würze des Lebens. Im Gegensatz dazu steht der fein ziselierte, säuselsanfte Folkpop von Mat Kearney, etwa auf der Hälfte der Distanz zwischen Bon Iver und Jack Johnson. Auch er hat „Sumac“ besungen. Hypsch!
Und dann gibt es hier – auch mit einiger monumentalen Wucht „Sumac“ von Murmansk. Was schon auch ein bisschen sehr irre ist. Was zum Roman von Boris Vian passt.
Mindestens ähnlich irre: „Sumac“ von Chaino, hypnotische Bongo-Grooves und perkussive Polyrhythmik, ein irre verhallt „Sumac“ keckerndes Stollentroll-Stimmchen… und dann noch ein Kunstpfeifer, der womöglich auch erstmals 1954 auf der Zuchtbullen-Versteigerung in Hannover öffentlich gepfiffen hat.
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Wundervoll klingt das mit dem Sumach – und ich habe ihn immer noch nicht ausprobiert…
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Jetzt habe ich doch glatt Schimanski gelesen und dachte, nanu, Currywurst, oder was 🙈 Aber das Weiterlesen hat dann großen Spaß gemacht. Danke schön !
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