Über Tage hätte ich mir am liebsten eine Papptüte über den Kopf gezogen. Wohin man auch sah in sozialen Medien: Aurora hier, Aurora da, schöne Polarlichthimmel, tralala. Und ich? Von Kreischkrümelkrähen umfangen, von Müdigkeit verpeilt, vergessen, nix gesehen. Was eh schwierig geworden wäre, wo doch die ostfriesische Tiefebene in jenen Nächten plötzlich von watteweichen blickdichten Wolkenschichten überwölbt war. Und so gibt es hier stattdessen Rebellisches aus der Mottenkiste. Denn bis vor einigen Jahren wäre nichtmal auf die Idee gekommen, noch hätte ich geahnt, dass zu Pusteblumen verblühte Löwenzähne für flüchtige Bruchteile von Sekunden zu flammenden Gestalten werden können. Was ich zumindest an einem Abend mal für poetische Porträts genutzt habe. Fast so schön wie ein verpasstes Naturphänomen, das ich mir eventuell in diversen Jahrzehnten nochmal ansehen kann. Zu Pusteblumen: Grundsätzlich lasse ich die kleinen Sporenhelikopter selbstredend gern unflambiert heil, wo ich die von Löwenzahnblüten übersäten Weiden doch so mag. Aber: Hättet Ihr’s geahnt oder gewusst?
Zurück zur Papptüte. Genau darin lauert ja manchmal lauert das Unbekannte, etwa in der Küche. Ein paar Stengelchen ragen keck heraus, grünzarte runde Blättchen hängen daran. Postelein? Ein verniedlichtes Postamt, das sich in Salat verwandelt hat, ist mit den Gemüsekisten in der Küche gelandet. Von der Konsistenz und von den Aromen her ähnlich zart und mild wie Feldsalat. Vielleicht einen kleinen Tick weniger nussig. Sehr gefällig, bescheiden, schlicht raffiniert. Und das Hirn rattert los, was am besten tun damit. Weil auch noch Radieschen mit in der Kiste stecken, gibt es als ersten Versuch ein Hummus damit, mit Radieschen, Kichererbsen und Tahin: Nicht unspannend, doch auch nicht so umwerfend, dass es hier tiefere Erwähnung verdiente. Die aber verdient der schlicht-fruchtige Salat, dem das Postelein zärtlichen Biss und einen fein-nussigen Aromenhauch verwandelt, uneitel, denn er bringt sich wundervoll ein, lässt aber auch anderen Aromen die Bühne.
Und so unscheinbar er sich gibt, hat einer der Götter womöglich besonders erfolgreich Nährstofftetris darin gespielt, denn Postelein – eng verwandt mit Portulak – ist pickepackevoll davon: So stecken in 100 Gramm Salat 95 Milligramm Calcium, 150 Gramm Magnesium, 3,6 Gramm Eisen und 70 Milligramm Vitamin C. Da können andere Salate nicht mithalten! Und dann nehmt noch dies: Postelein enthält kaum schädliches Nitrat, das sich oftmals bei Blattsalaten findet, die im Winter aus Treibhäusern kommen.
Ich jedenfalls mag in Salaten das Zusammenspiel der grünen Blätter, von Gemüse, insbesondere aber auch von frischen Kräutern, insbesondere aber auch Früchten mit der Herzhaftigkeit von Käse, sei es nun Parmesan oder auch Feta oder Hirtenkäse. Und gern auch Chilischärfe.
In diesem Fall nun habe ich Postelein und Kopfsalat in einer Orangen-Kräuter-Vinaigrette mit Orangenscheiben, Zwiebeln, Hirtenkäse, Blaubeeren und Parmesan gepaart – und in der zweiten Runde zudem mit Himbeeren.
Wie viel raffinierter auch eine Vinaigrette dank frischer Kräuter wird: wenn Zitronenverbene und Zitronenthymian ihre zitrusfrischen Aromen einbringen, Thai-Basilikum und Estragon zarte Anis-Noten und weitere komplex-köstliche Geschmacksnoten beisteuern, vielleicht auch Kerbel, ein wenig Petersilie oder Oregano mitspielen dürfen. Rosmarin landet bei mir eher seltener in Vinaigrettes, weil er so ein Selbstdarsteller ist, der dauernd im Rampenlicht stehen muss oder den Ball haben muss und nicht wieder hergibt.
Und so wenig das hier gekocht ist und so viel, viel besser mein schon vor Wochen veröffentlichter Beitrag zur Wildkräutersuppe mit Giersch, Gundermann, Bärlauch, Brennnesseln und Knoblauchrauke hier passen würde, ist es doch einer, der passt zur „Kreativen Kräuterküche„, die die wundervolle Zorra sowie „Lecker Bentos und mehr“ als Gastgeberin für diesen Monat ausgerufen haben. Und für mich als Liebhaber frischer Kräuter in der Küche natürlich dringendster Grund, nach zu langer Pause mal wieder einer der tollen Aktionen bei Zorra beizuwohnen.
Zutaten für den Salat mit Postelein, Orangen, Feta und Kräuter-Vinaigrette
Eine Schüssel voll Portulak und Kopfsalat, gemischt (keine Ahnung, wie schwer die so sind) – wer kein Postelein oder Portulak bekommt: Feldsalat oder zarter Baby-Spinat sind gute Alternativen.
1 kleine rote Zwiebel
2 Orangen, gern unbehandelt
1 kleine rote Chili
etwa 150-200 g Hirtenkäse, gern cremig
1-2 Handvoll frische Kräuter (gern Zitronenverbene, Zitronenthymian, Thai-Basilikum, Kerbel, Estragon=
Blaubeeren
Himbeeren
Parmesan
Olivenöl
Balsamico-Essig
Salz
Senf
So wird der Salat mit Portulak zubereitet
Die grünen Blattsalate waschen, trockentupfen und kleinschnippeln nach Gusto: Portulak hat relativ lange stängel, die schlürft man sonst fast wie Spaghetti, und Kopfsalat zerkleinert erleichtert das Verschlingen, sonst kaut man ewig. In die Salatschüssel umziehen lassen.
Eine Orange halbieren und in einen Mixbecher auspressen für die Vinaigrette; wenn es unbehandelte Orangen sind, die Schale gern mit dem Zestenreißer oder einer Reibe abhobeln. Die Schale gern auch bei der zweiten Orange abreiben.
Etwa 150ml gutes Olivenöl, Leinöl oder Rapsöl oder eine Mischung daraus mit in den Mixbecher gießen, 1 Teelöffel mittelscharfen Senf dazu, einen Schluck Balsamico-Essig, eine gute Prise Salz sowie die Kräuter und eventuell die Orangenschale – und das Ganze dann mit einem Pürierstab zu einem homogenen Ganzen pürieren.
Die zweite Orange ihrer Schale entledigen und dann in feine Scheiben schneiden. Die rote Zwiebel häuten und in feine Ringe schneiden. Die kleine Chilischote halbieren, entkernen und fein ringeln. Den Hirtenkäse würfeln und samt Lake in die Salatschüssel geben – samt der Zwiebel, der Chilischnitze und der Orangenscheiben, als Postelein- und Kopfsalatnachbarn. Frische Himbeeren und Blaubeeren oder auch Brombeeren hinzugeben. Die Vinaigrette darübergießen und gut vermengen. Gern noch Parmesan darüber hobeln für kräftige Umaminoten und mehr Vollmundigkeit.
Musik zum Salat
Salat, mit und ohne Postelein, und grüne Kräuter sind so herrlich frisch. Da passt dann doch auch „Agent Fresco“, oder? „Pianissimo“.
Wo so viele von Euch die Aurora gesehen haben: Hier könnt Ihr Aurora hören! Und weil Postelein in manch verborgenem Garten gedeiht, hier „Secret Garden“ von Aurora.
Und weil es sich zuletzt inmitten der Frühlingsblüte ja fast schon ein wenig nach Sommer angefühlt hat, passt auch „Changing of the seasons“ von Ane Brun hier prima, finde ich.
Und Postelein, Portulak (Hauptsache Italien) – beides Salate, über die man auch auf Partys nützes Halbwissen einstreuen und austauschen kann. In jedem Fall hat man was, worüber man sprechen kann – und was auch noch köstlich schmeckt. Und dazu passt „Something to talk about“ von Badly Drawn Boy.
Vielen Dank für deine Teilnahme. Da hast du uns ja ein wirkliches Vitaminwunder kredenzt. So ansprechend der Salat aussieht genauso lecker liest sich das Rezept mit dem fruchtigen Kräuterdressing.
Sonnige Grüße
Danii von Lecker Bentos und mehr
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Mit Orange, das liest sich ganz wunderbar. Leider ist mir das Postelein mit dem letzten Umzug verlustig gegangen
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Wunderschön in Szene gesetzt hast du den Salat lieber Ole und mit der Orange bestimmt ganz erfrischend und richtig lecker.
Liebe Grüße
Britta
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