
Draußen, hinter den Inseln, türmt sich das Unwetter, braut sich in rabenschwarzer Düsternis zusammen, als hätte Radziwill es auf eine Leinwand geklatscht – und kracht dann über der Küste nieder. Wo gerade noch Kinder im feinen Sand nach Muscheln buddelten, steht Momente später das Wasser zentimeterhoch. Eben noch vom Winde verwehte Sommerfrisuren kleben unter Friesennerz-Kapuzen gekauert wenig später kalt geduscht am Kopf. Statt nach Eis sehnt das Herz sich nach Grog. Sturm zerzaust die Haare von Mädchen, die am Strand – sowas macht man doch nicht! – Möwen füttern. Aber gut, so schwindet deren diebischer Heißhunger auf Krabbenbrötchen. Und der Sturm wirft sie umher wie Schmetterlinge. Regengüsse schwemmen das Salz aus den Pommes, die selbst wie schlappe Seekühe in ihren Pappschalen zu ertrinken drohen. Ein Sommer, so schrubbelig, dass man ihn nichtmal in der Pfeife rauchen könnte: viel zu nass! Ein Sommer, der dich mit gebrannten Mandeln in die Kissen drückt, einfach, weil er es kann.

„Wenn jetzt doch Yvonne Catterfeld einfach da wäre“, sagte Wulnikowski und lenkte mit dem Zeigefinger einen Wasserfall über die linke Augenbraue zur Schläfe. „Yvonne Catterfeld?“ Ada war so perplex, dass ihre Stimme kurz Purzelbäume schlug. „Äh… Ja?“
„Reiche ich Dir nicht?
„Doch?! Aber…“
„Warum zur Hölle dann Yvonne Catterfeld? Was willst Du mit ‚ner Sängerin, deren dünnes Stimmchen klingt wie zu kurz gezogener Tee und die doch mit ,Ulf‘ von Stromberg verheiratet war?“
„Heißer Tee wäre jetzt was. Und: Ist sie nicht mehr? Ich wusste nicht mal, dass sie das war.“
„Lenk nicht ab!“
„Was ich mit Yvonne Catterfeld will?“
„Ja.“
„Na, guck mal in den Himmel… und die hat doch damals gesungen ,für Dich schiebe ich die Wolken weiter’!“

Kurzzeitig verspürte Ada die Sehnsucht, sich mit dem flachen Handrücken gegen die Stirn zu schlagen. Sie widerstand, schluckte den Impuls runter, fragte nur: „Tee?“
„Ja. Und was Warmes, Deftiges! Sobald wir es mit dem Rad durch die Sintflut nach Hause geschafft haben.“
„Sofern Du nicht vielleicht doch noch übersinnlichen Kontakt zu Yvonne Catterfeld herstellen kannst.“
Wulnikowski hielt sich zwei Finger an die Schläfe, schloss die Augen, sagte „ommmmm“, aber: Nichts. „Yvonne versteht mich nicht.“
„Aber ich“, sagte Ada und lachte. „Komm, los. Was essen wir eigentlich?“
„Es sind noch dicke Bohnen in der Gemüsekiste. Die müssen wir nur noch palen. Und Knoblauch. Und bunte Möhren. Und Kartoffeln. Und nen Ofen.“
„Du sagst ,die müssen wir nur noch palen’, als ob ich wissen müsste, was das ist. Pulen kenne ich.“
„Man pult Krabben. Man palt Bohnen. Ist dasselbe eigentlich: aus der Schale oder Schote lösen. Macht man mit Erbsen oder Bohnen.“
„Und warum darf das nicht Pulen heißen?“
„Was weiß ich? Warum ist die Banane krumm?“
„Weil niemand in den Dschungel zog und die Banane gerade bog.“
„Ach, jetzt wo Du’s sagst. Schlecht gelaunt?“
„Büschn. Weil: Hungrig.“
„Na dann los.“

Und so zogen sie die Kapuzen fester, petteten in sanft geschwungenen Kurven am Deich entlang, während Sturm und Regen sie unsanft mit kaltem Nass einseiften, an ewig scheinenden Feldern vorbei unter dem Düstergrau der Wolken hindurch. Und zuhause konnten sie sogar ihre Unterhosen auswringen, so nass war alles geworden. Und sie verfluchten sich kurz, keinen Rum für Grog im Feriendorf mitgenommen und mitten im Sommer keine dicken Wollpullis in die Reisetaschen gestopft zu haben.

Und so palten oder pulten sie ein wenig vor sich hin, und der riesige Berg grüner Bohnen war so ganz ohne Schoten und seltsame Gummihaut plötzlich winzig, aber Kartoffeln und Knoblauch und Kräuter und Möhren waren ja auch noch da. Und Wulnikowski erinnerte sich an ein köstliches Gericht, das er im famosen Kochbuch „365“ von Meike Peters mal entdeckt hatte.

Und all das Gemüse landete gemeinsam in einer Auflaufform, die landete im heißen Ofen, das heiße Essen knusperte darin auf und die Aromen dufteten, und das Ganze landete auf Tellern, dann in ihren Mägen – und sie sahen, dass es gut war.

Und sie schmeckten es. Und draußen schickte der wütende Regen Trommelwirbel an die Fensterscheiben, und Wulnikowski sah hinaus und murmelte dem Regen zu: „Du kommst hier nicht rein. Das ist wie mit Schildern für Hunde vor der Schlachterei: ,Wir müssen draußen bleiben.’“


Zutaten für die Ofenkartoffeln mit dicken Bohnen, Knoblauch und Möhren
750 Gramm Kartoffeln
400 Gramm dicke Bohnen, aus der Schote geholt und gepalt oder gepult
3 Möhren, geschält, in Stücke geschnitten
2 große Knollen Knoblauch, horizontal halbiert
frischen Majoran
frischen Zitronenthymian
6-7 Esslöffel Olivenöl
Meersalz
schwarzer Pfeffer

Ofenkartoffeln mit dicken Bohnen, Knoblauch und Möhren: So bereitet man sie zu
Hauptarbeit für alle, die die dicken Bohnen aus dem eigenen Gemüsegarten geerntet oder vom Markt frisch geholt haben: Schoten aufschlitzen, Bohnen rauszupfen und palen oder pulen, sprich: aus ihrer gummi- oder wachsartigen Schicht herausholen. Geht gemeinsam aber relativ fix und kann auch ein bisschen Spaß machen.

Die Kartoffeln schälen, in Scheiben schneiden und in Salzwasser etwa zehn Minuten lang vorkochen. Mit einer Schöpfkelle aus dem Wasser holen und beiseitestellen. Im sprudelnd kochenden Wasser jetzt noch die Bohnen fünf Minuten lang blanchieren, bis sie bissfest sind. Wer es klarer möchte, kann natürlich das schon stärkehaltige Kartoffelkochwasser abgießen und neues Salzwasser für die Bohnen aufsetzen: dauert aber länger und der Unterschied in der Konsistenz ist vernachlässigbar.
Nun auch die Möhren schälen und in Stücke schneiden und den Knoblauch in Hüfthöhe horizontal halbieren.

Die Bohnen abspülen – und gemeinsam mit den Kartoffelscheiben und Möhrenschnitzen und den Knoblauchhälften in eine ofenfeste Auflaufform bugsieren und mischen. Eine Handvoll frischen Majoran sowie abgezupfte Blätter frischen Zitronenthymians dazugeben. Das Ganze mit Meersalz und Pfeffer würzen und mit kräftig Olivenöl begluckern und behutsam vermengen, damit möglichst viel Oberfläche mit Öl benetzt ist und möglichst wenig vom Vorgekochten schon zerfällt.

Das Ganze nun etwa eine Dreiviertelstunde lang (habt Euren Ofen im Blick!) rösten, bis alles knusprig-golden ist. Dann den restlichen Majoran darüber drapieren und am besten heiß verschlingen (Fotos hiervon gibt es keine, der Hunger war zu groß).

Musik zum
Ich pale, Du palst, wir palen, Ihr palt… dazu kann man prima „Pale“ hören (und Pale Ale trinken), zumal, wenn man zu lange weg war, draußen, im klirrend kalten, klatschnassen Sommerregen: „I’ve been away for so long, outside, here, yeah…“, bitteschön: die auch heute noch grandiose Emo-Hymne „Teenage heaven“.
Der kleine November möchte bitte aus dem Juli abgeholt werden. Da darf der Sommer auch nach Herbst klingen, zumal so wuchtig und traumtoll wie in „Orestes“ von A Perfect Circle.
Kaum ein Song symbolisiert für mich in ähnlicher Weise die Urgewalt, wie sich Wolken Schicht um Schicht türmen, verdichten, emporwallen und dann krachend zum Gewitter bersten. Auch wenn das mit dem Text nichts zu tun hat. Aber dieses Stück ist unbändige Wucht, raue Schönheit, kathartisch reinigend: „Vortex surfer“ von Motorpsycho.
Dasselbe kann man auch über „Your hand in mine“ von Explosions in the Sky sagen. Legendäres Postrock-Epos. Wildschönes Wunder. Und Explosions in the Sky… hey, hier geht es ja um Unwetter.
Und dann sind da ja noch die Bohnen, die mich durchaus die Bohne kümmern. Daher: „Beans“ vom famosen Chilly González.
Nun ja, und wo der Song im Text doch so prominent platziert ist: Last and least… „Für Dich“ von Yvonne Catterfeld.
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Das sind ja wirklich tolle Fotos, das Wetter ist echt zum k…., es scheint an der Nordsee aber noch schlimmer zu sein als an der Ostsee. Und natürlich auch ein super Rezept mit dem ganzen Knoblauch. 😉 Liebe Grüße Cornelia
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moin Ole,
herrlich, deine Geschichte von der See mit den wundervollen, dramatischen Fotos. Und deine dicken Bohnen mit ein „bisschen“ Knofel und Kartoffeln und Möhren sehen phantastisch aus. Würd ich jetzt gerne probieren. Ob du mir eine kleine Kostprobe beamen könntest?
Liebe Grüße, Karin
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Eine wunderschöne Geschichte über das Puhlen und Palen, in dem Yvonne Catterfeld auch ihren Platz fand 😉 Auf jeden Fall würd ich gerne ein bisschen blauen Himmel rüberschieben, oder zumindest „für dich die Wolken weiterschieben“.
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