
Wenigstens schien die Sonne wieder. Märzenbecher wiegten ihre Köpfe in der milder gewordenen Brise. Staub tanzte in schrägen Lichtstrahlen, und draußen vor der Küste glitzerte das Meer. Um den aus der Irrnis der Welt gewobenen Schattenschleier abzustreifen, der seit Wochen sein Gemüt dunkel umhüllt hatte, war Wulnikowski spazieren gegangen. War bis zum Strand gelaufen, von dem man sagt, dass dort vor Jahrhunderten Piraten gelandet und Schätze vergraben haben sollen. Und Walfänger harpunierte Kolosse mit rostigen Klingen zerlegt, um danach ihre Gärten mit den Skelettknochen zu umzäunen. Plötzlich, vor den Füßen, lag am Wegesrand ein Zettel, hastig und windschief eng bekritzelt. Ein Brief vielleicht? Wulnikowski hob ihn auf und las.
„Melodien, durch tadellose Zähne gepfiffen, in die Untiefen des Gedächtnisses geschlängelt, später vor dem heimischen Herd wiederholt. Vielleicht auch vor dem Spiegel neben der Tür. Man sagt, gepfiffene Melodien könnten das Wetter über der Stadt verändern. Schaum löst sich auf. Eiswürfel verlieren ihre Furchen, verwandeln sich in weiche, glänzende Bälle – wie Seifenblasen, die in einer Spülschüssel voller Wasser liegen geblieben sind. Nach dem leichten Regen sind die Äste der Weiden wie nasse Finger, die in wolligem grünem Haar spielen. Automobile werden zu schwarzen, hinter dunstverhangenen Motorhaubenlichtern hergleitenden Düsenkisten.
Auf satinsanften Trottoirs bewegen sich Gestalten, Schulter voraus, den Scheitel geneigt, wie ein Schild gegen das nasse Schrot der Regentropfen. Blinde trommeln mit den Fingern in der weichen Luft, während sie sich Bordsteinritze für Bordsteinritze ihren Weg ertasten. Eine Schwarzhaarige mit papierkantenscharfem Scheitel schnippt ihre Kippe in den Gulli. Es heißt, Schlangen werden eine Weile blind, bevor sie sich zum letzten Mal häuten. Eine Frau hält sich flink die Hand vor den Mund. Die Augen hat sich nicht rechtzeitig zuhalten können, so ist ihr Lachen dort herausgeflogen gekommen. Irgendwessen Wut strömt in blauschwarzen Rinnsalen über den Wohnzimmertisch gegenüber, lässt den Kristallkerzenhalter beschlagen, weicht das Tischtuch auf. Das Tafelsilber ist glitschig geworden. Ein Eichhörnchen ist auf den Baum geflitzt, um dem Krankenwagen mit Blaulicht hinterherzuspähen. Scheinwerfer zucken wie Würmer. Alles Betörende kann an einem Neugeborenen Spuren hinterlassen: Melonen, Kaninchen, Glyzinien. Keine Blitzstrahlen, keine Donnerfluten. Alibi, Mieze oder Spielzeug? Sardinenbrotrinde.“
Wulnikowski las. Zweimal. Dreimal. Runzelte die Stirn. Seine hermeneutischen Versuche, irgendeine Bedeutung in den Worten zu finden, rutschten immer wieder ab wie auf schmierseifigen Kinderrutschen. Nicht nur die Welt war irre geworden, auch die Briefe oder bekritzelten Zettel am Wegesrand. Zwei Passanten kamen ihm entgegen. Wulnikowski erreichten Gesprächsfetzen über Politik, die Welt, klar verständlich drang nur der Satz durch: „Je älter ich werde, desto überzeugter bin ich, dass dieser Planet von anderen Planeten als Irrenhaus des Universums genutzt wird.“ Wulnikowski legte den Zettel zurück. Es war ja nicht seiner, und vielleicht bedeuteten irgendwem die Worte viel, die er nicht verstand. Derweil fummelte er einen großen, dicken Keks aus seiner Jackentasche. Einen seiner Lieblingskekse, die er seit einiger Zeit immer wieder buk, und in denen sich das Irre der Welt mit „lecker“ verband. Irre lecker. Wulnikowski musste über seine eigene Idee grinsen – und auch über die Erinnerungen daran, wie fast fassungslos Ada geguckt hatte, als er ihr einen der Kekse zum Probieren gegeben hatte. Um ihr dann zu verraten, dass darin neben weißer Schokolade und getrockneten Cranberrys oder Sauerkirschen Feta eine der Hauptzutaten war. „Feta? Wie irre bist Du denn?“, hatte sie gefragt. „Naja, komm, Du magst auch Käsekuchen. Und in Käsekuchen ist Frischkäse oder Quark oder beides. Feta ist da doch nicht so viel anders, nur noch etwas charakterstärker – und er kontert das Süße mit seiner Salzigkeit geschickt. Und die getrockneten Sauerkirschen und die Zitronenzesten bringen das Ganze mit ihrer feinen Säure und ihrer Aromenfrische in spannenden Einklang.“
Gefunden hatte er das Rezept im wundervollen Kochbuch „Greekish“ von Georgina Hayden. Darin unternimmt sie von der traditionellen griechisch-zypriotischen Küche ihrer Kindheit aus kreative Ausflüge. Sie selbst schreibt darin: „Der Feta ist nicht als Schock gedacht, vielmehr ergänzt er die salzige Note, die diese Kekse wirklich besonders macht. Süß, mit Biss, sauer, salzig… ich höre gleich auf zu schwärmen, wenn Sie versprechen, sie zu backen.“ Und Wulnikowski hatte selbst Zitronenzesten hinzugedacht und sich gefreut, wie gut das passte. Er nahm noch einen Bissen, von violett aufragenden Krokussen fast neidisch beäugt. Und er dachte, so irre und düster so vieles sich zuletzt anfühlt, so sehr man schaudern mag über so vieles in der Welt: Ein richtig guter Keks und Frühlingssonne sind in solchen Momenten genau das Richtige.

Zutaten für die Cookies mit Feta, weißer Schokolade und Cranberrys
160 Gramm Butter
100 Gramm weiße Schokolade
100 Gramm heller Rohrzucker
100 Gramm Kristallzucker
1 großes Ei, bevorzugt Bio
275 Gramm Mehl
1/2 Päckchen Backpulver
1/2 Teelöffel feines Meersalz
100 Gramm Feta oder Hirtenkäse, bevorzugt cremig
75 Gramm getrocknete Sauerkirschen oder Cranberrys
abgeriebene Schale/Zesten von einer unbehandelten Bio-Zitrone
evtl. 3 Esslöffel Milch

So werden die Cookies mit Feta, weißer Schokolade und Cranberrys gemacht
Die Butter in einem kleinen Saucentopf bei niedriger bis mitttlerer Hitze schmelzen und schmurgeln lassen, bis sie goldbraun wird und ihre Bestandteile sanfte Röstaromen annehmen.


Die weiße Schokolade kleinbrechen oder -hacken. Wer kräftige Karamellnoten mag, gibt sie hinzu und lässt die weiße Schokolade für ein paar Minuten mitziehen und karamellisieren, Karamell aus weißer Schokolade ist schließlich schon für sich ein Traum. Wem die Karamellnoten, die während des Backens entstehen, reichen, gibt sie in eine Schüssel und gießt die heiße nussige Blubberbutter an. Mit einem Holzlöffel glattrühren, dann in eine Küchenmaschinenschüssel geben und abkühlen lassen.
Beide Zuckersorten und das Salz einrieseln , die getrockneten Cranberrys oder Sauerkirschen sowie die Zitronenzesten hinzupurzeln lassen, und das Ganze zu einer glatten Masse vermengen. Kurz danach das Ei hineingeben – und auch den Feta vom Maschinenteigschlegel kräftig einkneten und mit der Creme eins werden lassen. Danach peu à peu, weiterknetend, das Mehl und das Backpulver hinzugeben.

Den Teig etwa eine Stunde lang zugedeckt draußen in der Nachtkühle ziehen lassen, vielleicht noch einen Tick länger. Oder im Kühlschrank. Kurz vor dem Reinholen den Backofen auf 200° Ober-/Unterhitze vorheizen, damit die Hitzwucht die Kekse beim Reinschieben sofort erwischt.

Zuvor kann man den Teig mit dem Eisportionierer in gleich große Portionen auf ein mit Backpapier oder einer Backmatte ausgekleidetes Backblech klecksen. Hier aber einmal die Konsistenz testen: In meinem Fall war der Teig schon ein bisschen sehr bröselig und eher geneigt, als aromatische Streuseldecke auf einem Apfelkuchen zu landen (auch ne geile Idee!). Da könnten vielleicht drei Esslöffel Milch helfen, einmal behutsam eingeknetet. Bevor das Ganze auf dem Backblech zerfällt und die Minikrümel allzu rasch dunkel werden.


Die gleich großen Klümpchen dann für etwa 15 Minuten im Ofen goldgelb backen. Die genaue Dauer variiert je nach Ofen und Keksgröße mitunter schon deutlich. Schaut insofern einfach zu – oder regelmäßig nach.
Die fertigen Kekse dann frisch servieren, oder – gut vorm Krümelmonster geschützt – in luftdichten Dosen aufbewahren und nach und nach genießen.

Musik zum Menü
Ich gebe meine Stimme gern für diese fantastischen Feta-Schoki-Cranberry-Kekse. Frank Zappa wiederum hat in „The voice of cheese“ dem Käse selbst ja sogar eine Stimme verliehen: Suzie Creamcheese. Das ist jetzt nicht wirklich Musik. Aber irre. Und damit definitiv passend zur Welt und zum Beitrag.
Ebenfalls irre, wobei die Welt ja gerade auch durchaus in Disharmonien und Windschiefen dröhnt, ist auch das Frühwerk von Modest Mouse. Und gleich mehrere dieser genügsamen Mäuse essen aber gern Käse: „Mice eat cheese“.
Knapp 100 Jahre, nachdem das Homokord Orchester fragte, „Wer hat den Käse zum Bahnhof gerollt?“, habe ich Käse in Keksen verbacken. Wer hätte beides gedacht?
Und die „Moldy Peaches“ fragen: „Where’s the cheese gone?“ Na, in den Keksteig!
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Kekse für das Irrenhaus des Universums, besser geht’s doch nicht 😅😉😋
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Auch da darf es knuspern. 🙂
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😊
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Moin Ole,
du hast ja wieder ein irres Rezept ausgegraben und ausprobiert. Aber ich muss sagen, einen kleinen Keks würde ich wohl doch probieren wollen.
Liebe Grüße, Karin
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Tausendundeinen Dank, Dir! Ich bin übrigens sicher, nach dem ersten Keks möchtest Du mehr als nur einen. 🙂 Und Danke, dass Du mir vom Leben so eingebundenen treulosen Tomatensalat so verbunden bleibst!
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fühl dich umarmt, Ole. Deine Beiträge auf deinem Blog sind immer so erfrischend und die Rezepte oft ungewöhnlich zu lesen, da bleibt man doch gerne dabei und freut sich schon auf das nächste was kommt.
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Moin lieber Ole,
Alles Betörende kann an einem Neugeborenen Spuren hinterlassen. Was ein Satz, es echot in mir ein tiefes zustimmendes Brummen. Dann Kekse. Diese süßen kleinen Trostinseln im Weltschmerzmeer. Das schwappt grad Kavensmänner, ein Tsunami des Größenwahns nach dem anderen flutet die Küsten der Demokratie. Das Cookiesfetarezept liest sich wie ein höchst opulentes Sinnenrauschen. Zum Haarebergestehen lecker klingt das und wie immer garnierst Du diesen Kulinarkracher noch mit Bild und Ton.
Aber bitte mit Käse!
Bitte richte Herrn Wulnikowski meine liebsten Grüße aus,
leicht heuschnupfig,
Amélie
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Die Grüße richte ich sehr gern aus! Und tausendundeinen Dank für abermals solch liebe Worte! Leicht haselpollenallergische Grüße zurück!
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Uh, das ist tatsächlich ungewöhnlich lieber Ole! Muss ich uuuuunbedingt ausprobieren!!! 🙂
Alles Liebe zu dir!
Maria
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Heute schon zum zweiten Mal in der Mache für ein Geburtstagskind. Herrlich ❤️
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