
„Rutscht dat Ding dir aus
Gehse dann nach Haus
Voll… Currywurst
Auf’m Hemd, auffer Jacke
Ker watt ist datt ’ne Ka…,
alles voll Currywurst“
(Herbert Grönemeyer, Currywurst)
Schlapp. Schlapp. Badelatschen klappen zwischen Hacke und Asphalt. Bauchmasse wuppert im Takt der Schritte. Strickweste: kariert. Leo schlurft aus dem Waschhaus. Schlapp. Schlapp. Er schnauft. Seine Stirn glitzert. Schweiß perlt die Schläfe hinab, verheddert sich im Haarkranz. Der ist bald durchnässt. Vier fünf dicke Strähnen hat er quer über den Kopf gekämmt. Wirkt fülliger dann.
Hände waschen? Pfeif ich drauf. Die soll’n erstmal die Waschbecken putzen. Nächstes Jahr wieder anne Mosel. Die Campingplätze in Deutschland sind sauberer. Aber mit Putzen hamses im Ausland ja auch nicht so. Außer in Singapur. Da klicken ja schon die Handschellen, wennde ne Kippe auffen Bordstein wirfst. Aber Stromkabelsalat quer über die Straßen. Seit wann gibt’s Heidi Kabel eigentlich schon nicht mehr?
Schlapp. Schlapp. Zurück zum Wohnwagen. Wenig Wind heute. Die Flagge baumelt träge runter. Streichelt die „Schüssel“ aufm Dach. Schwarzrotgoldenes Trauerflor fast. Seit dem letzten Sturm mit Paketklebeband festgemacht.
Schlapp. Schlapp. Leo plumpst in seinen Campingsessel im Vorzelt. Dort sitzt er immer und observiert den abgezirkelten Wegstreifen in seinem Sichtfeld. Man muss ja auch wissen, was so los ist.
Da schleicht der Holländer wieder. Ne Käsehaut hat der, gelb, milchig, eingedellt. Wie mit’m Holzschuh eingeschlagen. Und auch sonst. So würd ich ja nie. Nee. Im Leben nich. Senfiges Haar und Schnurrbart wie’n toter Schwalbenschwanz. Kähähä. War wohl abwaschen. Abwaschen. Das ist doch keine Männerarbeit! Dessen Frau würd ich was erzählen. Hat die ganze Männlichkeit aus ihm gesogen, die kleine Hexe. Wieder so ein Einsachtziger mit einem Weibchen, das ihm grad bis an die Uhrentasche reicht. Lang und lütt gibt guten Ritt. Aber ist die Katz aus dem Haus, tanzt die Maus ihm auf der Nase rum. An der Frau sieht man immer, wo der Mann seine schwache Stelle hat. Bei dem ist eh Hopfen und. Hilft nix.
Sack juckt. Schon wieder. Leo kratzt sich. Naja, solange es keine Sackratten sind.
Molli, bring mal Bier! Und Kippen, Ascher und Feuer gleich mit!
Was gibt’s zu Abend? Machma Currywurst. Kommse vonne Schicht, watt Schön’ret gibbet nich‘ als wie du weißt schon. Wer war datt noch? Westernhagen? Nee, Grönemeyer, oder?
Schon wieder Curry sachste, Molli? Pass auf! Wenn ich Curry will, will ich Curry. Und wenn ich oft Curry will? Dann auch. Weißte Bescheid!
Frauen!
Ach, da kommt der Däne wieder. Was für ne mickrige Zugmaschine der doch fährt. Vierzylinder. Pah! Wenn der mit seinem Gespann nen Berg hochtuckert, überholt den doch jede Nacktschnecke. Und überhaupt. Der hat seine Frau auch nicht im Griff. Nur verständlich, dasser dann nachts besoffen heimgetrollt kommt und meterweit nach Kneipe stinkt wie ein Iltis. Das hab dann mal einer in der Nase im Dunkeln, so einen schalen Schnapsmief. Und am Morgen fragt er dann auch noch: ich war wohl etwas betrunken, gestern Abend? Und sie umschwirrt ihn wie die Wespe den Bienenstich. Und watt die Olle quietscht, wennse die aufbauen. Sowas käm mir ja nicht ins. Watt ordentliches Schmieröl ist, wissen die auch nicht. Bier. Achja. Molli, watt is nu? Soll ich hier verschimmeln, oder wird das langsam mal was?
Molli, seine Frau, schält sich trainingsbehost aus dem Wohnwageninneren. Sie ist eine gute Frau. Fleißig. Ordentlich. Bügelt und putzt, ohne, dass man ihr das ständig sagen muss. Sie mag ihren Mann. Irgendwie. Sie hat ihn ja schließlich geheiratet. Das ist ja nun aber auch schon ne Weile her. Wahrscheinlich war sie auch in ihn verliebt. Ob und wieso, weiß sie nicht mehr genau.
Datt Gedächtnis verblasst ja mit der Zeit. Ist ja nun aber auch schon ne Weile her. Und gibt auch Schlimmeres als Blömelskötter heißen. Und Currywurst-Sauce selber machen können, hilft immer. Gerade, wenn man in Frankreich ist. Da gibt’s im Imbiss ja nur Krepp. Die Renate, die früher unter Johannpötters gewohnt hat, hat immer jesacht, sie kennt das Rezept direkt von der Herta Heuwagen. Nein Heuwer. Jedenfalls von der, die die Currywurst erfunden hat. Hat die Renate zumindest erzählt. Kam später raus, die Renate war nie im Leben in Berlin. Und Herta Heuwer hat sie auch nie getroffen. Aber Bombenrezept trotzdem. Könnt der Leo sich reinlegen, sacht er immer. Achtzigtausendmal besser als Hela Ketchup.
Leo hievt die Pinte, sich das Zäpfchen zu feuchten.
Geht doch nix über ein kühles Pilsken.
Schaum aus der Krone verfängt sich im zotteligen Schnurrbart. Er schiebt sich eine Ernte 23 zwischen die Lippen.
Wo ist das Feuer? Molli, ich hab doch gesagt. Ach, da. Ich dacht’ schon. Watt wär ich ohne Ernte? Muss man immer gleich mehrere Stangen mitnehmen, wenn man wegfährt. Die rauchen hier ja so komisches Kraut. Franzosen – ein Verein von Tanzlehrern. Ouioui. Schwule Sprache. Außer Wein, Baguette und mit Strapse im Ballett rumhüpfen können die auch nicht viel.
Schon wieder der Holländer. Geht mit seiner Frau spazieren. Das sollte Molli mal einfallen. Was Frauen immer mit Spazierengehen haben? So wie die aussieht, schmiert die sich immer doppelt dick Butter auf’s Brötchen. Schlumpige Fettschwampe. Komisch geschrägtes, siruppiges Gesicht hatse. Schmoddergraubräunliche Fratze. Aber Pfauenaugen. Und’n Arsch wie’n Ozeandampfer. Kähähä. Und er erst. Bei der Seele meines Sofaschoners! Was für’n Weichei. Lässt sicher auch rumschubsen. Geht, als hätt‘ er ne Bleiplombe im Pimmel. Was ne schlaffe Wurst. À propos Wurst, Molli? Moooollliiii?
Was kommt da denn? Ein Pole? Sowas lassen die hier auf den Platz?
Bei Gott, da kann einem ja das Pils im Hals sauer werden, kann einem da doch. Naja, wenn der sich neben uns stellt. Dem werd ich. Ja. Dem zeig ich, auf welcher Seite das Brot gebuttert ist. Und der Nachbar gegenüber. Komische Titten am Adler auf seiner Flagge. Und seit wann ist die Deutschlandflagge unten blau? Gold regiert! Hat gesagt, das sei die Ostfriesland-Flagge. Ein Witz. Bringt sicher auch noch seiner Oma bei, wie man Enten melkt. Wenn ich hier nix auf deutsch kriege, kauf ich auch nix. Man sollte einfach auf der ganzen Welt deutsch lernen. Dann ham wir auch keine Sprachprobleme mehr.
Ich sag’s ja immer wied. Aber auf mich hört ja eh kei. Molli, watt is jetzt mit Currywurst?
Auf zur Currywurstsauce

Klar kann man sich die Arbeit sparen, an zum nächsten Büdchen. Da ne Curry bestellen. Am besten mit Pommes Schranke. Aber zu viele Nachmittage an Grills an Fußballplätzen, wo es nur Hela Ketchup (wer mag den ernsthaft, dieses gruselig süße, schräg verwürzte Gesuppe?) zur Wurst gab, haben mich schon früh ausprobieren lassen, wie man gute Currywurstsauce selbst machen kann.
Dieses Rezept hat nichts mit dem bis heute nicht bis ins Detail bekannten Rezept zu tun, mit dem Herta Heuwer ab dem 4. September 1949 in Berlin ihrer eigenen Legende nach den Siegeszug der Currywurst begründete. „Es goss kleene Kinderköppe, kein Mensch an meiner Bude. Aus Langeweile rührte ich Gewürze mit Tomatenmark zusammen. Und es schmeckte herrlich“, sagte sie einst. Dabei soll es an dem Tag nicht geregnet haben. Und ihr zuallererst genutztes eigenes Rezept soll tatsächlich nicht so dolle geschmeckt haben. Das, was ihren Siegeszug begründete, soll wenig später ein befreundeter Koch entwickelt haben. Frisch geschnittene Paprika, Paprikapulver und einiges mehr soll reingekommen sein und dann auf gebratene, zerstückelte Dampfwürste ohne Darm gelöffelt worden sein. Nicht gegrillt, sondern überm Spirituskocher in ner kleinen Bude in einer Pfanne gebrutzelt. Ihr Currywurst-Rezept hat sie mit ins Grab genommen. Sie verriet es nicht einmal ihrem Mann („der durfte nur Büchsen aufmachen“). Ob’s stimmt? Am Ende Wurst.
Ruhrpöttler verweisen nachdrücklich darauf, dass die Wurzeln der Wurst im Kohlerevier liegen sollen. Hamburger haben ähnliche Legenden. Und Alexander Fürst zu Schaumburg-Lippe aus Bückeburg bei Hannover behauptete: Nach dem Zweiten Weltkrieg soll ein Koch in seinem Schloss für britische Offiziere eine Soße bereitet haben – und zwar aus Aprikosenmarmelade, Tomatenketchup, Curry und Salz. Das soll 1946 gewesen sein, also drei Jahre bevor Herta Heuwer ihre erste Currywurst servierte.
In jedem Fall ist es an der Zeit das über Jahrzehnte beliebteste Fast Food Deutschlands auch hier zu würdigen – mit einem Rezept, das anders als Originale sogar ein bisschen meiner eigenen Heimat huldigt. Denn für hauchzarte Bitternoten und einen Tick mehr Vollmundigkeit habe ich sogar ein wenig Ostfriesentee hineingelöffelt. So raffiniert und fein ziseliert ich es gern auch mal mag, schlicht, geradeaus, stumpf: liebe ich auch sehr. Auch und gerade Currywurst.
Das Rezept selbst ist leicht zu veganisieren, wenn man die Butter durch Öl ersetzt, und schmeckt zu veganen oder vegetarischen Würsten ebenso gut wie zu welchen aus Fleisch (warum Imbisse besonders oft überlange rötliche Schinkenwürste zu Currysauce anbieten, ist noch so ein Rätsel, hinter dessen Lösung ich nicht komme). Weil ich mit meinem Campingplatz-Unfug aber schon so viel Platz verkleet habe, jetzt mal Vollgas. Los geht’s.
Zutaten
1 Esslöffel Butter
1 kleine rote Zwiebel oder 2 Bananenschalotten, fein gewürfelt
1 Esslöffel Zucker
1 gehäufter Esslöffel scharfes Thai-Curry-Pulver (das kriegt dann schon Fahrt, Empfindliche: bitte vorsichtiger anfangen und weniger nehmen und/oder milderes Curry nehmen) plus mehr zum Servieren
1 Dose gehackte Tomaten (San Marzano bleiben die Besten, Discounter-Ware tut’s aber auch gut)
150 Gramm Tomatenketchup
1 Gewürzgurke, klein gewürfelt
3 Esslöffel Ostfriesentee, frisch aufgebrüht, drei Minuten gezogen, ohne Kluntje
2 Esslöffel Obstessig
1 Teelöffel Salz
Optional: ein Schnapsglas voll guter Rinderbrühe darf es auch sein, wer hat, kann auch 1 Teelöffel weißes Miso reinschmuggeln.

So macht man die Currywurst-Sauce
Das Ganze ist ganz einfach. Dauert nur ein klein wenig, damit die Aromen ihre Wirkung auch entfalten können.
Die Butter bei niedriger bis mittlerer Hitze auslassen. Wenn sie geschmolzen ist, die Zwiebelwürfel hineingeben und golden anschwitzen.
Das Currypulver dazugeben, damit das Fett möglichst früh die Aromen des Gewürzes freisetzen kann. Vielleicht zwei Minuten lang. Rühren und die Hitze verringern, damit ja nix anbrennt, schwarz und bitter wird.
Den Zucker zugeben und karamellisieren lassen, aufpassen, dass da nix schwarz wird. Nochmals vielleicht zwei, drei Minuten.
Dann den restlichen Kram hinzugeben: das Salz, die gehackten Tomaten, die Gewürzgurkenwürfelchen, den Ketchup, den Essig, den Tee. Und dann einfach auf niedriger Stufe eine halbe bis dreiviertel Stunde bei offenem Deckel köcheln und zart einkochen lassen, bis es die etwas dickliche Konsistenz, aber noch keinen Arsch wie ein Ozeandampfer hat. Das langsame Köcheln hilft, dass die Aromen sich umso intensiver entfalten.
Statt Dosentomaten und Ketchup kann, wer mag und noch überraschenderweise übrig haben sollte, auch die einfachste und beste Tomatensauce als Basis nehmen, wenn man davon noch nen halben Liter überhat, ansonsten aber genau wie gehabt zubereiten.
Eventuell mit Salz abschmecken und gegebenenfalls auch noch etwas mehr Currypulver einrühren.
Dazu, Ihr kennt das Spiel, Würste Eurer Wahl braten oder grillen. Und dazu, was immer Ihr mögt: Pommes, Brötchen, getoastetes oder lasches Weißbrot.
Sauce, die übrigbleibt, verlockt nur dazu, noch mehr Würste zuzubereiten und mit der Sauce zu essen. Sie lässt sich aber auch problemlos einfrieren.
Musik zum Menü
Zum Gericht kann es eigentlich nur einen Song geben. „Currywurst“ von Grönemeyer, so wenig ich ihn sonst auch mag. Ich habe mich tatsächlich durch diverse weitere Curry- und Currywurst-Songs gehört. Aber sie munden mir nicht.
Nun hat der Haupttext vorm Rezept eine Dimension, die mutmaßlich nur sehr wenige entdeckt haben: Im Campingtext stecken eine Reihe von Zitaten aus und Anspielungen an den frustriert-wirren Tag von Leopold Bloom im „Ulysses“ von James Joyce. Was zwar im Currywurst-Kontext keinen direkten Sinn gibt, mir aber trotzdem Spaß gemacht hat. Aber da ein Song allein langweilig wäre, gibt’s hier obendrauf noch „Ulysses“ von Franz Ferdinand.
Und für etwas Schisslaweng, Schmiss und Spaß zum Rausschmiss jibbet hier auch noch „Et Camping Leed“ von Karl Berbuer.
Post Skriptum: Spontaner Dank
Was nix mit dem Text zu tun hat, ich hier aber trotzdem gern würdigen möchte: Die wunderbare Barbara Goltz hat kürzlich beim Einkaufen „Nimmersatt“-Servietten entdeckt, dabei an mich gedacht und sie mir als wirklich wundervolle Überraschung per Post geschickt. Manchmal machen die kleinen Überraschungen ja die größte Freude. Hierüber jedenfalls hab ich mich irre gefreut. Daher auf diesem Weg und öffentlich hier auch nochmal ein riesiges Dankeschön!

Wow! Lebensnah und voller eleganten Wortwitz…hat echt Spaß gemacht, den Text zu lesen und irgendwie krieg ich Lust auf Currywurst😉
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Wow! Das freut mich riesig. Zumal ich selbst dachte: Kacke, irgendwie viel zu lang geraten. 😀 Und Lust suf Leckeres kriegen, ist nur nachvollziehbar. Hab n tolles Pfingstwochenende!
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Es gibt kein zu lang, sondern nur zu schlecht geschrieben🤣 Dir auch schöne Pfingsten!
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Da mag was dran sein. Im Zweifel Curry. 😀 Danke!
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Hihi, liest man die Geschichte über Leo, muss man wahrlich einen guten Magen haben, wenn man so ganz ungeniert zum Essen übergehen kann. Vielleicht doch erstmal eine schöne Blumenwiese betrachten, bevor gekocht wird 🙂
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Wer sich regelmäßig von Fast Food ernährt, dessen Magen kann mutmaßlich nix erschüttern. 😀
Aber ich seh den Punkt 🙃
Wundervolle Pfingsten Dir!
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Das ist wahr. Ein schnelles Food ist nix für langsame Nerven 🙂
Ebenfalls ein schönes und appetitliches Pfingstfest 🙂
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Ich glaub ja, der Leo stand letzten Sommer mit seiner Molli und dem Wohnwagen am Platz neben uns. Am Campingplatz. Kann das sein?
Danke für die vielen Lacher 🙂
Alles Liebe!
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