
Herr, es ist Zeit, der Sommer ist sehr groß. Die Haut durftet nach Sonnenmilch, Reste von frisch gepflückten und gleich vertilgten Blaubeeren lugen aus den Mundwinkeln. Auf den Kieswegen kurz vorm Nichts ziehen Autos und sogar Fahrräder Staubwolken hinter sich her. Die Sonne spiegelt sich im vom Wind gekräuselten Badesee. Wassertropfen glitzern auf den Schultern und rinnen fingerwärts. Gras döst durstig und welk auf der drögen Krume. Kreischkrümel kauern sich unter Sonnenschirme. Vogelbeeren schaukeln in der warmen Brise an den Zweigen der Eberesche. An Tagen wie diesen wünscht man sich nicht nur Unendlichkeit, man hat auch wenig Lust, lange in der Küche zu stehen.

Die Wurzeln dieses wundervollen Gerichts, das bei Affenhitze fix gemacht und unglaublich lecker ist, liegen weit zurück. Etwa ein halbes Jahrtausend ist es her, da raubte der paschtunische Kriegsherr Sher Khan den Bengalen ihr Reich und unterbrach die Herrschaft der Moguln. Meine Versuche zu recherchieren, ob Sher Khan, der sich später Sher Shah Suri nannte, Vorbild für den fiesen Tiger Shere Khan in Rudyard Kiplings Dschungelbuch war, sind ins Leere gelaufen. Verblüffen sollte es kaum, zumal Kipling in „Britisch-Indien“ geboren und nach seiner Schulzeit in England auch dorthin zurückgekehrt war – in viktorianischen Zeiten allerdings, 300 Jahre später. Der paschtunische Herrscher jedenfalls riss sich das Land der Bengalen unter den Nagel und stürmte die Hauptstadt Agra, als das Mogulreich von einem als überaus kunstliebenden, sanftmütigen Mann namens Humayun geführt wurde. Humayun beschäftigte wie viele Moguln der Legende nach auch famose Köche. Bis heute beeindruckt sein Grabpalast Scharen Reisender, nicht ganz so zahlreich wie das ebenfalls aus der Mogulzeit stammende, später gebaute Taj Mahal. Aber trotzdem. Und ganz besonders liebte er der Legende nach ein leichtes, aber überaus aromatisches Sommergericht, das wie das Mogulreich einige Wurzeln in Persien hat: Auberginen-Kuku. Die Legende und auch das Rezept finden sich im wundervollen Kochbuch „Indisch vegetarisch“ von Meera Soodha.


Wie mit so vielem Gutem strahlen hier einige wenige gute Zutaten, harmonieren perfekt. Im Grunde ist ein Kuku dasselbe wie eine Frittata oder ein Omelette. Hier bringen die sanft gerösteten Auberginen kraftvolle Aromenfülle, Frühlingszwiebel ein wenig neckischen Biss, Knoblauch und Dill kitzeln die Sinne.
Im 16. Jahrhundert, zu Humayuns Zeit, wurde das Ganze mit Joghurt serviert. Wobei ein kleiner Salat und knuspriges Brot sich auch nicht schlecht machen.

Zutaten
2 mittelgroße Auberginen (etwa 600 Gramm), in ungefähr 1 mal 5 Zentimeter große Stifte geschnitten – oder in welche mundgerechte Form auch immer, die Euch behagt
100 Gramm Frühlingszwiebeln, in Ringe geschnitten
2 Knoblauchzehen, gepresst oder in feine Würfel geschnitten
6 mittelgroße Eier
insgesamt 1 Teelöffel Salz
1 Teelöffel Garam Masala oder Currypulver (optional)
1/2 Teelöffel gemahlener schwarzer Pfeffer
1 Bund Dill, die Zweige zerzupft
Rapsöl





Das Auberginen-Kuku zubereiten
Die Auberginen schon eine Zeit vorm Kochen salzen und in ein Nudelsieb oder ähnliches in die Spüle stellen, damit sie ihre Flüssigkeit loswerden können. Im Zweifel am Ende ein bisschen anquetschen. Aber dann werden sie knuspriger.
Fünf bis sechs Esslöffel Rapsöl in eine große Bratpfanne geben und auf mittlerer Stufe erhitzen. Wenn das Fett heiß ist und zischt, sobald ein Tropfen Wasser wie aus den badeseenassen Haaren hineinpurzelt, die Auberginen hineingeben. Die saugen das Fett anfangs auf wie Schwämme, geben es später aber wieder frei.
Nach etwa 10 bis 15 Minuten, wenn die Auberginen weich geworden sind und etwas zu knuspern beginnen und Röstaromen einsammeln, die Frühlingszwiebeln hinzugeben und den Knoblauch reinpressen, das Garam Masala zugeben und die Hälfte des Salzes (also 1/2 Teelöffel) hinzugeben. Kurz mitschwitzen lassen und dann das Ganze aus der Pfanne nehmen und auf einem Teller etwa fünf Minuten abkühlen lassen. Die Pfanne einmal auswischen.
Unterdessen die Eier in einen Messbecher schlagen, mit einer Gabel verrühren, mit dem weiteren halben Teelöffel Salz und dem Pfeffer verschlagen.

Die Auberginen-Frühlingszwiebel-Knoblauch-Mischung hinzugeben und die Hälfte der Dillspitzen hineinrühren.
Das Ganze nun am besten in einer Anti-Haft-Pfanne (in gusseisernen setzt Ei leider immer schnell auf blöde Weise an) ausbacke. Dafür nochmal Öl auslassen und auf mittlerer Stufe erhitzen, bis das Fett heiß ist. Dann die Ei-Auberginen-Frühlingszwiebel-Knoblauch-Dill-Mische hineingeben. Von einer Seite braten, bis die Ränder fester werden und das Ganze stabiler wird. Dauert meist 4 bis 5 Minuten. Dann einen Teller kopfüber auf die Pfanne legen, sodass der Kuku darauf landet – und vom Teller aus wieder in die Pfanne gleiten lassen. Könner können das Ganze auch von der Pfanne aus einen Salto machen lassen oder mit einem Pfannenwender das Ding in der Pfanne wenden. Was man mit Pfannenwendern in der Pfanne wendend eben so macht. Vorm Servieren den Rest des Dills drüberstreuen. Guten Appetit!





Musik zum Menü
Zu Kuku passt für mich ein wenig „Rococo“ von Arcade Fire, weil der in Teilen rätselhafte Text sich in der Mitte anhört, als ob Win Butler „kukukurukukurukukurukuku“ singt. Und obwohl sie bessere Songs haben, ist auch der hier super.
Und weil Sommer was Tolles ist. Gibt es hier noch zwei Sommerhits. Das fantastische Gitarrenbrett „Summer“ von den Beatsteaks. Und den nicht minder fantastischen „Sommertag“ von Gisbert zu Knyphausen.
Ein herrliches Gericht! Ich habe vor kurzem einen KuKu Kadoo, also mit Zucchini statt Aubergine gemacht. Jetzt reizt mich die Aubergine auch noch.👍
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Dankeschön! Und Kuku Kadoo ist auch umwerfend lecker!
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Rilke freut sich, dass du ihm in diesem wirklich großen Sommer mit einem Auberginen-Kuku huldigst. Überhaupt Auberginen: an denen stimmt einfach alles: Name, Farbe, Geschmack…das ist lazy lila, daran ist alles sanft und rund.
Es war ein schönes Sommer-Amuse-gueule. Mit prima Sommermucke, die ich rundete mit einem Schau-Schau von Selig…
Morgen geht es auf Reisen ins wunderbare Land der Ostfriesen.
Mit lieben Grüßen
Amélie Alibimöwe
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Lieber Ole,
dein Kuku sieht traumhaft aus! Kompiment. Ob das bei mir auch so hübsch aus der Pfanne kommt? Wäre mein erstes Kuku, aber das verwandte Kükü – Aserbaidschanisches Omelett, in besagtem Fall mit Nüssen – hatte ich auch schon. Immerhin. 😉
LG Peggy
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Kükü klingt auch spannend und eigentlich noch witziger. Aserbaidschanisches Omelett hatte ich noch nicht, mit Nüssen klingt es auch überaus spannend (auch wenn ich Nüsse leider nicht so gut vertrage). Und warum zur Hölle hab ich ein Dreivierteljahr für die Antwort gebraucht? Verzeih! 🙂
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Kuku klingt schön fröhlich, und das Rezept läßt auch feinsten Genuß schließen. So wie deine geschichten ja eh immer weider sehr genußvoll zu lesen sind!
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Du tust was für meine Gesichtsdurchblutung. 🙂
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