
Gut, dass es so warm ist“, sagte Wulnikowski, „denn man kriegt ja fast das kalte Grausen, wenn einem die Frage durchs Hirn huscht, wie man die Heizrechnungen bezahlen soll, wenn es erst wieder kalt wird.“ Er hatte sich ein paar Dosen Bier an der Tanke nebenan geholt, saß auf einer breiten Treppe am Hafen. Am Horizont, hinter dem Rathausturm, senkte sich die Sonne. Neben ihm: Horst. Früher zur See gefahren. Einsachtzig, rund wie ein Fass, ein Kreuz für zwei, Stiernacken könnte man sagen. Stierhorde wäre passender. Horst hatte Durst. Klack-zisch, Dose auf, Kopf in den Stierhordennacken, kleine schaumige Wasserfälle rauschten von den Mundwinkeln abwärts.
„Ja, Mist isses mit den Gaspreisen. Und mit all den Umlagen, die sie jetzt noch draufschlagen, auch.“
Wulnikowski schnipste einen Stein übers Wasser. Er tischte dreimal auf, ehe er versank.
„Am besten wär, man wär irgendwo, wo es gar nicht erst kalt wird und es das ganze Jahr schön ist. In Hội An etwa. Da hockt es sich noch schöner am Wasser als hier, Kähne werden umhergestakt, Palmen am Ufer, alte Kolonialvillen reihen sich, Anzugschneidereien überall und Lampions, Lampions, Lampions. Keine Termine, leicht einen sitzen, den Schiffen zusehen, die auf dem Wasser schaukeln, den Papierlaternen folgen, die Touristen zu Tausenden schwimmen lassen. Der Fluss ist ein Papierlaternenfriedhof. Aber schön.“
„Kenn ich. Alte kleine Franzosenstadt. Traumstrände vor der Haustür. Und wirklich überall Lampions.War ich in den 70ern schon“, sagte Horst.













„Doch was soll ich in Hội An? Das hat keinen Sinn, ich bin ja noch hier. Genau deshalb hab ich mir jetzt auch was Neues überlegt“, sagte Wulnikowski.
„Was?“ Horst nahm noch einen Schluck.
„Ich koche jetzt in der Spülmaschine.“
„In der Spülwas?“ Horst prustete eine kleine Bierfontäne Richtung Hafen.
„In der Spülmaschine“, sagte Wulnikowski ruhig.
„Du spinnst doch.“ Horst nahm sicherheitshalber nochmal einen Schluck, er könnte sich ja auch verhört haben. Und sicher ist sicher. Und lieber einen Schluck mehr nehmen, das schadet auf keinen Fall.
„Nee, ich spinne nicht. Ich will nur jetzt schon anfangen Energie zu sparen.“
„Und da legst Du jetzt Deine Bratkartoffeln ins Besteckfach und den Rotkohl tränkst Du mit Klarspüler? Und dazu toastest Du dann Brot mit nem Föhn und reibst mit der elektrischen Zahnbürste Parmesan?“ Kähähä. Horst lachte wie ein Stollentroll. Kippe an.
„Lach nur. Es hat fantastisch funktioniert.“
„Und wie das?“

„Es gibt ja seit ein paar Jahren den Trend, Fleisch oder Gemüse gemeinsam mit Gewürzen einzulaminieren und unglaublich langsam über Stunden, manchmal Tage im Wasserbad zu garen, bei vielleicht 50 Grad. Sous-Vide-Garen nennt man das auch. Das hat mich zum Nachdenken gebracht. So gegarte Gerichte sind oft der Knaller. Fleisch wird butterzart, Gemüse entfaltet sein Aroma noch viel intensiver. Aber der Müll: Lebensmittel für ein einziges Essen in dicke Plastikfolie einschweißen, nur um sie am Ende wieder aufzuschneiden, ist schon nah am Gipfel der Dekadenz. Und Energieverschwendung ist es für mich auf.“
„Du schweifst ab. Was hat Dich jetzt nachdenken lassen?“
„Ich schweife nicht ab. Denn ich hab zuhause im Unterschrank noch wiederverwendbare Silikonbeutel gefunden, um Aufschnitt luftdicht zu verpacken. Und ich dachte: Wenn die luftdicht sind, sind die auch wasserdicht. Und meine Spülmaschine wäscht das Geschirr drei Stunden lang bei 55 Grad. Da kann ich doch auch Essen in die Silikonbeutel stecken, würzen, Luft rausdrücken – und dann ab damit in die Spülmaschine bei der nächsten Runde.“
„Alter! Life-Hack quasi!“ Horst schob respektvoll die Unterlippe vor, nickte. Nochn Bier. Klack-Zisch. „Also doch Bratkartoffeln ins Besteckfach und Rotkohl. Nur im Silikonbeutel?“

„Nee. Weil ich hatte ja an Hội An gedacht – und da gibt es ja unglaublich köstliche Sachen. Vor allem aber habe ich da den besten lauwarmen Salat meines Lebens gegessen. Völlig überraschend für mich. Unfassbar gut! Ananas, Zitronengras, Limetten, zartes Steak, Süße, Säure, Schärfe, Salziges… mit etwas Erdnussknack und frischen Kräutern. Das war so derart umwerfend, so Sinne betörend, dass ich das vor Jahren nachgekocht habe und seitdem immer wieder mache. Gerade im Sommer. Eigentlich hab ich das aber immer mit frischem Salat gemacht. Und nun dachte ich: Ich kitzel‘ die Aromen noch ein bisschen stärker raus – in der Spülmaschine.“ Wulnikowski lachte. „Das klingt wirklich bescheuert. Ist es auch irgendwie. Aber das Ergebnis am Ende war wirklich zum Niederknien.“
„Du krasser Typ“, sagte Horst. Er lachte. Kähähä. „Wenn wir von Energie sparen reden: Bei den Zutaten isses mit Deinem CO2-Fußabdruck trotzdem nicht weit hin.“
„Aber ich kann mir die Kosten für meinen Gasherd sparen“, sagte Wulnikowski. Er grinste.


Zutaten

Für den vietnamesischen Ananas-Salat
1 reife Ananas, geschält, in mundgerechte Stücke geschnitten (je nachdem wie verflixt bissfest oder zart der Strunk innen ist und wie Ihr es mögt, lasst ihn drin oder schneidet ihn weg)
1 Limette (bio, erst Schale abgerieben/in Zesten gerissen, dann Saft ausgepresst)
1 rote Chili, entkernt, auf feine Ringe geschnitten
1 Knoblauchzehe, geschält, gepresst
1/2 TL Salz
1 Stängel Zitronengras, holzige Strünke und den Wurzelansatz entfernt, angequetscht mit einem Messerknauf (alternativ 1 Teelöffel getrocknetes, gemahlenes Zitronengras)
1 daumengroßes Stück frischen Ingwer, geschält, auf feine Scheiben oder in feine Würfel geschnitten (je nach Vorliebe – alternativ 1 Teelöffel gemahlenen Ingwer)
1 fünf Zentimeter großes Stück Gurke, in Scheiben oder gottweißwasfür kleine Stücke geschnitten
1 rote Zwiebel, geschält, in feine Ringe oder Halbringe geschnitten (wie es Euch gefällt)
1 Esslöffel Rohrzucker
1 Esslöffel Fischsauce (oder Coco Aminos oder vegane Fischsauce)
1 Teelöffel Austernsauce (optional)
1 Handvoll geröstete, gesalzene Erdnüsse (fertig gekauft)
1 Handvoll frischen Koriander (für die, die Koriander vertragen)
1 Handvoll frische Zitronenverbene, Blätter abgezupft
1 bisschen (Wasser- oder Brunnen-)Kresse

Für das Steak
250-300 Gramm Steak/Rinderbraten aus dem Rücken, was immer Euch an Gutem unterkommt (möglichst keine Discounterware, die enttäuscht qualitativ und über die Tierhaltung mag man nicht dringend nachdenken)
Salz
Pfeffer
1 Teelöffel Austernsauce
1 Esslöffel Öl

So macht man den vietnamesischen Ananas-Salat mit Steak
Ein paar Vorgedanken: Dieses Rezept benötigt keine Spülmaschine.
Der Salat funktioniert auch frisch – auch wenn die Aromen noch kräftiger aufblühen, nach der Sous-vide-Gare. Das Fleisch kann man einfach auch ohne Spülgang in die Pfanne oder einen Wok hauen und scharf anbraten und dann im Backofen bei niedriger Temperatur weitergaren. Wer einen Sous-vide-Garstab hat, kann das Ganze natürlich auch klassisch im Wasser-Bassin zubereiten. Aber dann ist ein bisschen Gag flötengegangen und man verknallt schon unnütz Energie.
Wer es vegetarisch mag: Dieses Rezept benötigt auch kein Fleisch. Das kann man weglassen. Es passt dennoch hervorragend.
Die Zubereitungsart, das Sous-vide-Garen mit Silikonbeuteln und dem Öko-Programm der Spülmaschine, funktioniert auch mit vielen weiteren Zutaten hervorragend. Fleisch am besten marinieren und Luft rausdrücken, auch die Gemüse in Kräutern und Würze sanft garend ziehen lassen. Luft raus hilft, auf dass die Zutaten die Würze umso tiefer aufsaugen können.

Ran ans Gericht
Vor allen weiteren Schritten Silikon-Mehrzweckbeutel besorgen und am besten schon einen Tag vorher das Fleisch mit etwa 1 TL Salz und 1 TL Austernsauce einreiben und dann bereits in einem der Beutel dicht verschlossen, Luft rausgedrückt im Kühlschrank ziehen lassen, das Salz lässt es umso zarter werden, wenn es länger Zeit hat zu wirken.
Ebenfalls frühzeitig die Zwiebel schälen, ringeln, von der Limette die Schale abreiben und den Saft auspressen und die Zwiebeln im Limettensaft mazerieren. Das nimmt den Zwiebeln die Schärfe.
Dann die Ananas schälen und kleinschneiden und in eine Schüssel (ostfriesisch: Kumme) geben, in der auch alles weitere jetzt Genannte landet: Chili entkernen und ringeln, Ingwer schälen und zerkleinern, Zitronengras entstrunken und anquetschen (wer faul ist, nimmt nur die Pulver stattdessen, büßt aber Aroma ein), den Knoblauch schälen und pressen, die Zwiebeln samt Limettensaft und -schale ebenso hineingeben wie den Zucker, einen halben Teelöffel Salz und einen Esslöffel Fischsauce (oder vegane Alternativen). Wer Koriander gern mag, kann auch die Stängel der frischen Kräuter ganz fein hacken und dazugeben. Kräftig durchmischen. Wenn man die Spülmaschine nicht nutzen möchte: Jetzt einfach ziehen lassen. Andernfalls die Mische in einen Silikonbeutel geben und möglichst viel Luft rausdrücken.
In der Spülmaschine Platz fürs Fleisch und für den Salat lassen, beide Beutel reingeben und das Ganze drei Stunden bei 50-55 Grad im Ökomodus auf die Reise schicken.
Kurz vor Ende die frischen Kräuter (Koriander/Zitronenverbene) waschen, Blätter abzupfen. Das Stück Gurke in feine Ringe und dann in Halbmonde schneiden und in schonmal in eine große Salatschüssel geben (bevorzugt die, die man vorher schon genommen und zwischenzeitlich vielleicht nochmal gespült hatte).
Nach fertigem Geschirrspülgang eine Pfanne nehmen und darin 1 Esslöffel Öl bis zum Rauchpunkt erhitzen. Die beiden Beutel rausnehmen. Den Fleischbeutel öffnen, den Bratensaft zur Gurke in die Salatschüssel gießen. Das Fleisch, das noch etwas gräulich von außen wirkt, abtrocknen und nun von beiden Seiten eine halbe Minute bis eine Minute im heißen Fett kross braten (aufpassen, dass man sich nicht an Spritzern verbrennt). Denn so erhält man doch noch die wundervollen Röstaromen.
Wenn es von beiden Seiten schön knusprig braun ist, rausnehmen und noch etwa zehn Minuten ruhen lassen, damit sich die Säfte verteilen. Danach auf zarte Scheiben schneiden.
Den Ananassalat-Beutel nun öffnen und den gesamten Inhalt zu den frischen Gurken in die Salatschüssel geben. Nur das Zitronengras, falls frisch verwendet, sollte man rauspflücken. Gut durchmischen. Die Fleischscheiben darübergeben und/oder ebenfalls durchmischen. Dann Koriander und Zitronenverbene darübergeben (die Zitronenverbene ist wahrlich nicht vietnamtypisch, aber mit ihrer Zitrusfrische ergänzt sie das Ganze wundervoll erfrischend und köstlich), die Kresse (optional) dazuzupfen und ein paar Erdnüsse, falls zur Hand, für noch etwas Crunch dazugeben. Und dann gleich genießen. Den Rest der Spülmaschine kann man auch später ausräumen. Guten Appetit!

Musik zum Menü
Mein alter Schulkumpel Markus nannte sich einst DJ Hypersurf und machte Techno oder Elektro. Und sein kuriosester Minihit hieß „Spülmaschine kaputt“. Oder war es „Waschmaschine defekt“? Ich weiß es nicht mehr genau. Er hätte hier thematisch gepasst. Stattdessen gibt es hier den wild bretternden „Dishwasher“ der schwedischen Rockband Westkust.
Auch The Solids haben dem Geschirrspüler in einer rotzigen Punknummer gehuldigt. Sogar mit mehrstimmigem Refraingesang.
Zudem eine kleine Soul-Ode an das wahrlich wunderschöne Hội An – von Cait & The Critters:
Und hier kommt noch eine ganz große Hymne, die ich seinerzeit im Herbst 2014 in Hội An dauernd auf den Ohren hatte. „Youth“ von Daughter.
Ole, eine Irre Idee. Aber warum nicht. So wie du es beschreibst klingt es voll plausibel. Chapeau. Liebe Grüße
Meine Miele-Spüli wird im Januar 20 Jahre jung und hat kein Programm was so lange läuft…..nach da. 1:20h ist jedes Programm schon fertig….
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Karin, meine Liebe, lieben Dank! Und es ist im Zweifel von Gerät zu Gerät unterschiedlich – auch wie akkurat es die Temperatur hält. In meinem Fall war ich sehr angetan. 1:20 Stunden könnten immerhin noch für ne famose Tomatensauce reichen, schön aromatisch. 🙂 Und so ne Miele-Spüli hat dafür ja sehr viele andere langlebige Vorteile. 🙂
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Kalter Spülmaschinen-Kaffee – längst abgehakt.
Das Resultat hängt dermassen von Maschine und Programm ab, so dass das Resultat auch grausigstens (wie deine ewigen Superlative!) herauskommen kann.
Mein Geschirrspüler arbeitet beispielsweise selbst im ECO-Modus bei 65 Grad.
Vor allem aber will ich SEHEN und MITVERFOLGEN, was beim Zubereiten geschieht und keinesfalls einen Beutel mit schlappem Fleisch aus einer Spülmaschine holen. Da werfe ich doch viel lieber mein Sous-vide-Wasserbad an, dessenStromverbrauch relativ gering ist.
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Schade, dass Lektüre meiner Texte Dich offenbar inzwischen in Rage bringt. Ich wollte auch nicht verallgemeinern, dass es technische Unterschiede gibt, ist klar. Der Text hat auch null missionarischen Anspruch, es gibt ja gute Gründe, sich dagegen zu entscheiden, etwa weil man das Entwickeln beobachten will. Und ich will auch nicht tun, als hätte ich was erfunden. Er berichtet einfach von einer Möglichkeit, die ich spannend finde und deren Ergebnis mich überzeugt hat. In meinem Fall hat es nach meinen Maßstäben toll funktioniert. Und verzeih wenn mir grausigste Superlative in die Texte rutschen zwischen der Betreuung eines Kleinkinds und Arbeit. Grausigste Grüße
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Vor etlichen Jahren – lange bevor ich in eine Wohnung mit Geschirrwaschmaschine zog – habe ich ein Rezept für eine Lachsseite aus der Spülmaschine aus einer Zeitschrift ausgeschnitten und über meinem Bürotisch ans schwarze Brett geheftet. Alleine die Vorstellung, man könnte Geschirr reinigen und zugleich in derselben Maschine Essen zubereiten, faszinierte mich ungemein. Ein oder zwei Umzüge später ging der Ausschnitt verloren und irgendwann dazwischen auch die Freude an allzu teuren Experimenten. Tja. Werde wohl meine Spülmaschine auch weiterhin ausschliesslich mit dreckigem Geschirr erfreuen, aber dein Rezept lässt sich ja auch in der Gärbox verwirklichen (stufenlos von 20 – 90 Grad einstellbar). Freudigsten Dank 🙂
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Haha, du hast es tatsächlich gemacht! Essen aus der Spülmaschine! Zuerst dachte ich, jetzt kommt wieder eine dieser fabelhaften ironisch-lakonischen Ole-Geschichten, aber dann das: Du hast wirklich im Geschirrspüler gekocht. Wie toll!
Für mich einmal ohne Fleisch bitte 🙂
Alles Liebe!
Maria
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Von Herzen gern auch ohne Fleisch. Und der Salat braucht auch kein Fleisch als Nebendarsteller. Der ist wirklich super.
Und: Du tust was für meine Gesichtsdurchblutung. Ironisch-lakonisch bin ich ja gern, fabelhaft: welch schönes Kompliment, danke! Aber ich hab es wirklich gemacht, ja. Und es hat toll funktioniert. 🙂
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Als ich vor Jahren begonnen habe mich für Sous Vide zu interessieren, habe ich auch in einem Bericht über dieses Spülmaschinen-Experiment gelesen. Ich kann mir schon vorstellen, dass das für bestimmte Zutaten und Gerichte funktioniert. was du hier ja auch erfolgreich bewiesen hast. Ich war nicht so mutig und habe mir damals einen Stick gekauft, mit dem ich deinen Salat sicher einmal ausprobieren werde.😉 Die Geschichte ist auf jeden Fall sehr unterhaltsam und ich finde es cool, wenn man auch mal verrückte Sachen ausprobiert – just for fun!😅👍
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