Bärlauch-Gnocchi mit Ricotta baden in einer der besten Tomatensaucen

Wäre ich Chefkoch, es würde von Zeit zu Zeit wütende Kommentare bei Yelp! oder Tripadvisor und ähnlichen Apps hageln. Nicht, weil das Essen nicht lecker wäre – damit lässt sich einiges wiedergutmachen, und deswegen wären die Leute eigentlich ja da… sondern, weil ich mich manchmal vertüdele und dann Dinge, die eigentlich flink wie ein Wiesel zu kochen sind, plötzlich wie ein Pottwal im Vormittag liegen, der auf seltsamer Diät ist und Zeit verschlingt statt Plankton. Wer als Gast aber ewig auf sein Essen wartet, wird wütend. Und dann schimpft er womöglich auch auf Apps. Gut, dass ich kein Restaurant führe.
In diesem Fall, der eigentlich auch flott geht, hatte ich mir in den Kopf gesetzt, etwas Neues mit Bärlauch auszuprobieren. Seit Wochen recken im Schatten der Bäume und unter blütenbeduschten Büschen die Wurzeln des Krauts ihre Blätter empor, bedecken Waldböden und Schlosspark-Ecken, würzen den Frühlingsduft mit zarter Knoblauch-Note. Und Kenner hocken sich ins Unterholz, bis die Knie schmerzen, um geflochtene Bastkörbe oder Tupper-Dosen mit frisch geschnittenen Blättern zu füllen. In meinem Lieblings-Schlosspark fällt die Ernte in diesem Jahr weitgehend aus, weil in den Baumkronen über dem Bärlauchteppich üppig verdauende Krähen nisten. Die Blätter dort sind fast durchweg weiß gesprenkelt. Welch Glück aber, dass im Garten meiner Eltern inzwischen das Kraut auf der Fläche einer Singlewohnung sprießt. Nun, allmählich überwuchert Giersch die spitzen Bärlauchblätter, aber die eimerweise Ernte war reich.
Und so gab es in den zurückliegenden Tagen und Wochen Bärlauch-Ziegenkäse-Quiche, Bärlauch-Ofentomaten-Zupfbrot, Bärlauch-Pesto, Bärlauch-Salz, Pasta mit Bärlauch-Madeira-Miso-Pilzrahm. Der Knaller der Saison für mich waren aber die Bärlauch-Ricotta-Gnocchi, die in einer der simpelsten, reinsten und zugleich köstlichsten Tomatensaucen der Welt gebadet haben. Auch wenn der zeitfressende Pottwal meiner Verpeiltheit das Vorhaben zeitlich gedehnt hat. Wer mag, dem verrate ich gern auch die weiteren Rezepte. Doch serviere ich hier erstmal den neuen Liebling. Und für die Gnocchi war mir danach, keine kartoffeligen Kollegen in Pesto zu tränken, sondern eher nach der würzigen Füllung von Tortelloni – nur ohne Pastateig. Weil ich selbst sowas noch nie zuvor gemacht habe, habe ich mir professionelle Hilfe gesucht und ein Rezept der ganz großen Marcella Hazan zur Vorlage genommen und abgewandelt, „Gnocchi di spinaci e ricotta“ aus ihrem weltberühmten Meisterwerk „Essentials of classic Italian cooking“. Von ihr stammt auch die grandiose Tomatensauce, die zigfach als die „weltbeste“ schlechthin gerühmt wurde. „Salsa di pomodoro con burro e cipolla“ heißt sie, und sie funktioniert selbstredend auch zu Pasta famos. Sie braucht im Wesentlichen nur drei Zutaten, dafür aber ein bisschen Liebe und viel Zeit. Es ist zumindest eine der simpelsten, aber einfach und genial sind ja gern mal Sitznachbarn. Und damit die Sauce entsprechend viel Zeit haben kann, sich zu verwandeln und zum Juwel zu werden, das sie ist, sollte man damit anfangen.
Für die Sauce:
Zutaten:
2 Dosen Tomaten à 450 Gramm, gehackt
80 Gramm Butter
1 Zwiebel
1 Teelöffel Salz,
2 Teelöffel Zucker,
Pfeffer
Parmesan
Statt frischer Tomaten, die nur ganz kurz im Jahr richtig reif und vollmundig sind und sonst eher unter Wassereinlagerungen leiden, sollte man Dosentomaten nehmen. Gern gehackt, das spart eigene Arbeit. Die Tomaten aus den Dosen in einen Topf rutschen lassen. Eine Zwiebel schälen und halbieren und dazugeben. Jetzt fehlen noch 80 Gramm Butter, ein Teelöffel Salz sowie zwei Teelöffel Zucker. Das Ganze auf mittlerer Hitze einmal aufkochen lassen, dann runterschalten und bei offenem Topf köcheln lassen. Mindestens eine Dreiviertelstunde lang, gern auch länger. Denn während die rote Pracht so vor sich hinsimmert und ganz langsam etwas einkocht, karamellisieren die Tomaten, verpuppen und verwandeln sich, bis am Ende deutlich kräftigere, vielschichtigere Aromen herauskommen. Das Ganze braucht sehr wenig Arbeit.
Wem langweilig ist, der kann zwischendurch mal rühren. Aber die Sauce kommt ganz gut allein klar. Wer mag, kann für noch etwas mehr Intensität zum späteren Köchelzeitpunkt noch Parmesan hineinreiben. Vielleicht drei Esslöffel, je nach Geschmack etwas weniger oder noch mehr. Zum Schluss noch eine Prise Pfeffer drauf. Das war’s. Natürlich kann man Saucen auch mit Rotwein aufgießen und reduzieren, mit Basilikum, Oregano und/oder Thymian würzen. Abenteurer könnten auch noch einen Teelöffel Miso in die Nummer schmuggeln. Aber diese schlichte Schönheit hat so etwas erstaunlicherweise nicht nötig. Sie strahlt von selbst.
Für die Gnocchi:
Zutaten:
400-500 Gramm frischen Bärlauch (ersatzweise Spinat, wer tiefgefrorenen nimmt und auftaut, nimmt besser nur gut die Hälfte)
drei Scheiben gekochten Schinken
eine große rote Zwiebel (oder zwei kleine)
eine Bio-Zitrone
etwas frischen Thymian
125 Gramm geriebener Parmesan
200 Gramm Ricotta (oder körniger Frischkäse)
75 Gramm Mehl (plus mehr zum Bestäuben und Ausrollen)
zwei Eier
Salz, Pfeffer, Zucker, Muskatnuss (optional)

Man muss schon ein bisschen ernten, um von diesem Rezept satt zu werden. Aber es lohnt. In etwa ein Pfund – 400-500 Gramm – Bärlauch darf es sein, das war in meinem Fall in etwa ein halber zehn-Liter-Eimer. Die Blätter waschen, die Stiele, die gern bitter werden, abknibbeln. Wer Lust auf gemeinsames Kochen hat (und auch in der aktuellen Situation dazu in der Lage ist), kann das auf mehrere Schultern verteilen. Umso fixer ist man fertig, und der Pottwal bleibt vor der Haustür. Wem das zu lange dauert, oder wer keinen Bärlauch griffbereit hat, kann auch frischen Spinat nehmen, oder tiefgefrorenen, dann braucht man nur gut die Hälfte der Menge.
Einen Topf mit Salzwasser zum Kochen bringen. Reichlich Wasser nehmen, mindestens vier Liter. Den frisch gereinigten und frisierten Haufen Bärlauchblätter in einem großen Topf mit viel Salzwasser geben, sobald das Wasser brodelt. Etwa fünf Minuten lang darin blanchieren, also im Geblubber tanzen lassen, bis die Bitterstoffe sich verdrückt haben und die Blätter weich und ein bisschen matschig sind. Mit einer Schöpfkelle die tanzenden Blätter zur Ordnung rufen und aus dem Gebrodel heben. In einer Schüssel können sie sich abkühlen und beruhigen. Sobald sie eine Temperatur erreicht haben, bei denen die Hände nicht bei Berührungen schmerzen, so viel vom Wasser wie möglich rauspressen, bis das Ganze ein grüner Klumpen ist. Danach grob hacken.
Parallel 1 große rote Zwiebel in feine Würfel schneiden in etwas Butter bei niedriger Hitze golden dünsten,
drei Scheiben Kochschinken in winzige Fitzelchen schnippeln und mitschwitzen lassen. Dann den Bärlauch dazugeben und nochmal etwa fünf Minuten schmurgeln lassen.
Für die mit Oberarmmuskeln bepackten: 125 Gramm Parmesan frisch reiben. Für die Faulen: 125 Gramm geriebenen Parmesan kaufen.
Die frisch gedünstete Dreieinigkeit aus Zwiebel, Schinken und Bärlauch in eine große Schüssel geben, die Schale einer Biozitrone hinzureiben, Parmesan dazu sowie die Eier und den Ricotta hineinmengen, 75 Gramm Mehl hineinsieben und zu einem Teig verkneten.

Mit Salz, Pfeffer, einer Prise Zucker sowie nach Geschmack etwas frischem Thymian oder Muskatnuss abschmecken.
Für ein gleichmäßigeres Aussehen nach Geschmack in der Küchenmaschine mixen (bloß nicht zu lange, sonst wird der Bärlauch, der empfindliche Heini, schon wieder bitter).
Ein Brett, eine Arbeitsplatte, oder wo auch immer Ihr die Gnocchi ausrollen möchtet, bemehlen. Den Teig zu langen Würsten formen.

Die Teigwürste kann man jetzt mit dem Messer in etwa einen Zentimeter dicke Streifen schneiden. Streber können auch noch ein Muster mit den Gabelzinken in jede Gnocchi drücken, aber da kommt der Pottwal wieder ins Spiel, denn auch das kostet Zeit.
Parallel den großen Topf mit frischem Salzwasser noch einmal zum Kochen bringen. Wirklich ausreichend viel Wasser nehmen, sonst kleben die Gnocchi-Halunken aneinander. Nach 3 bis 4 Minuten schweben sie ähnlich wie frische Spätzle vom Topfgrund nach oben und können mit dem Schöpflöffel herausgehoben werden.
Am Ende die Gnocchi in der Tomatensauce baden lassen. Wer mag, kann noch etwas glatte Petersilie oder frischen Basilikum zur Zierde und Würze dazudrapieren. Fertig.




Musik zum Menü
Hunde und Probleme tauchen im Rezept nicht auf. Aber wie sich der famose Song „Dog problems“ von The Format aus schwer schnaufender Trägheit erhebt, sich immer tanzender aufschwingt, zwischenzeitlich ein bisschen in sich zusammenbricht und dann doch ins große Finale tobt, passt für mich hervorragend dazu.
Ohhh. wie toll!!! Das werde ich definitiv nachkochen. Danke dir 👍🤗
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Tausend Dank Dir, meine Liebe! Schönen Feiertag! 🙂
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