
Markt und Gassen steh’n verlassen, still erleuchtet jedes Haus. Drinnen verflucht mancher Papa im Zweifel wie jedes Jahr die Faulheit des Vorjahres, als er nach dem Abschmücken des Baums die Lichterkette einfach nur in irgendeine Kiste gepfeffert hat statt sie sorgsam zusammenzurollen und abzubinden, und nun hat ist er den verhedderten Kabelsalat, fuchtelt sich immer tiefer ins Knotenknäuel hinein, bis er selbst als Lichterkugel durchgeht und kämpft eine halbe Stunde lang damit, Gelumpe zu entwirren, während er am liebsten die Knoten ritterlich mit einem Schwert durchschlagen würde.
Aus Schmortöpfen und Öfen verströmen Rouladen und Gänse (falls irgendwer sich die in diesem Jahr leisten konnte) ihre Aromen, der Duft von Rotkohl, der Nelken und Sternanis im Topf ein Bett gegeben hat, zieht aus der Küche in die geschmückten Wohnzimmer. Woanders baden Kartoffelscheiben neben Gewürzgurkenschnitzen, allzu hart gekochten, zerhackten Eiern und Schinken- oder Fleischwurstwürfeln in Mayo, während Würstchen in heißem Wasser ziehen.
Aus Lautsprechern schweben festliche Choräle, entspringen Rosen, wird die stille Nacht besungen, klingeln Glöckchen, viel zu häufig fährt Chris Rea zum zwölftausendsten Mal zu Weihnachten nach Hause und kommt doch nie an, obwohl es doch längt Navis gibt. Die Herrscher des Himmels erhören das Lallen der glühweintrunkenen Elchgeweihträgerhorden und schließen die Weihnachtsmärkte. Irgendwo möchte jemand sein Radio aus dem Fenster werfen, aus dem schon wieder „Last christmas“ plärrt. Unter den am Ende dann doch gemütlich schimmernden Christbäumen raschelt zerfetztes Geschenkpapier, fallen sich Menschen, die einander im Bestfall sehr lieb haben, in die Arme und um den Hals. Bei Hoppenstedts macht es Puff, Dicki sagt im Strickpulli „Zickezacke Hühnerkacke“ – und weiterhin war früher mehr Lametta.

Ich wünsche Euch allen wunschnahe Weihnachten – mit Menschen um Euch, die Ihr gern um Euch habt, voller Momente, die glücklich machen und lange bleiben, voll Festschmäusen, die köstlich sind, Euch aber nicht zwingen, die Hosenbundknöpfe neu anzunähen. Voll Stunden der wohltuenden Einkehr, voll Lachen, Jauchzen und Frohlocken, ohne allzu durchhetzte Fahrten auf Völkerwanderung quer durchs Land, damit auch alle Familienteile, falls sie weit verstreut leben, besucht werden können. Habt’s herrlich. Und seid und bleibt gesund.

Hier war das Fest in diesem Jahr ein etwas anderes, ein improvisiertes, bei dem mehr Krippe statt Lametta war, nachdem meine Mutter nur wenige Tage vor Heiligabend zwei Striche auf einer Testanzeige fand: Mit kleiner Bescherung in einer alten Bauernhofscheune, in die meine Mutter bei offenem Fenster mit hineinblicken konnte, mit rechtzeitig entwirrten Lichterketten, warmem Apfelpunsch mit Zimt und Kardamom und mit selbst gebackenen Keksen. Leben und Krankheit ist, was einem dazwischenkommt, während man eifrig dabei war, ganz andere Pläne zu schmieden. Und doch könnte es einen härter treffen. So wenig man sich und anderen das wünscht. Zumal jetzt am 2. Weihnachtstag als unverhofftes Geschenk die Erlösung kam. Negative Tests, sich doch noch um den Hals fallen.

So leidenschaftlich und gern ich koche, so froh bin ich ja, wenn ich das an Weihnachten nicht muss, gerade weil das Fest so schnell verfliegt und die Zeit davor oft so hektisch ist und die Sehnsucht wächst, einfach ein bisschen sein zu können, in geschenkten Büchern zu blättern, Musik zu hören, zu sein. Und so sind mir Menschen schon auch ein Rätsel, die gastfreundlich Stunden hindurch Festmahle bereiten, die im Zweifel sogar an die 100 Weihnachtskochbücher ihr eigen nennen (die gibt es, ich kenne welche – aber man lebt doch nichtmal so lang, dass man jedes Jahr eines durchkochen könnte). Aber jedem seine innige, tiefe Freude.
Ich habe in diesem Jahr immerhin ein bisschen festliches Gebäck aus dem Ofen geholt, aber in erster Linie nur meine Lieblingskekse für die dunkle Jahreszeit: Ginger Snaps. Außen karamellknusprige, sanft gewölbte Klumpen, die innen noch weich sind. Kekse, die kleine Feuerwerke am Gaumen knistern lassen, weil sie so verführerisch viele Aromen entfalten und zugleich aus dem Fresskoma wiedererwecken können, weil sie nebst all den festlichen Aromen – Zimt, Kardamom, ein Hauch von Muskat – auch knackige Schärfe mitbringen aus dreierlei Ingwer, denn hier wird er getrocknet und gemahlen in den Teig gerieselt, frisch hineingerieben und kandiert und zerhackt in die Masse gemendelt, was jeweils ganz andere, einander aber wundervoll ergänzende Geschmacksnoten gibt, die dann auch noch mit etwas schwarzem Pfeffer angeschärft werden.
Was aufwändig klingt, ist es aber eigentlich kaum, und das Gute ist: Das Rezept ist – im Gegensatz zur fein ziselierten Laubsägearbeit an den meisten Weihnachtskeksen – sehr einfach. Nach dem Teigzusammenrühren und dem Zerhacken von paar Zutaten und dem Zu-Kugeln-Rollen kann sich mit einem Grog oder heißen Kakao zurücklehnen und muss nichts weiter tun. Nichts ausstechen, bestäuben, mit Zuckerguss verkleben. Diese Kekse sind für mich der Geist von Weihnacht, weil sie neu beleben, weil sie ganz schlicht und schmucklos sind und doch so riesigen Zauber entfalten.
Frohe Weihnachten!

Das braucht Ihr für die Ginger Snaps
375 Gramm Mehl
1 gehäufter Esslöffel gemahlener Ingwer
1,5 Teelöffel Backpulver
1,5 Teelöffel frisch gemahlener schwarzer Pfeffer
1 Teelöffel gemahlener Kardamom
1 Teelöffel gemahlener Zimt
1/2 Teelöffel gemahlener Muskat
250 Gramm Butter, in etwa einen Zentimeter große Würfel geschnitten
150 Gramm Rohrohrzucker (in den USA wird hier bevorzugt zu „Packed dark brown sugar“ gegriffen, der feuchter ist aus Kristallzucker besteht, der mit Melasse versetzt ist im Verhältnis 15:1)
1 Ei, bevorzugt groß, zimmerwarm
125 Gramm Dattelsirup (Melasse oder auch Grafschafter Goldsaft, also Zuckerrübensirup taugen als Ersatz)
125 Gramm kandierter Ingwer, kleingehackt
1 guter Teelöffel frisch geriebener Ingwer
1 kräftige Prise Salz
Demerarazucker oder anderer dunklerer Zucker zum Wälzen der Kekse vorm Backen

So macht man die Ginger Snaps
Den Ofen auf 165 Grad (Umluft) bis 180 Grad (Ober-/Unterhitze) vorheizen.
Für den Teig zunächst die trockenen Zutaten mit einem Schneebesen in einer großen Schüssel vermischen: Mehl, gemahlenen Ingwer, Backpulver, Salz, schwarzen Pfeffer, Kardamom, Zimt, Muskat.

In einer zweiten Schüssel, besser noch: der Schüssel eines Standmixers, Butter und Zucker miteinander auf mittlerer Geschwindigkeit mit dem Mixer verschlagen, bis die Butter cremig wird, etwa drei bis vier Minuten lang. Zwischendurch die zu den Schüsselrändern nach oben ausbüxenden Butterstücke und Zuckerkrümel mit einem Silikonspatel wieder zurück in die Schüsselmitte bugsieren.

Das Ei, den Dattelsirup, den frischen Ingwer hinzugeben und etwa zwei Minuten lang schaumig rühren. Wiederum die Flüchtlinge vom Schüsselrand abschaben und zurück in die Mitte geben.

Nun – während der Mixer auf mittlerem Tempo weiter rührt- nach und nach die Mehl-Gewürzmischung in kleinen Schwüngen hineingeben (am besten: sieben, das verhindert Klümpchenbildung zusätzlich, ist aber aufwändiger). Immer warten, bis die feuchte Masse das Trockene verschlungen hat und beide sich verbunden haben.
Wenn alles Mehl sauber eingerührt ist und keine Klümpchen sichtbar sind, auch noch den kleingehackten kandierten Ingwer mit hineinmendeln und vom Rührgerät in den Teig einkneten lassen.
In eine Schale etwas Demerara-Zucker oder anderen dunkleren Zucker streuen.
Mit einem Esslöffel oder einem Teigportionierer nach und nach Portionen aus dem Teig löffeln, zwischen beiden Handflächen zu Kugeln rollen, diese einmal in der Zuckerschüssel umherkugeln lassen und dann auf ein mit Backpapier ausgeschlagenes Blech legen. So verfahren, bis das Backblech mit etwa 16 Keksteigkugeln gut gefüllt ist. Etwa 2,5 Zentimeter Abstand sollten es mindestens sein, weil die Kekse sich noch ein wenig ausbreiten und Raum greifen, aber ja nicht aneinander kleben sollen.

Um Energie zu sparen, solltet Ihr nach Möglichkeit zwei Bleche auf einmal backen und nach etwa 10 bis 12 Minuten die Bleche tauschen, damit beide vergleichbar viel Hitze abbekommen. Nach etwa 20 bis 25 Minuten sind die Kekse fertig.

Sie schmecken schon warm fantastisch. Nach dem völligen Abkühlen in einer möglichst luftdichten Dose verstauen, wo sie bis zu zwei Wochen prima haltbar sind. Es wäre aber ein Wunder, wenn sie wirklich so lange drin bleiben sollten, weil: zu lecker.






Musik zum Fest
Mit Kitsch hab ich es ja nicht so, und so sehr ich einige der uralten Weihnachtschoräle und auch das Weihnachtsoratorium verehre, Mariah Carey und all die glockenklingelden Supermarkt-Weihnachtsschlager sind für mich ernstzunehmende Gründe zum Lautsprecherzertrümmern. 😉 Aber ohne Weihnachtsmusik soll dieser Beitrag selbstredend auch nicht auskommen. Und nach Bugge Wesseltoft mit seiner sensationell schlicht-schönen Klaviermusik im vorherigen Beitrag gibt es jetzt Nachschlag: zunächst schottischen, mit Wumms: „Asthma came home for christmas“ von den sensationell guten Aereogramme!
Und dann sind da noch Death Cab For Cutie, die in diesem Jahr eins der besten Alben des Jahres hingelegt haben für mich, mit ihrem feinen Indierock-Weihnachtslied „Christmas (Baby, please come home)“.
Und dann ist da noch das genialische Folk-Filou, der begnadet gute Sufjan Stevens, der vor Jahren eine 4CD-Box veröffentlicht hat, voll inniger, akustischer Interpretationen alter Weihnachtslieder, von Banjos umklimpert, mit oft mehrstimmigem Gesang. Noch so ein viel zu unbekanntes, unkitschiges Juwel.
wie immer: ein sehr, sehr schöner Text. Danke dafür!
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Lieber Ole,
auch hier war es so: Kranksein allüberall. Wir haben es überstanden, ein frohes Fest sieht aber anders aus. 2023 kann – was das weihnachtliche Feeling betrifft – nur besser werden 😉
Ich wünsche dir und deiner Familie einen guten Rutsch heute und ein schönes Feiern. Deine Ginger Snaps nehme ich mir für nächstes Jahr zu Herzen.
Alles Liebe!
Maria
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So eine stimmungsvolle und schöne Weihnachtsgeschichte. Liebe Grüße Ute
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