
Um Mafiaboss zu werden und bleiben, bist Du besser Raubtier, lauerst mit den Augen, jederzeit zum Sprung bereit, kaltschnäuziger als jeder Jagdhund, kennst Skrupel höchstens aus dem Fremdwörterbuch, Schwäche nur von Deinen Widersachern, bevor Du sie aus dem Weg räumst – vielleicht mit einer Kehrmaschine. Wenn Du ihre Häuser in Flammen aufgehen lässt oder ihnen im Dunkeln begegnest, um Schutzgeld einzutreiben. Auch im internen Intrigantenstadl des Mobs musst Du Härte zeigen, Achillesfersen geschickt verstecken und polstern, denn die kleinste offene Flanke kann Dein Ende sein, wie eine klaffende Wunde, ein Tropfen Blut im Wasser Schwärme von Haien anlocken kann. Und da trifft es sich natürlich nicht so praktisch, wenn Du beim Grillen zuhause plötzlich eine Panikattacke erleidest, wenn jemand erführe, mit welch liebevoller Hingabe Du eine kleine Entenfamilie in Deinem Pool betüdelst, ihnen kleine Rampen hinein ins Wasser baust – und als Du zu ihnen, zur flatterhaften Gastfamilie ins Wasser willst, fliegt sie weg. Und Dann träumst Du später auch noch, sie hätten Deinen Penis geklaut und mitgenommen. Und dass Du, überfordert von einigem, Dich einer Psychiaterin anvertraust: Auch Geheimnisse hüten können, ist unverzichtbar, wenn Du Mafiaboss sein möchtest. Einer wie Tony Soprano, dem geheimen Müllmagnaten von New Jersey, dessen knorrige „Familie“ in einer der vielleicht besten und vielschichtigsten Serien aller Zeiten, den „Sopranos“, ihre krummen Dinger dreht zwischen gespreizten Schenkeln und glänzender Haut im Stripschubben „Bada-Bing“ und dunklen Machenschaften rund um Drogen, Gewalt und anderen Gerissenheiten.
Und immer wieder kehrt Tony ein im „Vesuvio“, dem Restaurant seines Sandkastenkumpels Artie Bucco, schmiedet dort Ränke mit dem Mobstern, diniert mit seiner allzu oft gehörnten Gattin Carmela, feiert die italienische Küche, wie dies die Serie überhaupt tut. Und eines Tages kracht das „Vesuvio“ auseinander, geht in Flammen auf, weil Tonys neidischer Onkel Junior darin den Überläufer “Little Pussy“ Malanga ermorden lassen will und der Mafiaboss Stärke zeigen muss und seinen Onkel nicht davon abbringen kann, und so lässt Tony den Laden sprengen – um seinen Freund zu schützen, auf dass dessen Restaurantruf nicht durch einen Mord leidet. Dafür ist dann aber eben das Restaurant völlig hinüber. Und kurz darauf steht der verzweifelte Artie mit Schrotflinte vor seinem Kindergartenkumpel – und der lügt ihn an, nichts damit zu tun zu haben und behält die brutalen Hintergründe seiner brachialen Hilfestellung für sich. Gewissensbisse, Schuldgefühle, wenn Freundschaft zum Äußersten führt. Einige Zeit später dann kann Artie aber das „Nuovo Vesuvio“ eröffnen und die Risse zwischen beiden wachsen zu.

Wie wenige Serien zuvor feierten die „Sopranos“ die italienische Küche. Carmelas gigantische Kalorienbomben „Ziti al forno“, Lasagne so groß wie der Appenin (gefühlt), Arancini, Gebäck – aber auch dieses scharfe, vollmundige, hinreißende Gericht, das ich seit Jahren ebenso liebe wie die Serie: Pasta all’ Amatriciana. Und weil es allzu passend ist, gibt es zur Serie das „Sopranos Family Cookbook“, mit kriminell guten Rezepten, angeblich zusammengestellt von Chef Artie himself, auch wenn die Rezepte in Wirklichkeit aus der Feder der Köchin Michele Scicolone stammen (unbezahlte Werbung aus überzeugung). Und da findet man all die Schlemmereien der Serie und auch die Amatriciana. Gerade weil die Rezepte köstlich und das Buch wundervoll ist, ist meine Kopie schon völlig zerfleddert und abgegrebbelt. Und die Sauce schmeckt auch, wenn man reinen Gewissens durch sonnengereifte Tage trödelt, fantastisch: Karamellisierte Zwiebeln zischeln in goldenem Olivenöl Moritaten, Chilischnitze machen ihnen Feuer unterm Hintern, knusprige Pancetta-Würfel stehen Schmiere und alle baden alsbald in einer blutroten, samtigen, umamitriefenden Tomatensauce. Und das Ganze wird dann vermengt mit bissfester, verflixt abgebrühter Pasta. Darüber, wie umwerfend köstlich die ist, sind sich auch noch so verfeindete Mobster-Clans einig.
Und da sie zudem nur weniger Handgriffe bedarf und wenig Zeit am Herd erfordert und man sie dann einfach in ihrem eigenen Saft schmoren lässt, ist sie perfekt für hektische Tage.

Zutaten für die Pasta all’Amatriciana nach Artie Bucco
2 Esslöffel Olivenöl
60 Gramm Pancetta (alternativ Bauchspeck, ungeräuchert, oder sonst Schinkenwürfel)
1 Zwiebel, geschält und feingehackt
850 Gramm Dosentomaten, feingehackt
1 Knoblauchzehe, geschält und ausgepresst oder feingehackt
1 rote Chili, entkernt und feingeschnippelt (optional)
1 Messerspitze Cayenne-Pfeffer
1/2 Teelöffel Fenchelsamen, angemörsert (von mir hinzugedichtet)
1 Teelöffel Zucker
Salz, Pfeffer
500 Gramm Pasta (eigentlich Bucatini oder Perciatelli, ich habe Sternnudeln genommen, die mal wegmussten)
100 Gramm geriebenen Pecorino Romano oder Parmesan

So wird die Pasta all’Amatriciana nach Artie Bucco gemacht
In einer großen Pfanne (die bestenfalls Sauce und Nudeln am Ende fassen kann) zwei Esslöffel Öl auslassen und sie auf mittlerer Stufe erhitzen. Die vorher eiskalt zerlegten Zwiebeln golden schmoren und Pancetta und Knoblauch hinzugeben, ebenso wie die Chilischnitze (optional). Insgesamt etwa zwölf Minuten lang.




Die Tomaten einrühren und Cayenne-Pfeffer draufstreuseln. Eventuell den gemörserten Fenchel versenken (er gibt süßfrischwürzige Noten, die sich toll einfügen). Mit Salz und Zucker (je nachdem, wie reif und gut die Tomaten sind, braucht man gar nichts oder mehr als einen Teelöffel, um die Säure zu kontern) abschmecken. Aufkochen lassen und dann auf niedriger Stufe ne halbe bis dreiviertel Stunden vor sich hinsimmern.
Rechtzeitig vorm Servieren gesalzenes Pastawasser aufstellen (mindestens vier Liter verlangt Artie). Sobald es sprudelt, die Nudeln hineinschütten und dann nach Packungsanleitung „al dente“ garen.



Sobald die Pasta al dente ist, ein bis zwei Suppenkellen Kochwasser abschöpfen und zur Sauce dazugeben, die Pasta abgießen und sofort zur Sauce geben. Etwa eine Minute lang rührend „verheiraten“, dann den geriebenen Pecorino oder Parmesan hinzugeben und sofort servieren. Eventuell umherfliegenden Pistolenkugeln oder Explosionen vorsichtshalber ausweichen.





Musik zum Menü
Wenn schon Sopranos, dann auch stilecht mit dem Titelsong, „Woke up this morning“ der Alabama 3.
Und wenn ein Restaurant gesprengt wird, kann es auch schon mal „Bang“ machen – wie im Song von Elin Ruth Sigvardsson.
Und wenn Mobster zur Verteidigung ihres Reviers Gegner abknallen, macht es auch schonmal „Bang, Bang“, wie im Hit von Momma.