
Draußen, im Dämmer, schunkeln leuchtende Sterne im Südwestwind. In den Fußgängerzonen tragen Damengrüppchen Rentiergeweihe aus Plüsch. Ihre Hände umklammern Becher, in denen Glühwein dampft. Über ihren Köpfen singt ein Elch Weihnachtsschlager, etwas windschief, mit niederländischem Akzent. Schwipsschwaden mischen sich mit Bratwurst-Grill-Wolken. Kindern wird in kleinen Karussells schwindelig – und manchmal auch schlecht. Mag auch an den Kinderschlagern liegen. Gebrannte Mandeln kleben zuckrig am Rührer in der Wanne. In Holzbuden werden Bienenwachskerzen verkauft. Ein Stiernacken mit Hipster-Holzfällerbart kurbelt sich den neunten Met rein. Das Horn dafür hat er extra von zu Hause mitgebracht. Die Hälfte landet im Schlund, der Rest im Bart. Er wankt. Und blickt verächtlich zu seiner kleinen Freundin, vielleicht halb so groß. Sie trinkt gern Lumumba. Mit Sprühsahne. Ein Grund, warum er gerade verächtlich guckt. Im Mittelalter trank niemand Lumumba. Und wer das irgendwann mal sein würde, ahnte damals keiner und haben heute die meisten vergessen oder nie gewusst.

Wulnikowski und Ada haben sich auch für einen kleinen Weihnachtsmarktbummel getroffen. Sie huscht plötzlich ins Gedrängel, kommt mit zwei Bechern Feuerzangenbowle wieder. Er sagt: „Das ist doppelt nix für Diabetiker.“ „Wieso?“ „Na, erstens extrem süß von Dir – aber das Zeug selbst versetzt Dir nen Zuckerschock, der sich gewaschen hat.“ „Ich kenn’ mich mit Zuckerschock-Hygiene nicht aus. Wie oft wäscht der sich so?“, fragt Ada, kichert, raucht. Sagt dann: „Hast Du mitbekommen, dass auf der ISS im All eine seit acht Monaten verschollene Tomate wieder aufgetaucht ist?“ „Nee.“ „Wie verschimmelt war die? Gibt es Schimmelsporen im All?“, fragte Wulnikowski. „Keine Ahnung. Aber das Ding war wohl, es gab sowieso nur zwölf der im All gekeimten Tomaten. Und einer der Astronauten war seitdem verdächtigt worden, die einfach heimlich gefuttert zu haben.“ „Das geht mir manchmal mit Keksen so, da denken auch schnell alle, ich hätte die gegessen.“ „Wieso Du?“ „Keine Ahnung.“ Wulnikowski grinst.

Ada sieht an ihm herunter. Unter seinem Wollfilzmantel beult sich die Bauchtasche des Kapuzenpullis. „Hast Du wegen des plötzlichen Zuckerschocks zugenommen? Oder weil Du dauernd heimlich Kekse futterst?“, fragt sie. „Wieso?“ „Na, so ne seltsam ausbeulende Plautze hattest Du gestern noch nicht.“ „Was? Achso, janee.“ „Janee was?“ „Janee!“, sagt er, greift seitwärts in die Bauchtasche des Pullis und zieht eine Keksdose heraus. „Ich dachte, wenn wir schon auf den Weihnachtsmarkt gehen, dann brauchen wir auch Spekulatius. Und zwar richtig gute, keine Massenkeksware ausm Supermarkt.“ „Du bist auch ganz schön zuckerschockierend, Wulni!“, sagte Ada und gab ihm einen Schmatzer auf die Wange. Wulnikowski grinst, bis von irgendwoher „Last christmas“ schallt. Da verzieht er angewidert sein Gesicht.

„Bei den Supermarkt-Spekulatius ess’ ich ja am liebsten die Mühlen. Keine Ahnung, wieso. Aber es ist so. Und ich kaufe auch keine, in denen es keine Mühlen gibt.“ „Ich auch“, sagte Wulnikowski. Sie lachten. „Ich hoff’, Du isst die hier auch. Weil: keine Mühlen. Nur die Maus. Und die Ente. Und der Elefant.“ „Orrr“, schnurrte Ada. Ein Jugendlicher schob sein Rad an ihnen vorbei. Am Lenker hatte er mit Kabelbindern eine leuchtende Weihnachtsmannpuppe festgezurrt. Womöglich irgendwo geklaut, aber immerhin irgendwie Licht, weil die Lampe am Rad ging nicht. „Ich liebe die Maus“, sagte Ada. „Ich auch“, sagte Wulni. „Und so wenig man ihr eigentlich den Kopf abbeißen mag, ess‘ ich Maus-Spekulatius fast noch lieber als Mühlen. Weil die Kekse selbst einfach noch leckerer sind. Und weil das auf witzige Weise anders ist als all die Sterne, Vanillekipferl, Schachbrettkekse, Heidesand, Lebkuchen und all das, was Menschen sonst so vor Weihnachten backen“, sagt er. „Und Mühlen“, entgegnete Ada und lachte. „Und Mühlen.“

Das braucht man für die Spekulatius mit der Sendung mit der Maus
Selbstredend lässt sich aus diesem Teig alles mögliche an Formen stechen. Auch Mühlen. Wer sich auch in Form von Maus, Ente und Elefant ausstechen möchte: Es gibt Ausstechformen eines großen Backmischungs- und Tiefkühlpizzenherstellers, die man im Netz bestellen und in ausgewählten Läden kaufen kann. Ich möchte hier bewusst keine Werbung machen, denn es geht ja um die Kekse, deren Rezept angelehnt ist an die tolle Variante von Yotam Ottolenghi aus seinem Buch „Sweet“ (unbezahlte, unaufgeforderte Werbung durch Namensnennung).

Und für die braucht man erstmal eine Gewürzmischung. Selbstredend kann man einfach Spekulatiusgewürz kaufen. Ich habe meins selbst gemischt und in der Gewürzmühle zusammengesirrt.

1 Esslöffel Zimt, gemahlen
1 Esslöffel Kardamom, gemahlen
1 Teelöffel Anis, gemahlen
3/4 Teelöffel weißer Pfeffer, gemahlen
3/4 Teelöffel Ingwer, gemahlen
1/2 Teelöffel Koriander, gemahlen
1/4 Teelöffel Muskatnuss, gemahlen
1/4 Teelöffel Gewürznelken, gemahlen








Die Zutaten für den Spekulatiusteig sind

450 Gramm Mehl
1/2 Esslöffel Natron (oder Backpulver)
die Gewürzmischung (siehe oben), es sollten um die 4 Esslöffel sein, falls Ihr Spekulatiusgewürz kauft
1/2 Teelöffel Salz
250 Gramm weiche Butter
300 Gramm brauner Rohrzucker
1 Schnapsglas Rum
1 Schnapsglas Wasser
1 großes Eiweiß, schaumig geschlagen, zum Bestreichen (optional)
Wer mag, kann auch Mandelblättchen auf die Unterseite der Kekse drücken, vielleicht 100 Gramm

Wer Maus, Ente, Elefant draus machen will, braucht, wenn er nicht per Hand schnitzen will, entsprechende Ausstechformen. Wer andere Ausstechformen vorzieht, nimmt einfach die. Die Form ist am Ende ja auch egal (nun, ein bisschen, Maus oder Mühlen mag ich schon am liebsten).

So macht man die Spekulatius selbst
Das Mehl mit dem Natron, dem Salz und der Gewürzmischung in eine Schüssel sieben. Diese aber erstmal beiseitestellen.
Die weiche, eventuell vorher in einem Topf geschmolzene Butter mit dem Zucker in die Rührschüssel einer Küchenmaschine geben und etwa drei Minuten lang in rasendem Gerühre zu einer cremig-schaumigen Masse aufschlagen (geht natürlich auch mit einem Mixer in einer Schüssel).

Das Rum-Pinneken hinzugeben und mit der Masse verbinden. Anschließend nach und nach die Mehl-Salz-Natron-Gewürz-Mischung hinzurieseln und in nun langsamem Tempo einrühren. Wer zwischenzeitlich probiert mag in Sorge sein, dass das Ganze grässlich nach Rum schmecken könnte, das verflüchtigt sich aber beim Backen bis auf einen zarten, bereichernden Aromenhauch. Keine Sorge!
Das ganze Gelumpe (Gruß an Tim Mälzer) dann aus der Schüssel nehmen, in zwei Kugeln formen und die, in Backpapier gehüllt (ist mir persönlich lieber als Frischhaltefolie) für eine Stunde nach draußen in die Winterkälte stellen oder in den Kühlschrank legen (meiner ist dauernd zu voll).
Danach die Kugeln, deren Teig durchgekühlt ist und zunächst verstörend bröselig erscheinen mag, noch einmal mit den Händen geschmeidig kneten. Dann mit einem Nudelholz oder einer frisch geleerten Glühweinflasche schön flach rollen. Dafür eventuell die Arbeitsfläche bemehlen (bei mir ist aber auch ohne nichts angepappt).
Den Ofen auf 200° C (180° bei Umluft) aufheizen, ein Backblech mit Backpapier ausschlagen. Den Teig schön flach rollen, Mäuse, Elefanten, Enten ausstechen oder Sterne oder Mühlen oder was immer ihr mögt. Und dann aufs Backblech legen. Wer Mandelblättchen möchte, kann die Figuren vorher einmal vorsichtig in eine Schale mit den Blättchen drücken und sie mit den Mandeln nach unten aufs Backblech legen. Etwa zwei Zentimeter Abstand auf dem Backblech zwischen den Figuren sollten reichen. Zu stark zerläuft der Teig nicht. Dann hauchdünn mit dem Eiweißschaum bestreichen.
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Wenn das Backblech voll und der Ofen heiß ist: rein mit den Keksen in den Schlund. Etwa 12 Minuten Backdauer sind ein guter Richtwert, aber behaltet die Teile im Auge, sie sollen weder zu hell und weich, noch dunkel und bitter werden. Aus Energiespargründen kann man natürlich auch zwei Backbleche gleichzeitig in den Ofen stecken und nach der Hälfte der Zeit die Positionen tauschen (ich besitze nur eins).




Während die Teile backen, weiter ausrollen, ausstechen, aufs Backpapier legen, Teigreste zu neuen Kugeln formen, wieder ausstechen und so weiter. Ihr kennt das Spiel. Und wenn die erste Charge aus dem Ofen kommt, das Backpapier runterziehen und das neue aufs Blech legen, rein in den Ofen. Nun, ich tippe, ich muss Euch auch nicht minutiös erklären, wie man Kekse backt.
Die fertigen Kekse kurz auskühlen lassen und am besten in eine mit einer Serviette ausgeschlagene Dose packen und luftdicht verschließen. Wie lange sie sich genau darin halten, weiß ich nicht. Ich finde sie zu lecker, als dass eine Charge der Kekse mehr als eine Woche überlebt hätte.




Weitere tolle Weihnachtskekse
Die Spekulatius sind tatsächlich nicht meine ersten Weihnachtskekse hier. Nach wie vor heiß geliebt und regelmäßig gegessen, weil so sensationell lecker, sind und bleiben die Schnitzel mit herzhafte Spekulatius-Rahmsauce (für die ich aber Supermarkt-Keksware zerbrösele, die hier sind fast zu schade):
Zurück zu Keksen: Ebenfalls toll sind die Erdnuss-Salzbrezel-Rentiere:
Und von mir heiß geliebt sind auch die wundervoll aromatischen Ginger-Snap-Cookies aus der Garage meiner Eltern.
Auch an Weihnachten sensationell: die Chocolate-Cookies mit Fleur de sel nach Tanja Grandits!
Musik zu den Spekulatius
Wenn schon Maus-Spekulatius, dann auch das legendäre Maus-Intro, komponiert von Hans Posegga.
Wenn schon Vorweihnachtszeit, dann geht für mich auch nichts über Bugge Wesseltoft und sein traumschönes Weihnachtsalbum „It’s snowing on my piano“. Das perfekte Gegengift zum Weihnachtsgedudel auf den Märkten. Hier: „Stille Nacht“.
Wenn schon ein bisschen schwungvoller Weihnachtssound, dann lieber „Perfect holiday“ von Fitz and the Tantrums.
Und da ich „Last christmas“ so hasse und ich immer irgendwas kaputthauen möchte, wenn ich es höre, gibt es den Song hier trotzdem – aber im Mashup mit „Break stuff“ von Limp Bizkit. Ähnlich gute Verquickungen gibt es mit „One“ von Metallica oder mit nem Song von Linkin‘ Park, den ich gerade vergessen habe.
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Hallo Ole, witzigerweise wollte ich grade nochmal das Rezept für die Spekulatius suchen. Das Rezept hatte ich über Chili & ciabatta/milchmädchen gefunden und nach dem backen zum Lieblingsplätzchen in diesem Jahr erklärt. Hatte sie beim ersten Mal veganisiert, um der Tochter welche abzugeben. Mache ich nochmal so, denn mit der tollen Gewürzmischung vermißt man die Butter nicht. Aus Bequemlichkeit werden sie aber wieder von der Rolle geschnitten…Vielen Dank und liebe Grüße Hanni
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Wie schön! Ganz lieben Dank und Gruß! Und vegan sind die ziemlich sicher auch köstlich! Zumal der Teig ja ohne Ei auskommt und man da keine Ersatzklimmzüge machen muss. 🙂
Ganz liebe Grüße
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Da muss ich doch mal den sweet Mr. O aus dem Regal holen. die interessieren mich jetzt schon, deine Mäuse
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Meine Lieblingsgewürze und Spekulatius! Und dann noch ein Hauch Yotam Ottolenghi dabei? Ich könnte fast doch noch anfangen zu backen…. 😉 Köstlich, zauberhaft und wunderschön. Deine Bilder und die Geschichte. Wie immer. Liebe Grüße aus dem südlichen Süden.
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Deine Bilder sehen aus wie gemalt … ein Traum! Und wie die Maus mir zuwinkt!
Lieber Ole, ich wünsche dir und deiner Familie von Herzen Frohe Weihnachten und geruhsame und wunderschöne Weihnachten!
Alles Liebe!
Maria
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Ich habe vor, zum 2ten Weihnachtstag einen Spekulatius Cheesecake zu backen, mal sehen was dabei rauskommt, Wahrscheinlich haben aber fast alle Menschen, versucht Deine Plätzchen zu backen, ich war in 9 Läden, bis ich ein Päckchen hatte.😂
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Ein Päckchen wovon? 😀
Wie war Dein Cheesecake? Ich liebe Spekulatius-Boden! So gut!
Ganz liebe Grüße! Und guten Rutsch!
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Geht. Geht sogar sehr gut, riecht gut – aber wenn man sie ißt, muß man auch genug dazu trinken (Folgen möglich? SIehe oben!), denn das ist schon eine sehr trockene Sorte! Vielleicht doch noch ein paar Lebkuchen oder dergleichen?
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