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Gute anderthalb Jahrtausende ist es her, da schleppten Karthager und Griechen schwarzstruppige Schweine von ihren Segelbooten an Land, nachdem sie in sizilianischen Häfen festgemacht haben. Diese schwarzen Schweine hatten schon früher einen großen Freiheitsdrang und wühlten und buddelten hangauf, hangab, irgendwann war es für die meisten aber mit der Freiheit vorbei, sie landeten bei Schlachtern. Bis heute gelten die Schwarzscheine aus Nebrodi als besondere Delikatesse auf der Insel, die Italiens Stiefelspitze bildet. Doch eben diese Schweine waren es auch, derentwegen der Kochbuchautorin Cettina Vicenzino vor mehr als zehn Jahren plötzlich Bissen im Halse stecken blieben.
Gerade noch hatte sie eine Salsiccia vom Fleisch der „maiale dei Nebrodi“ gemeinsam mit ihrer Mutter genossen, die Aromen auf der Zunge zergehen lassen, da erzählte ihre Mamma Maria von den freilebenden, niedlichen schwarzen Schweinen mit ihren possierlichen Rüsseln. Und plötzlich durchzuckte es Cettina. Sie, die in Militello Val di Catania auf Sizilien geboren ist, als Kind mit ihren Eltern nach Köln zog, die dort ein Restaurant eröffneten, in dem sie aufwuchs. Sie, die die Restaurantküche früh für eigene Kochexperimente nutzte, dennoch aber eine Schneiderlehre und ein Modedesign- und Kunst-Studium in Hamburg absolvierte, ehe sie halb aus Trotz, weil es seinerzeit eher keine Italiener waren, deren Kochbücher die Kochkunst der Menschen aus ihrem Heimatland in deutschen Küchen vermittelten, ein erstes eigenes Kochbuch schrieb, fotografierte, veröffentlichte – eins mit Familienrezepten, nicht zuletzt welchen ihrer Mamma Maria. Und das tat sie so hinreißend und gewitzt, mit so viel Liebe zum Detail, ungeschminkt, mit körnigen, kunstvollen Fotos, dass sie trotz aller Liebe zu Kunst und Mode einen Schlenker zurück zu ihren eigenen Wurzeln machte. Und das mit so viel Erfolg, dass etwa ihr Werk „Italia“ 2016 als Erstplatzierte den „Gourmand World Cookbook Award“ als bestes italienisches Kochbuch der Welt einheimste.

Doch war es eben diese Geschichte mit den schwarzen Grunzern, zu Besuch bei ihren Eltern, die als Selbstversorger inzwischen wieder auf Sizilien leben, die sie vor mehr als zehn Jahren dazu brachte, bewusster zu essen, auf Fleisch zu verzichten, die Aromenvielfalt der Gemüseküche zu erkunden – was vor neun Jahren in ihrem ersten vegetarischen Kochbuch „Cucina vegetariana“ mündete. Nun ist sie im vergangenen Jahr erneut aufgebrochen, um der so simpel scheinenden und doch so raffinierten Art und Weise nachzuspüren, wie in Italien aus frischem, reifem, gutem Gemüse, aus knackigen Hülsenfrüchten und Käse Hinreißendes entsteht. Das ist neu, taufrisch, wundervoll – heißt aber genau wie das vorige.
Gleiche Autorin, neuer Inhalt, aber gleicher Name? Was den Verlag, was Dorling Kindersley bewogen hat, ein brandneues Buch haargenau wie ein neun Jahre altes Buch derselben Autorin zu taufen, wo doch nun viele denken werden, es sei nur eine Neuauflage, ein aufgefrischter Aufguss des Alten? Warum er ohne jede Not Verwechslungsgefahr herbeibeschwört? Bleibt sein Geheimnis. Schon ein wenig, als wenn eine Mutter von sieben Kindern zwei Kindern denselben Namen gäbe, oder? Aber weil dieser alt heißende Neuling der „kreativen Genussbotschafterin Italiens“, wie sie mal genannt wurde, in meinen Augen so erfrischend ist, voll Raffinesse steckt und Lust macht auf vegetarische Köstlichkeiten, stelle ich ihn einfach mal vor. Auch, weil Kochbuchrezensionen hier ja doch Seltenheit haben.
Cettina hat Menschen vor Ort getroffen, in ihre Küchen geschnuppert, Düfte aufgesogen, Aromen auf der Zungenspitze tanzen lassen. In Kalabrien hat sie Mimma aus dem Zwiebelparadies Tropea getroffen und „mit Blick auf das überwältigende kalabrische Meer“ gespeist. Auf Sizilien hat sie mit ihrer Mutter „Kopfüber“-Gemüsefocaccia zubereitet, hat in einer Villa in Taormina, neben der einst Truman Capote lebte, Melanzane alla Parmigiana genossen, den legendären Auberginen-Tomaten-Auflauf, hier nach dem Rezept von Freunden. Es ist ein hinreißendes Panoptikum herausgekommen, bei dem Herzhaftes und Fruchtiges, Salziges und Süßes, Säure und Zartbitteres scheuklappenfrei muntere Ringelreihen miteinander tanzen, und immer wieder tauchen Rezepte auf, die aufmerken lassen, die besonders sind und zum Nachkochen reizen, allein die Risotto-Varianten: sei es mit schwarzem Knoblauch, Safran und Mascarpone, sei es, als wehe ein Windhauch aus Südostasien herüber, mit Tomaten und Ingwer oder sei es das Kokos-Dattel-Risotto.
Seien es Spaghettoni, die mit Mascarpone, Vanille und Erdbeeren zubereitet werden oder Linguine, bei der die Pasta wie Risotto gekocht wird, mit Knoblauch, Olivenöl und Zitrone. Seien es Fladenbrote mit Oranngen, Fenchel und Stracciatella, der nicht nur mit Schokosplittern versetztes Milcheis meinen kann, sondern auch zerzupften Mozzarella. Bitterzarter Radiccio trinkt in einem Pasta-Salat Brüderschaft mit Grapefruit und Walnüssen. Auch mit Topinambur gefüllte Pasta in der Form von Sonnenblumenblüten lugt neckisch aus den Seiten. Und zwischen all den kleinen und großen Geschichten streut die Italienerin Wissenswertes ein. Und nicht zuletzt dank des Mitgefühls mit schwarzen Schweinen gibt es hier die Chance, mit dem eigenen Rüssel noch tiefer in die Gemüsewonnen der italienischen Küche zu schnuppern und Besonderes zu entdecken.

Weil die weiter wogende Freude über den Überraschungserfolg vor gut einer Woche mir immer noch Tage versüßt, weil ich Süßes liebe und gern Unerwartetes tue, gibt es von mir aus diesem Buch nun keins der gerade angesprochenen verführerisch-herzhaften Gerichte, sondern einen Nachtisch. Einen, in dem Blutorangen ihr Vexierspiel aus Süß, Sauer und Bitter auf einem ebenso hüftvergoldend mächtigen wie luftig-leichten Bett aus Mascarpone und Schlagsahne aufführen. Einen, in dem Vanillezucker seinen edlen Aromenfächer im Hintergrund aufzieht, Olivenöl alles in seine goldglänzende Milde taucht, roter Pfeffer im Untergrund zündelt, Ahornsirup seine burschikose Süße andient und das vielgesichtige Basilikum einmal mehr zeigt, dass es als Gewürz in der Küche in etwa das ist, was Jan-Ove Waldner (auch wenn den vermutlich kaum mehr noch kennt) vor Jahrzehnten im Tischtennis war: Alleskönner. Auf Italienisch klingt das Ganze auch nochmal nach deutlich leidenschaftlicherem Genuss: „Mascarpone con arance rosse, basilico, sciroppo d’acero e olio d’oliva“. Hinzu kommt: Das Dessert ist wunderbar fix zusammengerührt, was Tage auch durch großen Genuss bei ebensolcher Zeitersparnis versüßen hilft. Die Törtchen mit Lavendelcreme, weißer Schokolade, Orangenmarmelade, Honigwaffeln und Kakaobutter hätten mich länger in der Küche gehalten.
Lotto-Exkurs: Nun hat, wie kurz vorm zweiten Bloggeburtstag angekündigt, Cettina Vicenzino dafür gesorgt, dass ich ein Exemplar von „Cucina vegetariana“ verlosen darf, was ich auch getan habe. Dafür wollte ich eigentlich wie vor einem Jahr die alte Spielzeugwaschmaschine wieder zur Lostrommel umfunktionieren. Aber das Teil spielt seit geraumer Zeit Verstecken, ist unbekannt verzogen. Und so habe ich die Namen all derer, die auf verschiedenen Kanälen durchs Teilen meiner Bitte um Unterstützung fürs Abstimmungsrennen bei den „Goldenen Bloggern“ mir liebenswert geholfen haben, auf Zettel geschrieben und eine umherliegende Baumwollmütze zur Lostrommel gemacht, in Abwesenheit eines Notars, zugegeben. Und gezogen habe ich den Namen: Carina Siegmund Engelhardt. Wenn Du das hier liest: Übersende mir bitte doch Deine Kontaktdaten, damit ich ein Paket auf den Weg zu Dir schicken kann.
Was braucht man für die Mascarpone-Creme mit Blutorangen, Basilikum, Ahornsirup und Olivenöl?
300 Gramm Mascarpone
2 Päckchen Vanillezucker
1 Becher Sahne (200ml)
4 Blutorangen
4 Esslöffel Ahornsirup
2 Esslöffel (fruchtiges) Olivenöl, Cettina empfiehlt Öl der Sorten Tonda oder Biancolilla
Meersalzflocken
frisch gemahlenen roten (Kampot-)Pfeffer
1 Handvoll kleine Basilikumblätter

Wie wird das Ganze nun gemacht?
Den Mascarpone in einer Schüssel vanillezuckern und beides gemeinsam glattrühren. Die Sahne mit Mixer oder Pürierstab steif schlagen und behutsam unter den Mascarpone heben. Die Crème für eine halbe Stunde zum Abkühlen auf Besuch in den Kühlschrank schicken, danach auf vier Dessertschüsseln verteilen (oder weniger, wenn Ihr weniger seid, man mag pro Nase auch mehr davon).



Die Orangen schälen und filetieren (sprich: die weiße Haut absäbeln und auf feine Scheiben schneiden). Den Saft, der beim Zerschnitzen der Zitrusfrüchte entsteht, auffangen und mit dem Ahornsirup und dem Olivenöl verrühren.
Die Orangenscheiben auf die Mascarpone-Creme-Betten kuscheln und mit dem Orangensaft-Ahornsirup-Öl begießen. Ein paar Meersalzflocken darüber rieseln (oder ein paar Salzkörnchen draufstreuen), etwas roten Pfeffer dazu streuen und das ganze mit kleinen Basilikumblättchen (oder zerzupften großen) garnieren.





Wen das Buch interessiert, hier sind noch die bibliographischen Angaben: „Cucina vegetariana“ von Cettina Vicenzino ist Ende März im DK-Verlag erschienen, hat 238 Seiten, kostet 29,95 Euro und hat die ISBN 978-3-8330-4636-2.
Musik zur Mascarpone-Creme
Wenn es schon um italienische Küche geht, dann gehört hierhin auch italienische Musik. Aber kein Eros Ramazzotti, auch Verdi- oder Donizetti-Opern oder Pavarotti-Arien umkurve ich. Stattdessen gibt’s hier italienischen Indierock. Verdena. „Luna“.
Auch wenn ich ein wenig Klischees wälze, wenn mir zu Sizilien der wundervolle Soundtrack der großen „Pate“-Filmreihe einfällt: Der „Godfather’s waltz“ ist großes Kino, auch und besonders in der Version von Daniel Hope und Christoph Israel.
Und dann ist da ja noch die Orange, zu der es ein gleichnamiges Rumpelbluespunkmeisterwerk der Jon Spencer Blues Explosion gäbe. Ich entscheide mich stattdessen, der Vielfalt halber, für „Crack rock“ vom gefeierten Album „Channel Orange“ von Frank Ocean.
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Großartig, ich habe wieder jede Zeile genossen!
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Das freut mich über die Maßen! Danke!
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Ganz liebe Grüße
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Hach, wie schön, Buch, Rezept und die Beschreibung derselben, ein Genuss.
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Wie unglaublich lieb von Dir! Danke!
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Jetzt habe ich aber großen Appetit auf dieses leckere Dessert bekommen. Super! Auch die Idee mit dem Kampot. Das ist ein wunderbarer Pfeffer, ich benutze ihn auch ab und an. Und Salzflocken dazu geben noch extra Crunch.
Danke für deine Rezeptinspiration,
liebe Grüße schickt dir Karin aka Katharina 😉
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😋😋
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