
Eigentlich hatte Wulnikowski Ada nur sein neuestes köstliches Bärlauch-Rezept probieren lassen wollen: Pasta mit einer zartschmelzenden Sauce aus Bärlauch mit Ziegenfrischkäse, getrockneten Tomaten, Parmesan, garniert mit Granatapfelkernen. Doch dann hatte er diese Entdeckung gemacht. Hätte Wulnikowski diese wohl beste wahre Tierrettungs-Geschichte des Jahres am Tresen bei Gertrud erzählt, im Bauch der dunklen Eckkneipe: Er wäre gar nicht bis ans Ende gekommen. Die anderen am Tresen hätten schon prustend Biernebel versprüht und sich grölend auf die Schenkel geklatscht, wenn sie nur gehört hätten, dass in der Geschichte eine schielende Tierärztin namens Janet Kotze eine Rolle spielt. Und dabei hätten sie das Beste verpasst. Eine Geschichte, wie es sie so zuvor vielleicht noch nie gegeben hat und die er vor sich hinkichernd immer wieder durchspielte, seit er davon gehört hatte.
Ada hingegen hörte zu, als Wulnikowski bei ihr klingelte. Hatte sich gerade einen Kaffee aufgebrüht, zückte ihr Feuerzeug, schob sich eine Zigarette zwischen die Lippen, zog daran und sah versonnen den Rauchkringeln nach, ehe sie einfach zuhörte, noch etwas verkatert. Nicht ohne zu fragen: „Warum zur Hölle trägst Du ne Bommelmütze, Wulni? Es ist Frühling, Du bist unter Dach.“
„Das wirst Du gleich verstehen. Ich hab gerade was Unglaubliches gelesen.“ „Und das war so unglaublich, dass Du eine Bommelmütze aufsetzen musstest?“ „Ja.“ „Ach.“
Was Wulni seine Bommelmütze aufsetzen ließ, hatte sich knapp südlich von Manchester in einem Waldstück zwischen den winzigen Käffern Over Peover und Ollerton zugetragen. In Ollerton gibt es ein Pub, das nach einer graubraunen Kuh benannt ist, wo man über den Durst trinken kann. Irgendwo dort in der Nähe war eine liebenswerte Frau um die 70 in Aufregung geraten, denn auf einem Bürgersteig am Straßenrand hatte sie etwas entdeckt. Da lag ein von seiner Mutter verlassenes Igeljunges, da war sie sicher. Sie klaubte das eher flauschige als stachlige, seltsam leichte Knäuel behutsam mit Gartenhandschuhen auf, legte es in eine Pappkiste, und vielleicht war es ein Zeichen, das sie das Knäuel auf eine Zeitung bettete, auf der in fetten Lettern„We still believe“ riesig auf einem Trikot der englischen Fußballnationalmannschaft prangte. Die gütige Alte schubste einen Haufen Katzenfutter auf ein Schälchen, stellte es daneben, denn das Igeljunge sollte ja zu Kräften kommen. Die liebenswerte Oma kümmerte sich, strich dem Kleinen über die noch weichen, nun, Stacheln. Doch auch nach Stunden hatte es sich nicht bewegt, nicht gefressen, keinen Haufen gemacht, und so geriet die Alte in Sorge, packte den Pappkarton in ihr Auto und brauste zum Lower Moss Wood Nature & Reserve Wildlife Hospital, das versteckt unter Bäumen in einem Wäldchen zwischen Ollerton und Over Peover liegt.
Aufgeregt zeigte die Dame der diensthabenden Tierärztin Janet Kotze das besorgniserregend apathische Knäuel. Die Ärztin stutzte, versuchte nicht zu lachen, als sie die Kiste öffnete, zumal die liebe Frau doch fast alles richtig gemacht hatte. Fast. Wer zurückgelassene Igeljunge findet, soll sie ja tatsächlich in einer Pappkiste mit Futter, warmgehalten, beherbergen und einen Tierarzt aufsuchen. Nur, dass in dieser Kiste eben kein Igelchen lag – „sondern… Trommelwirbel… ein Mützenbommel einer Bommelmütze“, sagte Wulnikowski. Dem „Independent“ sagte Janet Kotze danach: „Sie war so beseelt davon, das Richtige zu tun. Sie war so in Sorge, dass das Knäuel sich weder bewegt hatte noch einen Haufen gemacht – es wäre aber deutlich verstörender, wenn der Bommel das getan hätte.“ Und die Retter vom Lower Moss Wood Nature & Reserve Wildlife Hospital schrieben daraufhin bei Facebook: „Unsere Herzen schmolzen dahin, als eine gute Seele dachte, sie würde ein Igelbaby retten, nur um festzustellen, dass es ein flauschiger Bommel aus einer Pudelmütze war!“ Ada verschluckte sich fast am Rauch, stieß hustend und lachend Ringe aus. „Wie geil“, sagte sie. „Ist bin ein Frensch, halb frosch, halb Mensch. Ich bin ein Puschigel, halb Puschel, halb Igel. Ich hoffe, Du fütterst den Bommel auf Deinem Kopf auch gründlich mit Katzenfutter?“
„Eigentlich wollte ich Dich einladen – zum Futtern. Bis ich diese grandiose Geschichte entdeckt habe.“
„Zum Futtern?“
„Ja. Ebenfalls grandiose Geschichte.“
„Was?“
„Ich lieb’ ja Bärlauch, aber mich langweilt Pesto. Und Bärlauchsalz. Immer dasselbe.“
„Das erzählst Du jedes Jahr.“
„Manchmal wiederhole ich mich. Ich liebe den fantastischen Bärlauch-Osterzopf, die Bärlauch-Ziegenkäse-Quiche mit Ofentomaten, Zitronenzesten und Parmesan, die ukrainischen Rocknroll-Pfannkuchen mit Tomaten-Parmesan-Chutney und Bärlauch und auch die Bärlauch-Gnocchi mit der weltbesten Tomatensauce…“
„Ich weiß…“
„Naja, und diesmal habe ich Pasta gemacht in einer unglaublich leckeren Sauce aus Ziegenfrischkäse, saurer Sahne, getrockneten Tomaten, Weißwein und Parmesan, mit Granatapfelkernen.“
„Klingt geil.“
„Ist es auch.“
„Noch was da?“
„Ja.“
„Worauf warten wir? Alle Igel sind gerettet.“


Zutaten für die Bärlauch-Pasta mit Ziegenfrischkäse, getrockneten Tomaten und Granatapfelkernen
Für 2 Personen
500 g Pasta, beispielsweise kurze Makkaroni
150 g Ziegenfrischkäse
1 große rote Zwiebel
2 Handvoll Bärlauch, gewaschen, geschüttelt (nicht gerührt), kleingehackt
100 g saure Sahne
3-4 getrocknete Tomaten in Öl, abgetropft und kleingehackt
50 g Parmesan
1 EL Butter
1 EL Steinpilzpulver (optional)
2-3 EL Weißwein
Salz
Pfeffer
Granatapfelkerne nach Geschmack (wer es herzhafter möchte, kann für Crunch auch Pinien- oder gehackte Walnusskerne ohne Fett in einer Pfanne rösten)

So macht man die Bärlauch-Pasta mit Ziegenfrischkäse, getrockneten Tomaten und Granatapfelkernen
Wer den Bärlauch selbst pflückt: Blätter abschneiden, nicht abreißen, sonst reißt man im Zweifel die Wurzel aus, und im Zweifel Blätter testweise zerreiben, um sie nicht mit den hoch giftigen Maiglöckchen zu verwechseln: Beim Zerreiben duften sie knoblauchig, und sie sind unten matt, nicht glänzend wie Maiglöckchen, und spätestens bei den Blüten ist der Unterschied mutmaßlich klar.

Die Bärlauchblätter waschen, schütteln (nicht rühren), feinhacken.
Die Zwiebel häuten und in feine Ringe schneiden, die getrockneten Tomaten abtropfen lassen und dann fein hacken. Den Parmesan schneeflockenfein reiben.

Butter in einer Pfanne bei niedriger bis mittlerer Hitze auslassen, die Zwiebelscheiben darin golden dünsten. Gehackte getrocknete Tomaten dazugeben und mitschwitzen. Mit Weißwein ablöschen, köcheln lassen, auf dass möglichst viel Alkohol verdampft. Dann den Ziegenfrischkäse und die saure Sahne einrühren.


Rührend mit Zwiebeln und Tomaten verbinden, ein wenig köcheln lassen. Den Parmesan hineinrieseln und unterheben. Wer mag, kann jetzt auch noch den Esslöffel Steinpilzpulver hinzugeben (optional).
Pasta in einem gesonderten Topf in ausreichend viel gesalzenem Wasser nach Packungsanleitung gar/al dente kochen.
Die Hitze für die Bärlauch-Saucenpfanne auf sehr niedrige Stufe verringern. Weil die Bärlauch-Aromen sehr flüchtig sind, empfiehlt es sich ihn erst zum Ende des Kochens und nur bei niedriger Hitze mitschmurgeln zu lassen. Und ein wenig beiseite zu lassen als Garnitur. Die Sauce mit Salz und Pfeffer abschmecken, eventuell auch ein bis zwei Schöpfkellen Nudelkochwasser angießen, je nachdem, wie flüssig oder fest Ihr die Sauce mögt.


Zum Garnieren Granatapfelkerne aus der Schale pulen und sich dabei bestenfalls nicht einsauen.

Die Pasta abgießen, heiß auf Tellern servieren, mit Granatapfelkernen (oder gerösteten Pinien- oder Walnusskernen) bestreuen, vielleicht noch ein wenig Parmesan und der Rest frischen Bärlauchgrüns drüber verteilen. Und dann reinhauen und genießen.





Weitere Bärlauch-Lieblingsrezepte
Musik zum Menü
Im Englischen heißen Pudel- oder Bommelmützen „Bobblehats“. Hier nun „Bobblehats and beer“ von Stryngs.
Nun ging es hier ja um ein verlorenes Teil einer Pudelmütze, somit passt hier auch „I’ve lost my bobble hat“ aus Nick Cope’s Popcast super. Ob musikalisch? Nun ja. Aber: Och…
Das Ganze hat sich in der Grafschaft Cheshire abgespielt. Nun ist die Cheshire Cat (zu Deutsch windschief: Grinsekatze) ja in Alice im Wunderland gruselmagisches Wesen, das legendär geworden ist. Und da passt schon ein wenig, zumal als Ostfriese, die Nichtgeburtstags-Teezeremonie aus dem legendären alten Disney-Film (einem meiner liebsten). All denen, die heute auch Nichtgeburtstag haben: „A very merry unbirthday to you!“
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wundervoll einfach wundervoll! So habe ich doch diesmal den ollen Bärlauch (weil eben Pesto aus dem kann ja jeder) gegen die feine Knoblauchsrauke ausgetauscht. Aber, wenn ich dieses Rezept so sehe und mir dann noch den süßen Igelpuschel dazu vorstelle…. vielleicht gehe ich doch noch in Nachbarsgarten und klaue Bärlauch 😉
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Das wär doch sehr angebrachter Diebstahl 🙂
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moin Ole,
ein tolles Rezept. Ich bekomm direkt Appetit. Da ich aber bei Ziegenkäse jeglicher Art „den Geschmack im Abgang“ nicht mag (er schmeckt mir immer zu sehr nach Tierpark…) würde ich „normalen Frischkäse“ nehmen.
Dir und deinen Lieben wünsche ich ein schönes Osterfest.
Liebe Grüße aus dem Rheinland, Karin
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